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BGH - Entscheidung vom 22.02.2018

StB 29/17

Normen:
VStGB § 8 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 25 Abs. 2
StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1
StGB § 129b Abs. 1 S. 1-3
StPO § 120 Abs. 1 S. 1
StPO § 121 Abs. 1
StPO § 122

Fundstellen:
StV 2019, 564

BGH, Beschluss vom 22.02.2018 - Aktenzeichen StB 29/17

DRsp Nr. 2018/17386

Fortdauer der Untersuchungshaft wegen dringenden Tatverdachts von Kriegsverbrechen gegen Personen in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (hier: IS); Zurechnung der Hinrichtung eines Menschen als Mittäter

Eine Person, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in Mossul dem "Islamischen Staat" (IS) als Mitglied anschloss und sich für diesen dort und in Deutschland betätigte und unter anderem nahe Mossul gemeinschaftlich mit anderen IS-Angehörigen einen irakischen Offizier hinrichtete, ist dringend verdächtig des Kriegsverbrechens gegen Personen in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung.

Tenor

1.

Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 15. September 2017 dahin geändert, dass der Beschuldigte dringend verdächtig ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Personen.

2.

Im Übrigen ist die Beschwerde gegenstandslos.

3.

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Normenkette:

VStGB § 8 Abs. 1 Nr. 1 ; StGB § 25 Abs. 2 ; StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1 ; StGB § 129b Abs. 1 S. 1-3; StPO § 120 Abs. 1 S. 1; StPO § 121 Abs. 1 ; StPO § 122 ;

Gründe

I.

Der Beschuldigte befindet sich in dieser Sache auf Grund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 15. September 2017 seit dem 5. Dezember 2017 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Für den am 18. September 2017 verkündeten Haftbefehl war zuvor Überhaft notiert.

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich seit Juni 2014 im Irak und in Deutschland als Mitglied an der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) beteiligt und als solches im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt gemeinschaftlich handelnd drei nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen getötet, und zwar im Juni 2014 in Mossul zwei Nachbarinnen schiitischen Glaubens sowie am 23. Oktober 2014 in der Nähe von Mossul einen Offizier der irakischen Armee, strafbar als drei Fälle des Kriegsverbrechens gegen Personen jeweils in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie als weiterer Fall der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB , § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1, 2 , § 25 Abs. 2 , §§ 52 , 53 StGB .

Der Generalbundesanwalt hatte am 13. Dezember 2016 das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten und den Mitbeschuldigten R. , seinen Sohn, wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer bzw. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland eingeleitet, nachdem in einem von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin geführten Ermittlungsverfahren entsprechende Erkenntnisse angefallen waren. In dem dortigen Verfahren hatte das Amtsgericht Tiergarten am 23. Mai 2017 einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten erlassen, der ab dem 24. Mai 2017 vollzogen worden und auf den Vorwurf des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie mit vorsätzlichem Besitz einer Schusswaffe gestützt war. Diesen Haftbefehl hat das Kammergericht zwischenzeitlich mit Beschluss vom 5. Dezember 2017 aufgehoben.

Am 27. Juni 2017 hatte der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs im hiesigen Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts einen ersten Haftbefehl gegen den Beschuldigten erlassen, der aus ermittlungstaktischen Erwägungen - um das Verfahren nicht aufzudecken - nicht verkündet worden und für den somit keine Überhaft notiert war. Er war bereits auf den Vorwurf gestützt, der Beschuldigte habe sich seit Juni 2014 im Irak und in Deutschland mitgliedschaftlich am IS beteiligt und am 23. Oktober 2014 in der Nähe von Mossul gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Vereinigung unter Verletzung des humanitären Völkerrechts den irakischen Offizier getötet. Dieser Haftbefehl ist durch den nunmehr vollzogenen, um den Vorwurf der Tötung der beiden schiitischen Nachbarinnen erweiterten Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 15. September 2017 ersetzt worden.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 16. November 2017 hat der Beschuldigte gegen den letztgenannten Haftbefehl - noch bevor er in Vollzug gesetzt worden ist - Beschwerde eingelegt und seine Aufhebung beantragt; denn es liege kein dringender Tatverdacht vor.

Mit Beschluss vom 20. November 2017 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs der Beschwerde nicht abgeholfen.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 18. Dezember 2017 hat der Beschuldigte die Beschwerde ergänzend begründet. Er macht zusätzlich geltend, der Aufrechterhaltung des Haftbefehls stünde die Vorschrift des § 121 Abs. 1 StPO entgegen, weil sich der Beschuldigte vor dem Vollzug des angefochtenen Haftbefehls ab dem 24. Mai 2017 auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten in Untersuchungshaft befunden habe und die Beweise, mit denen der hiesige Verdacht begründet werde, bereits damals im Wesentlichen vorgelegen hätten und im dortigen Verfahren angefallen bzw. aktenkundig gewesen seien.

