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BGH - Entscheidung vom 10.07.2018

XI ZR 198/17

Normen:
BGB § 489 Abs. 1 Nr. 2
ABB § 3 Abs. 1
ABB § 3 Abs. 3
ABB § 5 Abs. 4

BGH, Urteil vom 10.07.2018 - Aktenzeichen XI ZR 198/17

DRsp Nr. 2018/10806

Feststellung des Fortbestehens eines Bausparvertrages i.R.d. Kündigung mit Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife

Einer Bausparkasse steht ein gesetzliches Kündigungsrecht zu, wenn seit dem vollständigen Empfang des Darlehens durch den Darlehnsnehmer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung mehr als zehn Jahre vergangen sind. Bei einem Bausparvertrag ist von einem vollständigen Empfang des Darlehens regelmäßig im Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilungsreife auszugehen, da zu diesem Zeitpunkt das Zweckdarlehen, welches der Erlangung des Anspruchs auf Gewährung eines Bauspardarlehens dient, der Bausparkasse vollständig gewährt worden ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 16. Februar 2017 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Normenkette:

BGB § 489 Abs. 1 Nr. 2 ; ABB § 3 Abs. 1; ABB § 3 Abs. 3; ABB § 5 Abs. 4;

Tatbestand

Die Klägerin begehrt gegenüber der beklagten Bausparkasse die Feststellung des Fortbestehens ihres Bausparvertrages.

Die Klägerin schloss im Jahr 2000 mit der Beklagten einen Bausparvertrag (Vertragsnummer: XXX) über eine Bausparsumme von 16.000 € unter Einbeziehung der Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge der Beklagten (im Folgenden: ABB). Darin heißt es auszugsweise wie folgt:

"Präambel: Inhalt und Zweck des Bausparens

Bausparen ist zielgerichtetes Sparen, um für wohnungswirtschaftliche Verwendungen Darlehen zu erlangen, ...

§ 2 Sparzahlungen

(1) Der monatliche Sparbeitrag beträgt 3 vom Tausend der Bausparsumme (Regelsparbeitrag).

...

§ 3 Verzinsung des Sparguthabens

(1) Das Bausparguthaben wird mit 3 % jährlich verzinst.

...

(3) Verzichtet der Bausparer nach Zuteilung (siehe § 4) auf das Bauspardarlehen, bevor daraus die erste Auszahlung erfolgt ist, erhält er einen Zinsbonus. Der Zinsbonus besteht in einer auf den Vertragsbeginn rückbezogenen Erhöhung des Guthabenzinses nach Abs. 1. Die Höhe des Guthabenzinses beträgt bei einer Bewertungszahl (§ 4 Abs. 2 b) von

2.400-3.999  3,5 % 
4.000-5.999  4 % 
6.000 und mehr  4,5 %. 

Der Zinsbonus wird mit dem Bausparguthaben ausgezahlt.

§ 4 Zuteilung des Bausparvertrages

(1) Die Zuteilung des Bausparvertrages ist eine Voraussetzung für die Auszahlung der Bausparsumme. Die Zuteilung wird dem Bausparer mitgeteilt mit der Aufforderung, innerhalb von vier Wochen ab Datum der Zuteilung zu erklären, ob er die Rechte aus der Zuteilung wahrnimmt (Zuteilungsannahme).

...

§ 5 Nichtannahme der Zuteilung; Vertragsfortsetzung

...

(2) Nimmt der Bausparer die Zuteilung nicht fristgemäß an oder wird die Annahme der Zuteilung widerrufen, wird der Vertrag fortgesetzt.

(3) Setzt der Bausparer seinen Vertrag fort, kann er seine Rechte aus der Zuteilung jederzeit wieder geltend machen. ...

(4) Verzichtet der Bausparer nach Zuteilung auf das Bauspardarlehen, bevor die erste Auszahlung aus dem Bauspardarlehen erfolgt ist, erhält er einen Zinsbonus nach Maßgabe von § 3 Abs. 3."

