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BGH - Entscheidung vom 27.03.2018

4 StR 593/17

Normen:
StGB § 24 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 27.03.2018 - Aktenzeichen 4 StR 593/17

DRsp Nr. 2018/4740

Fehlschlag des Versuchs der räuberischen Erpressung hinsichtlich des Ausschlusses eines strafbefreienden Rücktritts

Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 18. April 2017, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a)

soweit der Angeklagte im Fall III.2.c der Urteilsgründe (Tat Nr. 3) verurteilt worden ist,

b)

im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 24 Abs. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten H. "wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung und wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Die Verfahrensrüge ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ).

2. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch im Fall III.2.b der Urteilsgründe (Tat Nr. 2) keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen kann die Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung im Fall III.2.c (Tat Nr. 3) nicht bestehen bleiben; die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Versuch (§ 24 Abs. 1 StGB ) abgelehnt hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das hat die Aufhebung der gesamten Verurteilung des Angeklagten in diesem Fall zur Folge.

a) Nach den Feststellungen forderte der Angeklagte von I. B. "im Juni oder Juli 2015" in dem von diesem und seinem Bruder B. B. betriebenen Dönerimbiss 1.000 Euro, um sich "eine eigene Geldquelle (zu) erschließen". I. B. verweigerte jedoch die Zahlung. Am 29. August 2015 kam es zu einer zufälligen Begegnung vor dem Dönerimbiss, in deren Verlauf der Angeklagte dem Zeugen I. B. mit der Faust in das Gesicht schlug und ihn an die Zahlung des von ihm geforderten Geldbetrags erinnerte. Er tat dies, um seiner Forderung mit körperlicher Gewalt Nachdruck zu verleihen und I. B. zu veranlassen, aus Angst um sein Leben und seine Gesundheit den Betrag, auf den er, wie er wusste, keinen Anspruch hatte, zu leisten. I. B. trug eine blutende und schmerzende Nase davon, zahlte aber den geforderten Betrag gleichwohl nicht an den Angeklagten.

Das Landgericht hat einen fehlgeschlagenen Versuch der räuberischen Erpressung angenommen, "denn ... der Angeklagte H. musste in diesem Fall erkennen, dass I. B. seiner Forderung trotz abgeschlossener Gewalt nicht nachgekommen ist, und es eines neuen Ansetzens mit neuer Drohung oder Gewalt bedurft hätte, um ggfls. doch noch zum Erfolg zu kommen".

b) Diese Begründung trägt den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts nicht.

Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Auch dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (vgl. hierzu z.B. BGH, Beschluss vom 22. April 2015 - 2 StR 383/14, StV 2015, 687 ). Scheidet ein Fehlschlag aus, kommt es auf die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2015 - 2 StR 383/14, StV 2015, 687 ).

Allen Fällen aber ist gemeinsam, dass das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt von maßgebender Bedeutung ist. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273 , 274; vom 25. Oktober 2017 - 5 StR 253/17; zur revisionsgerichtlichen Überprüfung ferner: BGH, Beschlüsse vom 11. März 2014 - 1 StR 735/13, NStZ-RR 2014, 201 , 202; vom 27. November 2014 - 3 StR 458/14, NStZ-RR 2015, 105 , 106; vom 4. Juni 2014 - 4 StR 168/14; Urteil vom 13. August 2015 - 4 StR 99/15, StraFo 2015, 470 , jeweils mwN).

So liegt der Fall hier. Das Landgericht hat zwar gemeint, der Angeklagte hätte erneut zur Tat ansetzen müssen, "um ggfls. doch noch zum Erfolg zu kommen". Dies allerdings hat es weder in der Beweiswürdigung noch in der rechtlichen Würdigung näher belegt. Schon der Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte von einem Fehlgehen seines Erpressungsversuchs ausgegangen sein soll, wird nicht dargelegt. Der Senat vermag auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Umstände das Landgericht - auch angesichts des zeitlichen Abstands zwischen den beiden Einwirkungen auf das Opfer - zu der Annahme gelangt ist, der Angeklagte sei nunmehr von einer derartigen Zäsur im Handlungsablauf ausgegangen. Das gilt auch dann, wenn man die Wendung "musste in diesem Fall erkennen" mit dem Generalbundesanwalt dahin versteht, das Landgericht habe ausdrücken wollen, der Angeklagte habe solches auch erkannt.

3. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter räuberischer Erpressung; erfasst wird auch die an sich rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen Körperverletzung. Das entzieht ohne weiteres dem Strafausspruch für diesen Fall und der Gesamtstrafe die Grundlage. Hingegen kann der Senat ausschließen, dass die Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe im Fall III.2.b der Urteilsgründe (Tat Nr. 2) von dem aufgezeigten Rechtsfehler beeinflusst ist.

Vorinstanz: LG Hagen, vom 18.04.2017