Nachdem der Senat unter dem 11. Januar 2018 den Hinweis erteilt hatte, er beabsichtige, das Beschwerdeverfahren in das Verfahren über die Sechs-Monats-Haftprüfung überzuleiten, und dem Generalbundesanwalt rechtliches Gehör hierzu gewährt hatte, hat auf dessen Veranlassung der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 25. Januar 2018 einen Vorgang zur besonderen Haftprüfung vorgelegt. Der Ermittlungsrichter sieht keinen Anlass, den Haftbefehl aufzuheben oder den Vollzug auszusetzen. Der Generalbundesanwalt beantragt, die Fortdauer der Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten über sechs Monate hinaus anzuordnen. Hierzu hat der Beschuldigte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 12. Februar 2018 Stellung genommen.

II.

Auf die zulässige (§ 304 Abs. 5 , § 306 Abs. 1 StPO ) Beschwerde des Beschuldigten ändert der Senat den angefochtenen Haftbefehl, wie aus der Beschlussformel ersichtlich, ab; denn der Beschuldigte ist nur eines der ihm vorgeworfenen Kriegsverbrechen gegen Personen - der Hinrichtung des irakischen Offiziers U. - sowie der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung dringend verdächtig (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO ). Ein dringender Tatverdacht hinsichtlich der beiden weiteren ihm angelasteten Kriegsverbrechen - der Tötung der Nachbarinnen schiitischen Glaubens - besteht nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen dagegen nicht. Soweit sich das Rechtsmittel des Beschuldigten gegen den Bestand des Haftbefehls in dem danach verbleibenden Umfang richtet, ist es gegenstandslos; denn nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 121 Abs. 1 StPO hat der Senat hierüber im besonderen Haftprüfungsverfahren zu entscheiden.

1. Ist eine Haftbeschwerde eingelegt und steht gleichzeitig das Haftprüfungsverfahren der §§ 121 , 122 StPO an, so kommt diesem im Allgemeinen der Vorrang zu, weil es zu einer umfassenden Überprüfung der Frage der Haftfortdauer führt. Durch die Entscheidung im Haftprüfungsverfahren erledigt sich eine Haftbeschwerde deshalb grundsätzlich von selbst; sie wird gegenstandslos. Etwas anderes gilt jedoch, soweit die Entscheidung im Haftprüfungsverfahren nicht zu dem Erfolg führen kann, der dem Beschuldigten im Fall einer Beschwerdeentscheidung beschieden wäre.

So liegt der Fall, wenn - wie hier - Tatvorwürfe entfallen. Anders als auf eine Haftbeschwerde ist es dem Haftprüfungsgericht verwehrt, den zu überprüfenden Haftbefehl hinsichtlich der Tatvorwürfe abzuändern. Die Entscheidung ist vielmehr darauf beschränkt, die Fortdauer der Untersuchungshaft auf der Grundlage des bestehenden Haftbefehls, die Haftverschonung oder die Aufhebung des Haftbefehls anzuordnen (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 14. Juni 2012 - AK 18/12, NStZ-RR 2012, 285 ; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO , 60. Aufl., § 122 Rn. 18; KK-Schultheis, StPO , 7. Aufl., § 122 Rn. 11).

2. Indem sich der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit spätestens Anfang Juni 2014 in Mossul dem "Islamischen Staat" (IS) als Mitglied anschloss und sich für diesen dort und nach dem 31. Mai 2015 in Deutschland betätigte, unter anderem am 23. Oktober 2014 nahe Mossul gemeinschaftlich mit anderen IS-Angehörigen den irakischen Offizier U. hinrichtete, ist er dringend verdächtig des Kriegsverbrechens gegen Personen in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung sowie eines weiteren Falls der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB , § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1, 2 , § 25 Abs. 2 , §§ 52 , 53 StGB .

a) Gegenwärtig ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIG) in "Islamischer Staat" (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hat seit 2010 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Hinweise, dass er zwischenzeitlich getötet wurde, konnten bisher nicht verifiziert werden. Bei der Ausrufung des Kalifats war al-Baghdadi von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-I'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah - Rasul - Muhammad", auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die - zeitweilig mehreren tausend - Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Im Irak gelang es dem IS am 10. Juni 2014, die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul zu erlangen. Diese war bis zu der Offensive der von den USA unterstützten irakischen Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner Herrschaft im Irak. Nach weiteren Gebietsgewinnen hielt die Vereinigung im Januar 2015 etwa ein Drittel des irakischen Staatsterritoriums besetzt. Seither wurde der IS schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 der Angriff auf Mossul; am 9. Juni 2017 erklärte die irakische Regierung die Stadt für befreit. Am 27. August 2017 wurde der IS aus seiner letzten Hochburg im Nordirak in Tal Afar verdrängt.

Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So hat er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin, die Verantwortung übernommen.

bb) Zu einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2014, spätestens Anfang Juni anlässlich der Eroberung der Stadt Mossul durch den IS, schloss sich der Beschuldigte dort der Vereinigung an und bekleidete in der Organisation nachfolgend eine bedeutende Funktion. Er war innerhalb des IS insbesondere für finanzielle Angelegenheiten zuständig, verwaltete Geldvermögen und trieb Gelder von Einwohnern der Stadt ein.