Der Bausparvertrag war am 31. Dezember 2004 zuteilungsreif. Die Klägerin nahm ein Bauspardarlehen nicht in Anspruch. Mit Schreiben vom 7. Mai 2015 erklärte die Beklagte die Kündigung des Bausparvertrages zum 12. November 2015. Anfang Mai 2015 belief sich das Bausparguthaben der Klägerin auf 13.463,27 €.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Kündigung unwirksam sei, weil der Beklagten kein Kündigungsrecht zugestanden habe. Ihre Klage auf Feststellung des Fortbestehens des Vertrages über den 12. November 2015 hinaus hat das Amtsgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

Das Amtsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte habe den Bausparvertrag gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB wirksam gekündigt. Dieses Kündigungsrecht stehe während der Ansparphase eines Bausparvertrages auch der Bausparkasse zu. Die Voraussetzungen des Kündigungsrechts seien gegeben, weil insbesondere mit Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife von einem vollständigen Darlehensempfang auszugehen sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin stehe § 489 Abs. 3 BGB der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen, weil die Klägerin der Kündigung widersprochen und Klage erhoben habe und deshalb der Einwand aus § 489 Abs. 3 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig sei (§ 242 BGB ).

II.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die Beklagte hat den mit der Klägerin geschlossenen Bausparvertrag mit Schreiben vom 7. Mai 2015 gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung (im Folgenden: aF; nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ) wirksam gekündigt.

1. Auf den im Jahr 2000 abgeschlossenen Bausparvertrag findet - wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist - Darlehensrecht Anwendung (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 185/16, BGHZ 214, 94 Rn. 20 ff.; die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde ist vom Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 21. Juni 2017 - 1 BvR 918/17 - nicht zur Entscheidung angenommen worden). In zeitlicher Hinsicht ist - soweit für die Entscheidung von Bedeutung - gemäß Art. 229 § 5 Satz 2, Art. 229 § 22 Abs. 2 und 3 , Art. 229 § 38 Abs. 1 und 2 EGBGB das Darlehensrecht der §§ 488 ff. BGB in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 185/16 aaO Rn. 18 f.).

2. Die Beklagte hat den Bausparvertrag gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB aF wirksam zum 12. November 2015 gekündigt.

a) Wie der Senat in seinem Urteil vom 21. Februar 2017 ( XI ZR 185/16, BGHZ 214, 94 Rn. 34 ff.) entschieden und im Einzelnen ausgeführt hat, steht auch einer Bausparkasse das Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB aF zu.

b) Die Voraussetzungen dieses Kündigungsrechts liegen vor.

aa) Das der Bausparkasse gewährte Darlehen weist einen festen Zinssatz auf, weil bei Vertragsschluss der Guthabenzins für die Dauer der Ansparphase in Höhe von 3% p.a. vereinbart worden ist (§ 3 Abs. 1 ABB).

Daran ändert auch die Möglichkeit einer rückwirkenden Erhöhung des Zinssatzes bei Inanspruchnahme des Zinsbonus gemäß § 3 Abs. 3, § 5 Abs. 4 ABB nichts, weil auch für diesen Fall der Darlehenszins für die gesamte Laufzeit von Anfang an als feststehende Prozentzahl ausgedrückt wird und bereits bei Vertragsschluss vereinbart worden ist. Mit der Einführung der Formulierung "gebundener Sollzinssatz" in § 489 Abs. 1 BGB durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2355 ) anstelle der Formulierung "fester Zinssatz" in § 489 Abs. 1 BGB aF ist keine inhaltliche Änderung verbunden gewesen (vgl. BT-Drucks. 16/11643, S. 74).

bb) Seit dem vollständigen Empfang des Darlehens durch die Beklagte waren zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung vom 7. Mai 2015 auch mehr als zehn Jahre vergangen, weil der Bausparvertrag erstmalig am 31. Dezember 2004 zuteilungsreif war. Wie der Senat in seinem Urteil vom 21. Februar 2017 ( XI ZR 185/16, BGHZ 214, 94 Rn. 71 ff.) näher ausgeführt hat, ist bei einem Bausparvertrag von einem vollständigen Empfang des Darlehens regelmäßig im Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilungsreife auszugehen. Denn zu diesem Zeitpunkt ist das Zweckdarlehen, welches der Erlangung des Anspruchs auf Gewährung eines Bauspardarlehens dient, der Bausparkasse vollständig gewährt worden.

