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BGH - Entscheidung vom 24.04.2018

5 StR 635/17

Normen:
StGB a.F. § 177

Fundstellen:
NStZ-RR 2019, 3

BGH, Beschluss vom 24.04.2018 - Aktenzeichen 5 StR 635/17

DRsp Nr. 2018/6626

Herstellen einer finalen Verknüpfung durch eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Täters mit dem sexuellen Übergriff; Ausnutzung eines "Klimas der Gewalt" als Nötigungsmittel

Zwar können auch frühere Drohungen wie frühere Misshandlungen eine in die Tatgegenwart fortwirkende Drohwirkung entfalten, das Ausnutzen eines "Klimas der Gewalt" erfüllt aber nur dann die Voraussetzungen einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung, wenn durch eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Täters eine finale Verknüpfung mit dem sexuellen Übergriff hergestellt wird.

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. August 2017 wird

a)

das Verfahren in den Fällen 1 bis 3, 6 bis 11 und 13 bis 15 der Urteilsgründe eingestellt; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b)

das Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Vergewaltigung in drei Fällen schuldig ist, und

c)

im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB a.F. § 177 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Vergewaltigung in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts in den Fällen 1 bis 3, 6 bis 11 und 13 bis 15 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 , Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen eingestellt. In diesen zwölf Fällen, denen über 25 Jahre zurückliegende Tatvorwürfe zugrunde lagen, hat das Landgericht als Nötigungsmittel jeweils die Ausnutzung eines "Klimas der Gewalt" angesehen. Dies begegnet rechtlichen Bedenken, weil es - trotz seiner Bezugnahme auf eine der einschlägigen BGH-Entscheidungen - den Maßstab der ständigen Rechtsprechung verkannt hat. Danach können zwar auch frühere Drohungen wie frühere Misshandlungen eine in die Tatgegenwart fortwirkende Drohwirkung entfalten, das Ausnutzen eines "Klimas der Gewalt" erfüllt aber nur dann die Voraussetzungen einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung im Sinne von § 177 StGB aF, wenn durch eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Täters eine finale Verknüpfung mit dem sexuellen Übergriff hergestellt wird. Der Täter muss erkennen und zumindest billigen, dass das Opfer sein Verhalten als Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben empfindet und nur deshalb die sexuelle Handlung erduldet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. März 1996 - 3 StR 518/95, BGHSt 42, 107 , 111 f.; vom 27. Februar 2013 - 4 StR 544/12, NStZ-RR 2013, 207 , 208; vom 10. September 2014 - 5 StR 261/14 mwN, und vom 7. Januar 2015 - 2 StR 463/14). Hier lässt sich weder den Feststellungen (UA S. 8 f.) noch der Beweiswürdigung mit Wiedergabe der Aussage der Nebenklägerin (UA S. 20 f.) und auch nicht den Ausführungen zur rechtlichen Bewertung (UA S. 42) eine solche finale Verknüpfung durch eine konkludente Erklärung des Angeklagten entnehmen. Nach den Urteilsgründen ergibt sich lediglich ein Ausnutzen der mit dem "Klima der Gewalt" geschaffenen und überdauernden Angst der Nebenklägerin durch den Angeklagten.

2. In den drei verbliebenen Fällen 4, 5 und 12 hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere hat der Senat den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Einsatz von Gewalt als Nötigungsmittel entnehmen können.

3. Der Senat kann trotz der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen in Höhe von zweimal zwei Jahren und sechs Monaten und einmal zwei Jahren und acht Monaten (Einsatzstrafe) nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die zwölf Einzelstrafen eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.

Vorinstanz: LG Frankfurt/Oder, vom 23.08.2017
Fundstellen
NStZ-RR 2019, 3