Am 23. Oktober 2014 beteiligte sich der - maskierte - Beschuldigte in Dourat Qasim al Khayyat nahe Mossul als IS-Mitglied an der Hinrichtung des irakischen Offiziers U. , den der IS zuvor gefangen genommen hatte. Zusammen mit anderen Angehörigen der Vereinigung geleitete der Beschuldigte das Opfer durch die Straßen zu einem Marktplatz und bewachte es. Nachdem, dort angekommen, der Mitbeschuldigte R. , der Sohn des Beschuldigten, U. beschimpft und bespuckt hatte, wurde der Offizier dem gemeinsamen Tatentschluss entsprechend, noch unter Bewachung auch seitens des Beschuldigten, von dem führenden IS-Mitglied H. durch einen mit einer Handfeuerwaffe ausgeführten Kopfschuss getötet.

Zwischen dem 31. Mai 2015, seiner Einreise in Deutschland, und dem 26. April 2017 versuchte der Beschuldigte in Berlin, die Zeugen A. und M. für den IS zu gewinnen, und fragte in diesem Zusammenhang den Letztgenannten, ob er den Treueeid auf al-Baghdadi leisten möchte. Anfang Dezember 2016 bot der Beschuldigte in Berlin dem Zeugen Al. 50.000 US-$ zu Gunsten dessen Familie im Irak, wenn dieser in der U-Bahn ein Selbstmordattentat mittels eines Sprengstoffgürtels begehe.

b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus Folgendem:

aa) Hinsichtlich der außereuropäischen Vereinigung "Islamischer Staat" beruht er für den hier relevanten Zeitraum - senatsbekannt - auf islamwissenschaftlichen Gutachten sowie auf diversen Behördenerklärungen der Geheimdienste und polizeilichen Auswertungsberichten.

bb) Nach aktuellem Ermittlungsstand schloss sich der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit - wie oben näher ausgeführt - dem IS an, betätigte sich mitgliedschaftlich für die Vereinigung und beteiligte sich dabei unter anderem an der Hinrichtung des irakischen Offiziers U. .

(1) Zu diesen Vorwürfen hat der Beschuldigte bei seiner polizeilichen Einvernahme am 14. September 2017 nach Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 bis 4, § 163a Abs. 4 Satz 1, 2 StPO Angaben gemacht. Zwar hat er später nach telefonischer Rücksprache mit seinem Verteidiger die Aussage vorzeitig beendet und die Unterschriftsleistung unter das Vernehmungsprotokoll verweigert. Gleichwohl ist die Aussage hier für die Haftfrage zu berücksichtigen; ein ein Verwertungsverbot begründender Verfahrensverstoß ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich (zur Beachtlichkeit eines Verwertungsverbots vor der Hautverhandlung vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2016 - 3 StR 230/16, NJW 2017, 1828 , 1829 f.). Mit seiner Aussage hat der Beschuldigte seine Beteiligung an der Hinrichtung des Offiziers ebenso wie eine Mitgliedschaft im oder eine Nähe zum IS auf - nach vorläufiger Bewertung auf der Grundlage des derzeitigen Aktenbestands - wenig plausible Weise in Abrede gestellt. Im Kern hat er sich wie folgt geäußert: Der Mitbeschuldigte R. , sein Sohn, sei vom IS gefangen genommen worden. Der Mitbeschuldigte habe ihm - dem Beschuldigten - später gesagt, er sei vom IS aufgefordert worden, den Offizier zu beschimpfen, um selbst freizukommen. Diese Bedingung habe der Mitbeschuldigte erfüllt, woraufhin er noch am selben Tag freigelassen worden sei. Auf Frage hat der Beschuldigte weiter geäußert, für ihn sei die Zusammenkunft mit seinem Sohn nach dessen Freilassung "insofern ... keine große Erleichterung an dem Tag" gewesen, weil er - der Beschuldigte - am Tag zuvor Lösegeld gezahlt gehabt habe.

(2) Der dringende Tatverdacht gründet sich nach Aktenlage auf eine Vielzahl von Beweismitteln, denen mehr oder weniger starke indizielle Bedeutung zukommt, wobei sich die Indizien wechselseitig ergänzen und durchdringen. Im Einzelnen:

Ein über das Internet zugänglicher Videomitschnitt zeigt die Hinrichtung des Offiziers durch den IS. Darauf ist zu sehen, wie er vor der Erschießung von einem Minderjährigen beleidigt wird, bei dem es sich nach weitgehend gesicherten Erkenntnissen, nicht zuletzt der Physiognomie und der hinsichtlich des äußeren Handlungsablaufs geständigen Einlassung des Mitbeschuldigten R. , um diesen handelt. Der Zeuge M. hat ausgesagt, der Beschuldigte habe ihm das Video gezeigt und erklärt, "er ... selbst (habe) den General festgenommen und zum Hinrichtungsplatz geführt". Derselbe Zeuge sowie die Zeugen Al. , A. und T. haben bekundet, der Mitbeschuldigte R. habe ihnen gegenüber geäußert, dass das Video auch den Beschuldigten zeige; es handele sich um einen der Maskierten bzw. U. festhaltenden IS-Kämpfer. Dass die Angaben der vier Zeugen, anders als die Beschwerde meint, nicht notwendig widersprüchlich sind, vielmehr mit guten Gründen dahin verstanden werden können, dass der Mitbeschuldigte stets diejenige maskierte Person bezeichnet hat, die auf der entsprechenden Videosequenz aus der Perspektive des Betrachters rechts neben dem Offizier steht und ihm die Hand auf die Schulter legt, hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuleitungsschrift vom 1. Dezember 2017 im Einzelnen dargelegt. Daneben hat der Zeuge S. ein Video übergeben und angegeben, der maskierte Beschuldigte sei vom Offizier aus rechts zu sehen; dies werde in einem auf dem Video eingeblendeten Text mitgeteilt.