Entgegen der Ansicht der Revision folgt vorliegend etwas anderes nicht aus der Zinsbonusregelung der § 3 Abs. 3, § 5 Abs. 4 ABB. Diese Regelung führt ebenso wenig wie ein Wahlrecht betreffend die Höhe der Guthabenverzinsung während der Ansparphase (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 25. Juli 2017 - XI ZR 116/17, juris Rn. 10) zu einer Modifikation des Vertragszwecks im Hinblick auf die in der Erbringung der Ansparleistungen liegende Darlehensgewährung an die Beklagte (vgl. dazu Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 185/16, BGHZ 214, 94 Rn. 81). § 3 Abs. 3, § 5 Abs. 4 ABB eröffnen dem Bausparer lediglich die Möglichkeit, nach der Zuteilung einen Verzicht auf das Bauspardarlehen zu erklären, um rückwirkend ab Vertragsbeginn einen - hier: in Abhängigkeit von der Höhe der Bewertungszahl - über den ursprünglichen Zinssatz von 3% p.a. hinausgehenden Zins für das Bausparguthaben beanspruchen zu können. Diese Möglichkeit besteht nicht nur einmalig beim erstmaligen Eintritt der Zuteilungsreife (§ 3 Abs. 3 ABB), sondern auch bei einer Vertragsfortsetzung (§ 5 Abs. 4 ABB). Das dem Bausparer eingeräumte Optionsrecht ändert aber nichts daran, dass seine bis zur erstmaligen Zuteilungsreife erbrachten Ansparleistungen weiterhin zweckgebunden sind, um einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erlangen, der erst in der Folge durch einen Verzicht auf das Bauspardarlehen unter Inanspruchnahme des Zinsbonus gemäß § 3 Abs. 3, § 5 Abs. 4 ABB abgegolten werden kann. Insoweit ist der vorliegende Fall anders gelagert als der Fall eines zeitlich begrenzten Verzichts auf die Gewährung eines Bauspardarlehens, bei dem der Vertrag nach Ablauf des Verzichtszeitraumes fortgesetzt wird und bei dem die Ansparleistungen während der Karenzzeit zusätzlich einem reinen Sparzweck dienen (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2017, aaO; Senatsbeschluss vom 25. Juli 2017, aaO).

cc) Soweit die Klägerin erstmals in der Revisionsinstanz geltend macht, einen Verzicht auf das Bauspardarlehen erklärt zu haben, ist sie mit diesem Vorbringen gemäß § 559 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Die Revision hat auch keine ordnungsgemäße Verfahrensrüge gemäß § 557 Abs. 3 Satz 2, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO erhoben, mit der sie aufzeigt, dass das Berufungsgericht entsprechenden Vortrag der Klägerin entgegen § 286 ZPO unbeachtet gelassen hat (vgl. dazu BGH, Urteile vom 8. Juli 1954 - IV ZR 67/54, BGHZ 14, 205 , 209 f., vom 22. Februar 2005 - XI ZR 359/03, WM 2005, 782 , 785 f. und vom 11. Juni 2015 - I ZR 75/14, NJW 2016, 953 Rn. 45). Ungeachtet dessen würde vorliegend der Verzicht auf das Bauspardarlehen nach § 3 Abs. 3, § 5 Abs. 4 ABB lediglich zu einem Anspruch der Klägerin auf Gewährung des vereinbarten Zinsbonus führen, nicht hingegen die Wirksamkeit der Kündigung vom 7. Mai 2015 berühren.

c) Mit Ablauf der Kündigungsfrist von sechs Monaten nach dem Zugang des Kündigungsschreibens vom 7. Mai 2015 ist der Bausparvertrag zum 12. November 2015 beendet worden.

d) Schließlich hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, dass die Kündigung auch nicht gemäß § 489 Abs. 3 BGB aF als nicht erfolgt gilt. Da die Parteien gerade um die Wirksamkeit der Kündigung streiten, kann sich die Klägerin auf diese Vorschrift nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB ) auf Grund ihres widersprüchlichen Verhaltens nicht berufen (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 185/16, BGHZ 214, 94 Rn. 89).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 10. Juli 2018

Vorinstanz: AG Koblenz, vom 23.05.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 164 C 652/16
Vorinstanz: LG Koblenz, vom 16.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 3 S 32/16