Die dem Beschuldigten vorgeworfenen weiteren mitgliedschaftlichen Betätigungsakte im Irak werden vor allem belegt durch die Angaben der Zeugen Ab. und S. sowie - ergänzend - die gesperrten Zeugen "L. ", "P. " und "Se. ". Die dem Beschuldigten angelasteten Beteiligungshandlungen in Deutschland beruhen auf den Angaben der Zeugen Al. , A. und M. . Zusätzlich spricht für die Annahme, dass sich der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit dem IS angeschlossen hatte, noch Folgendes: Eine Nähe des Beschuldigten zum IS findet eine Stütze in den Ergebnissen der Auswertung eines ihm zuordenbaren sichergestellten Mobiltelefons. Auf diesem waren zahlreiche Bilder augenscheinlich mit IS-Bezug gespeichert, insbesondere auch eine erhebliche Anzahl von Hinrichtungsszenen. Die Ansicht der Verteidigung, die Dateien ließen allein den Schluss zu, dass der Beschuldigte an den Verhältnissen im Irak interessiert sei, vermag der Senat nach Aktenlage nicht zu teilen. Auch eine Videosequenz, die auf dem in der Wohnung des Beschuldigten sichergestellten Laptop gefunden worden ist und der polizeilichen Auswertung zufolge ein Gespräch des Beschuldigten und seines Bekannten E. mit herabsetzenden Äußerungen bezogen auf schiitische Moslems und deren Frauen sowie den IS preisenden Formeln zum Gegenstand hat (s. Auswertebericht des Polizeipräsidenten in Berlin vom 30. November 2017), lässt einen Rückschluss auf die Gesinnung des Beschuldigten zu und bestätigt insoweit den dringenden Tatverdacht. Von ergänzender Bedeutung für die Bewertung der Beweislage sind schließlich das Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 11. Mai 2017, der Umstand, dass der Beschuldigte offenbar von offizieller Seite im Irak der Beteiligung an der Hinrichtung bezichtigt wird, sowie die Aussagen verschiedener weiterer Zeugen vom Hörensagen ( Sa. , D. , K. ).

Soweit die Beschwerde Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen Al. , A. , M. und T. äußert, kann dies den dringenden Tatverdacht nicht entkräften. Die Vernehmungsprotokolle geben keinen Anlass, die Glaubwürdigkeit der Zeugen generell in Zweifel zu ziehen. Eine individuelle Glaubhaftigkeitsanalyse ist hier weder rechtlich geboten noch tatsächlich möglich. Die Angaben im Einzelnen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, wird, soweit nach Abschluss der Ermittlungen ein hinreichender Tatverdacht besteht, einer Hauptverhandlung vorbehalten sein.

Die den Beschuldigten entlastende Aussage des Zeugen Sal. ist unter den gegebenen Umständen nicht geeignet, den dringenden Tatverdacht zu beseitigen. Das gilt umso mehr, als gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dieser Zeuge keine erlebnisbasierten Angaben gemacht hat (s. auch "Vermerk zur Vernehmung Sal. " des Polizeipräsidenten in Berlin vom 1. Dezember 2017). So hat er etwa bekundet, der Mitbeschuldigte R. sei am "Tag nach der Hinrichtung" des Offiziers "noch nicht frei" gewesen, was nicht nur den Aussagen des Mitbeschuldigten und der Zeugin J. , der Ehefrau des Beschuldigten, sondern auch dessen Einlassung widerspricht. Insbesondere weil es sich um Divergenzen im ersichtlich bedeutsamen Kernbereich des Geschehens handelt, können diese nicht ohne weiteres mit nachlassender Erinnerung erklärt werden.

Weitere von der Beschwerde angeführte Zeugenaussagen sind für den dringenden Tatverdacht bezüglich des oben unter II. 2. a) bb) wiedergegebenen Sachverhalts wenig ergiebig. So hat beispielsweise die Zeugin G. angegeben, sie sei, nachdem der IS in Mossul die Macht an sich gerissen gehabt habe, dort nicht mehr als Rechtsanwältin tätig gewesen und habe seither bis zur Flucht keinen Kontakt mehr zu dem Beschuldigten und seiner Familie gehabt.

c) In rechtlicher Hinsicht folgt aus alledem, dass der Beschuldigte des Kriegsverbrechens gegen Personen in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung sowie eines weiteren Falls der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB , § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1, 2 , § 25 Abs. 2 , §§ 52 , 53 StGB ) dringend verdächtig ist.

aa) Bei den kriegerischen Auseinandersetzungen, die im Jahr 2014 im Irak in der Region um die Stadt Mossul stattfanden, handelt es sich um einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt (zu den Voraussetzungen s. BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 57/17, NJW 2017, 3667 , 3668; Beschlüsse vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157 , 166; vom 17. November 2016 - AK 54/16, juris Rn. 23; MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 3. Aufl., § 8 VStGB Rn. 96 ff.). Der irakische Offizier U. war zudem jedenfalls gemäß § 8 Abs. 6 Nr. 3 VStGB eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person. Ferner liegt der erforderliche Zusammenhang zwischen dessen Tötung und dem bewaffneten Konflikt vor (vgl. MüKoStGB/Ambos, 3. Aufl., Vor §§ 8 ff. VStGB Rn. 34 ff.)

Auf der Grundlage des dem Beschuldigten zur Last liegenden Sachverhalts ist ihm die Hinrichtung des U. überdies als Mittäter gemäß § 25 Abs. 2 StGB , § 2 VStGB zuzurechnen, auch wenn er nicht selbst den tödlichen Schuss abgab: Als Bewacher in unmittelbarer Nähe des Offiziers leistete er einen wesentlichen Tatbeitrag im Ausführungsstadium, hatte mithin Tatherrschaft, als IS-Mitglied darüber hinaus auch ein Tatinteresse. Darauf, ob auf das oben unter II. 2. a) bb) geschilderte Verhalten daneben die §§ 211 , 212 StGB i.V.m. § 25 Abs. 2 StGB Anwendung finden (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB ) und wie sich eine Strafbarkeit nach diesen Vorschriften konkurrenzrechtlich zu § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB verhielte (s. etwa MüKoStGB/Weigend, 3. Aufl., § 2 VStGB Rn. 7 mwN), kommt es für die Haftfrage nicht an.

Indem der Beschuldigte - mit hoher Wahrscheinlichkeit - sich dem IS anschloss und für diesen U. während der Hinrichtung bewachte, betätigte er sich hierdurch zugleich als Mitglied, so dass zum Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB ) die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 , § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB ) idealkonkurrierend (§ 52 StGB ) hinzutritt.

bb) Soweit sich der Beschuldigte - nach dem Stand der Ermittlungen - über sein Verhalten bei der Hinrichtung hinaus für den IS betätigte, etwa indem er im Irak Gelder für die Vereinigung vereinnahmte oder in Deutschland Mitglieder für sie anzuwerben versuchte, erfüllt dieses Verhalten neben § 129a Abs. 1 Nr. 1 , § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB keinen weiteren Straftatbestand. Diese mitgliedschaftlichen Betätigungsakte werden durch das Organisationsdelikt verklammert und treten in ihrer Gesamtheit als materiellrechtlich eigenständige Tat (§ 53 StGB ) zu der auch gegen ein anderes Strafgesetz verstoßenden Beteiligungshandlung hinzu (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 , 311 f., 319 f.; vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 355/16, BGHR StGB § 129a Konkurrenzen 6).

cc) Für beide Delikte gilt nach § 1 VStGB und § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB deutsches Strafrecht (zum Strafanwendungsrecht hinsichtlich einer Strafbarkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung s. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.).

dd) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2, 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung liegt hinsichtlich des IS vor.

3. Demgegenüber liegt derzeit kein dringender Verdacht dahin vor, der Beschuldigte habe im Juni 2014 in Mossul gemeinschaftlich mit anderen Mitgliedern des IS zwei Nachbarinnen getötet, die der schiitischen Konfession angehört hätten, und sich hierdurch wegen zwei weiterer Fälle des Kriegsverbrechens gegen Personen jeweils in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB , § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1, 2 , § 25 Abs. 2 , §§ 52 , 53 StGB ) strafbar gemacht.

Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis besteht keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beschuldigte auch diese ihm zur Last gelegten Kriegsverbrechen begangen hat: Anders als die anderen Vorwürfe gründet sich - ausweislich des Haftbefehls - dieser Verdacht allein auf die Aussage eines Zeugen, des Zeugen Ab. , der überdies kein unmittelbarer Tatzeuge ist. Vielmehr hat er in seiner letzten Vernehmung vom 20. September 2017 im Kern lediglich eine von ihm wahrgenommene pauschale Selbstbezichtigung des Beschuldigten gegenüber Nachbarn in Mossul ("Ich habe die Tötung beauftragt ..."; "ich habe sie getötet!") sowie deren Äußerungen hierzu wiedergegeben. Von den eigenen Wahrnehmungen hat er dabei nach wiederholten Fragen erst auf konkreten Vorhalt berichtet. Aus diesem Aussageverhalten ergeben sich Zweifel an der Validität der - durch kein weiteres Beweismittel gestützten - Angaben.

Über die Frage, ob ein die Anklageerhebung und gegebenenfalls die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigender hinreichender Tatverdacht bezüglich der Tötung der beiden schiitischen Nachbarinnen anzunehmen ist, für den einerseits höhere Anforderungen als für einen Anfangsverdacht, andererseits aber geringere als für den im Rahmen der hiesigen Haftentscheidung zu prüfenden dringenden Tatverdacht gelten, hat der Senat nicht zu befinden.

III.

Die nach §§ 121 , 122 StPO gebotene besondere Haftprüfung führt zur Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus. Auch in dem verbleibenden Umfang trägt der Haftbefehl diese Entscheidung.

1. Nach §§ 121 , 122 StPO ist eine Sechs-Monats-Haftprüfung vorzunehmen.

Der Senat teilt die Auffassung der Beschwerde, dass die Haftprüfungsfrist des § 121 Abs. 1 StPO mit dem 24. Mai 2017 zu laufen begonnen hat, weil gegen den Beschuldigten seit diesem Tag auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. Mai 2017 Untersuchungshaft vollzogen wurde und bereits damals ein für den Fristbeginn maßgebender dringender Tatverdacht hinsichtlich der Hinrichtung des irakischen Offiziers sowie weiterer mitgliedschaftlicher Betätigungsakte für den IS gegeben war.

a) Wird ein neuer Haftbefehl lediglich auf weitere Tatvorwürfe gestützt, hinsichtlich derer der Strafverfolgungsbehörde ein dringender Tatverdacht schon bei Erlass eines früheren Haftbefehls bekannt war, löst dies keine neue Haftprüfungsfrist gemäß § 121 Abs. 1 StPO aus; vielmehr läuft die ursprüngliche Frist fort.

Der Begriff "wegen derselben Tat" in dieser Vorschrift weicht vom prozessualen Tatbegriff im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO ab und ist mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 6. April 2017 - AK 14/17, juris Rn. 6; vom 7. September 2017 - AK 42/17, NStZ-RR 2018, 10 , 11; vom 16. Januar 2018 - AK 78/17, juris Rn. 11; s. auch KK-Schultheis, StPO , 7. Aufl., § 121 Rn. 10 mwN) erfasst er alle Taten des Beschuldigten von dem Zeitpunkt an, in dem sie - im Sinne eines dringenden Tatverdachts - bekannt geworden sind und in einen bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können, und zwar unabhängig davon, ob sie Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind. Dadurch wird eine sogenannte Reservehaltung von Tatvorwürfen vermieden, die darin bestünde, dass von Anfang an bekannte oder im Laufe der Ermittlungen bekannt gewordene Taten zunächst zurückgehalten und erst kurz vor Ablauf der Sechsmonatsfrist zum Gegenstand eines neuen oder erweiterten Haftbefehls gemacht werden mit dem Ziel, eine neue Sechsmonatsfrist zu eröffnen.

Der Bestimmung der Haftprüfungsfrist für den gegenständlichen Haftbefehl unter Hinzurechnung des Zeitraums des Untersuchungshaftvollzugs auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten steht nicht entgegen, dass die zwei Ermittlungsverfahren, in denen diese beiden Haftbefehle erlassen worden sind, von verschiedenen Staatsanwaltschaften (der Generalstaatsanwaltschaft Berlin und dem Generalbundesanwalt) geführt wurden und auf Staatsanwaltsseite keine einheitliche sachliche Zuständigkeit begründet werden konnte; für die Vorwürfe des Kriegsverbrechens gegen Personen und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung war der Generalbundesanwalt originär zuständig (vgl. § 120 Abs. 1 Nr. 6 , 8 , § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG ), der seinerseits das Verfahren wegen der Betäubungsmitteldelikte nicht ohne weiteres hätte an sich ziehen dürfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 2009 - AK 20/08, BGHSt 53, 128 , 144; vom 20. September 2012 - 3 StR 314/12, juris Rn. 20 f.). Hinsichtlich der im Verfahren der Generalstaatsanwaltschaft angefallenen, einen Anfangsverdacht nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 , § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB und § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB begründenden Erkenntnisse bestand eine Pflicht zur Vorlage an den Generalbundesanwalt gemäß § 142a Abs. 1 Satz 3 GVG , der - ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankäme - die Generalstaatsanwaltschaft nachgekommen ist, so dass der Vorgang dem Generalbundesanwalt jedenfalls seit dem 13. Dezember 2016 bekannt gewesen ist.

Dem Amtsgericht Tiergarten wäre es auf Antrag des Generalbundesanwalts möglich gewesen, schon bei Erlass seines Haftbefehls diesen um den dringenden Tatverdacht der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Personen zu erweitern. Der Generalbundesanwalt war nicht verpflichtet, einen diese Tatvorwürfe betreffenden Antrag beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zu stellen; als reguläres Haftgericht im Ermittlungsverfahren wäre hierfür auch das Amtsgericht Tiergarten zuständig gewesen (§ 125 Abs. 1, § 162 Abs. 1 Satz 2, § 169 Abs. 1 Satz 1 StPO ; vgl. LR/Erb, StPO , 26. Aufl., § 169 Rn. 7 mwN). Von Rechts wegen wäre es nicht zu beanstanden gewesen, wenn das Amtsgericht Tiergarten einen einheitlichen Haftbefehl für zwei Ermittlungsverfahren verschiedener Staatsanwaltschaften erlassen hätte.

Hinzu kommt, dass durch derartige Zuständigkeitsfragen der sachliche Grund für eine einheitliche Betrachtung der Haftprüfungsfrist, einer Reservehaltung von Tatvorwürfen vorzubeugen und die Ermittlungsbehörden und Gerichte dazu anzuhalten, Verfahren in Haftsachen besonders zügig zu betreiben, nicht berührt wird. Aus Sicht des Beschuldigten kann es für die Haftfrage auf solche rein formalen Gesichtspunkte nicht ankommen.

b) Der Beschuldigte war bereits am 23. Mai 2017 dringend verdächtig, sich als Mitglied des IS mittäterschaftlich an der Hinrichtung des U. beteiligt und sich auch darüber hinaus für die Vereinigung betätigt zu haben.

Die wesentlichen Beweismittel, die den dringenden Tatverdacht stützen (s. oben II. 2. b) bb) (2)), lagen bereits zum damaligen Zeitpunkt vor. Das gilt - neben dem Hinrichtungsvideo - insbesondere für die Zeugen Al. , A. , M. und T. . Diese Zeugen waren bereits zuvor, teils wiederholt, polizeilich einvernommen worden und hatten mit ihren Aussagen den Beschuldigten belastet: Zur Hinrichtung des irakischen Offiziers hatte der Zeuge M. bekundet, der Beschuldigte habe ihm gegenüber selbst die Beteiligung daran eingeräumt. Alle vier Zeugen hatten ausgesagt, der Mitbeschuldigte R. habe unter Bezugnahme auf das Video den Beschuldigten bezichtigt, an der Tötung mitgewirkt zu haben. Zu anderen Betätigungsakten hatten die Zeugen A. und M. Angaben gemacht, indem sie sich dazu erklärt hatten, wie der Beschuldigte sie für den IS zu rekrutieren versucht habe.

Es bewirkt keinen späteren Beginn der Haftprüfungsfrist, dass sich nach dem Erlass des Haftbefehls am 23. Mai 2017 noch neue Erkenntnisse zu weiteren Beteiligungshandlungen des Beschuldigten für den IS ergeben haben, etwa dazu, dass er sich zugunsten der Vereinigung in Deutschland bemüht habe, den Zeugen Al. für ein Selbstmordattentat zu gewinnen. Denn bei diesen Handlungen handelt es sich um mitgliedschaftliche Betätigungsakte, die wie der - bereits bei Haftbefehlserlass bekannte - mutmaßliche Versuch der Rekrutierung der Zeugen A. und M. nicht unter andere Strafvorschriften als § 129a Abs. 1 Nr. 1 , § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB fallen und daher hiermit sowohl sachlich- als auch verfahrensrechtlich zu einer einheitlichen Tat verschmelzen (s. auch BGH, Beschluss vom 7. September 2017 - AK 42/17, NStZ-RR 2018, 10 , 12).

Auf nachträglich gewonnene Erkenntnisse zu einer Tötung der schiitischen Nachbarinnen kommt es für den Beginn der Haftprüfungsfrist ohnehin nicht an, weil insoweit - wie oben unter II. 3. dargelegt - kein dringender Tatverdacht besteht.

2. Beim Beschuldigten sind die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ) sowie - auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO , 60. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) - der Schwerkriminalität gegeben.

Der Beschuldigte hat für den Fall seiner Verurteilung mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden ganz erheblichen Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände gegenüber. Der Beschuldigte lebt erst seit dem 31. Mai 2015 im Inland; über die Mitglieder seiner Familie hinaus verfügt er hier nicht über gefestigte soziale Bindungen. Demgegenüber ist von zahlreichen Kontakten ins Ausland auszugehen (zum diesbezüglichen Beweismaß vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2017 - StB 2/17, juris Rn. 20; Meyer-Goßner/Schmitt aaO, Rn. 22 mwN).

3. Eine - bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO mögliche - Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO ) ist unter den gegebenen Umständen nicht erfolgversprechend.

4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ).

5. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO ) liegen vor; der besondere Umfang der Ermittlungen und deren besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Ermittlungsverfahren ist seit dem 24. Mai 2017 in einer dem Beschleunigungsgebot genügenden Weise geführt worden.

a) Der Generalbundesanwalt hat in seinem Vorlagebericht vom 24. Januar 2018 die bisherigen Ermittlungen dargelegt. Hiernach wurde das Verfahren bisher insbesondere wie folgt gefördert:

Eine Vielzahl von Beweismitteln (18 Mobiltelefone, sieben SIM-Karten, zwei Laptops, zwei Spielekonsolen und ein Festnetztelefon nebst WLAN-Router), die bei Durchsuchungen Ende Mai 2017 sichergestellt worden waren, ist ausgewertet worden. Auf den Speichermedien haben sich Dokumente mit einem Gesamtdatenvolumen von einem Terabyte befunden, die gesichert und bewertet worden sind. Im Rahmen der Auswertung sind die Rohdaten, die teilweise aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung extern durch die Bundespolizei gesichert worden waren, zunächst in eine editierbare und lesbare Form gebracht und priorisiert worden. Sodann sind die größtenteils in arabischer Sprache gespeicherten Dateninhalte einzeln gesichtet, übersetzt und ausgewertet worden. Da die Beschuldigten häufig im Rahmen von Messenger-Diensten mittels Sprachnachrichten kommunizierten, hat jede der Nachrichten einzeln abgehört werden müssen. Weiterhin sind Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen durchgeführt worden. Im gesamten Ermittlungskomplex sind vom 16. Mai bis zum 25. November 2017 insgesamt 17 Anschlüsse überwacht worden, davon sechs im hiesigen Verfahren. Es sind 157.100 Produkte registriert worden, davon 7.356 Audiosequenzen, 5.977 allein im vorliegenden Verfahren. So kommunizierte etwa der Beschuldigte aus der Untersuchungshaft heraus über Mobilfunkanschlüsse von Mithäftlingen mit der Zeugin J. , seiner Ehefrau. In dem Ermittlungskomplex sind ferner mit 45 Zeugen 63 Vernehmungen durchgeführt worden, wovon 45 auf das hiesige Verfahren entfallen. 36 dieser Vernehmungen sind nach der Inhaftierung des Beschuldigten vorgenommen worden. Schließlich haben die Ermittlungsbehörden Sachverständigengutachten zu Personenvergleichen in Bezug auf den Videomitschnitt von der Hinrichtung des irakischen Offiziers sowie zur - möglichst exakten - Altersbestimmung des Mitbeschuldigten R. in Auftrag gegeben. Schließlich sind mit der Bekanntgabe der Tatvorwürfe an die Beschuldigten im September 2017 weitere Durchsuchungsbeschlüsse vollzogen worden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Vorlagebericht des Generalbundesanwalts vom 24. Januar 2018 Bezug genommen.

b) Wenngleich dem Senat die Sachakten nicht vollständig vorliegen, bestätigen die vom Generalbundesanwalt übersandten Vorgänge die Ausführungen zur Verfahrensförderung. So sind etwa von Anfang Juni 2017 bis Anfang Februar 2018 26 Vernehmungen dokumentiert; Aussageprotokolle liegen zu den Zeugen Ab. (zwei), Ala. , G. , Al. (zwei), O. , S. (zwei), B. (zwei), D. , E. , J. , K. , Kl. , M. , "L. ", "P. ", Ma. , Sal. , "Se. ", W. und Y. ebenso wie zu den beiden Beschuldigten vor. Des Weiteren sind etwa die ermittlungsrichterlichen Beschlüsse zu den dargelegten Maßnahmen Bestandteil der vorgelegten Vorgänge. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Ausführungen des Generalbundesanwalts zur Verfahrensförderung zutreffend sind (s. auch Aufstellung der durchgeführten Vernehmungen vom 19. Januar 2018; Aufstellung der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen vom 19. Januar 2018; Vermerk über die Asservatenauswertung vom 24. Januar 2018).

c) Nach alledem ist das Ermittlungsverfahren hinreichend zügig betrieben worden. Die Ermittlungen haben erkennbar dazu gedient, die Beweisgrundlage bezüglich der Tatvorwürfe zu festigen und zu verbreitern. In Anbetracht der dokumentierten Verdachtslage sind weitere Beweiserhebungen nach dem 24. Mai 2017 sachdienlich gewesen, soweit Anhaltspunkte dafür bestanden haben, dass sie geeignet sein können, den bestehenden dringenden Tatverdacht zu erhärten oder zu erschüttern. Dies trifft auf die dargelegten Ermittlungsmaßnahmen ersichtlich zu. Auf eine Anklageerhebung auf der Grundlage der bisher nur vorläufigen Beweisergebnisse hat sich der Generalbundesanwalt nicht einlassen müssen.

6. Schließlich führt der Verstoß gegen die Pflicht zur Vorlage innerhalb der Sechsmonatsfrist nach § 121 Abs. 1 , § 122 Abs. 1 StPO nicht zur Aufhebung des Haftbefehls. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob er dem Beschuldigten darin folgt, dass - in Anlehnung an oberlandesgerichtliche Rechtsprechung zu § 306 Abs. 2 StPO (vgl. KG, Beschluss vom 27. Oktober 2014 - 2 Ws 360/14, NStZ-RR 2015, 18 ; OLG Naumburg, Beschluss vom 8. August 2000 - 1 Ws 59/00, juris Rn. 6; ferner OLG Naumburg, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 Ws 398/10, juris Rn. 17) - eine objektiv und subjektiv willkürliche erhebliche Fristüberschreitung zur Aufhebung verpflichtet (zum Meinungsstand s. die Nachweise bei KK-Schultheis, StPO , 7. Aufl., § 121 Rn. 30). Die Überschreitung der Frist ist schon nicht erheblich. Anlass zur Vorlage bestand erst mit der Vollziehung des gegenständlichen Haftbefehls ab dem 5. Dezember 2017. Mit Hinweis vom 11. Januar 2018 hat der Senat, der ohnehin mit der Haftsache befasst war, dem Generalbundesanwalt eine Frist zur Stellungnahme zu einem amtswegig durchzuführenden Haftprüfungsverfahren eingeräumt. Innerhalb dieser Frist hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Vorgang vorgelegt.

Fundstellen
StV 2019, 564