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BGH - Entscheidung vom 05.06.2018

XI ZR 371/16

Normen:
BGB § 305 Abs. 1 S. 3
BGB § 307 Abs. 1 S. 1
BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 307 Abs. 3 S. 2
BGB § 488 Abs. 1 S. 2

BGH, Urteil vom 05.06.2018 - Aktenzeichen XI ZR 371/16

DRsp Nr. 2018/17573

Erstattung von Bearbeitungsentgelt im Zusammenhang mit zwei zur Finanzierung von Fotovoltaikanlagen geschlossenen Darlehensverträgen; Einordnung einer verwendeten Klausel als kontrollfähige Preisnebenabrede

Eine in einer Darlehensurkunde eines Kreditinstituts für den Abschluss von Kreditverträgen mit Unternehmern enthaltene formularmäßige Klausel über die Erhebung eines Bearbeitungsentgelts unterliegt nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der richterlichen Inhaltskontrolle. Die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Entgelts ist auch für die Bearbeitung eines Unternehmerdarlehens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar und benachteiligt die Kunden des Kreditinstituts.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 22. Juni 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 305 Abs. 1 S. 3; BGB § 307 Abs. 1 S. 1; BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1 ; BGB § 307 Abs. 3 S. 2; BGB § 488 Abs. 1 S. 2;

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der beklagten Bank die Erstattung von Bearbeitungsentgelt, das er im Zusammenhang mit zwei zur Finanzierung von Fotovoltaikanlagen geschlossenen Darlehensverträgen an die Beklagte bezahlt hat.

Die Parteien schlossen am 28. Mai/1. Juni 2010 einen Darlehensvertrag über 192.000 € zur Finanzierung einer Fotovoltaikanlage in Offenburg und am 21. Februar/3. März 2012 einen Darlehensvertrag über 63.800 € zur Finanzierung einer Fotovoltaikanlage in Blieskastel. Wie in Ziffer 3.3 bzw. 3.2 des jeweiligen Vertrages festgelegt war, zahlte der Kläger an die Beklagte jeweils ein einmaliges, sofort fälliges, nicht laufzeitabhängiges "Bearbeitungsentgelt" in Höhe von 1% des Darlehensbetrages, mithin 1.920 € (netto) bzw. 638 € (netto) zzgl. Mehrwertsteuer. Vor und nach diesen beiden Verträgen schlossen die Parteien weitere Darlehensverträge, die keine Bearbeitungsentgelte vorsahen, darunter am 24./25. April 2012 einen Darlehensvertrag zur Finanzierung einer Fotovoltaikanlage in Saarbrücken. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Vereinbarungen über die Bearbeitungsentgelte. Die Beklagte erhebt zudem die Einrede der Verjährung.

Der Kläger behauptet, die Beklagte mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 zur Rückzahlung des Bearbeitungsentgelts in Höhe von 1.920 € aus dem Darlehensvertrag zur Finanzierung der Fotovoltaikanlage in Offenburg sowie zur Rückzahlung eines Bearbeitungsentgelts in Höhe von 759,22 € aus dem Darlehensvertrag zur Finanzierung der Fotovoltaikanlage in Saarbrücken - insgesamt 2.679,22 € - aufgefordert zu haben. Mit einem am 29. Dezember 2014 beantragten und der Beklagten am 3. Januar 2015 zugestellten Mahnbescheid hat der Kläger die Zahlung von 2.679,22 € nebst Zinsen in Höhe von 8% seit dem 1. Juni 2010 begehrt und dabei die Hauptforderung wie folgt bezeichnet "Ungerechtfertigte Bereicherung gem. 23. Dezember 2014 vom 01. Juni 10". In der Anspruchsbegründung vom 20. April 2015 hat er die Zinsforderung zunächst auf 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2010 abgeändert und nach Hinweis des Erstrichters dahin gehend korrigiert, dass er Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.920 € seit dem 1. Juni 2010 und aus 759,22 € seit dem 25. April 2012 begehre. Noch vor der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessvertreters vom 9. Juni 2015 mitgeteilt, bei der Rückforderung eines Bearbeitungsentgelts aus dem Darlehensvertrag zur Finanzierung der Fotovoltaikanlage in Saarbrücken habe es sich um eine Verwechslung gehandelt, und stattdessen die Rückzahlung eines Bearbeitungsentgelts "von 759,22 € (638,00 € + 19% Steuer)" aus dem Darlehensvertrag zur Finanzierung der Fotovoltaikanlage in Blieskastel begehrt.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner von dem Landgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung (LG Stuttgart, Urteil vom 22. Juni 2016 - 4 S 259/15, juris) im Wesentlichen wie folgt begründet:

Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückzahlung der streitgegenständlichen Bearbeitungsentgelte und damit auch kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zu, da die Leistungen des Klägers nicht ohne Rechtsgrund erfolgt seien. Er habe unstreitig als Unternehmer gehandelt und die im Streit stehenden Darlehensverträge zur Finanzierung gewerblich betriebener Fotovoltaikanlagen abgeschlossen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit von Bearbeitungsentgelten in Verbraucherdarlehensverträgen könne auf eine solche Fallgestaltung nicht übertragen werden.

Sollte es sich um individuelle Vereinbarungen handeln, ergebe sich deren Wirksamkeit aus der allgemeinen Vertragsfreiheit, in deren Rahmen auch die Vereinbarung der streitgegenständlichen Bearbeitungsentgelte zulässig sei.

Sollte es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln, hielten diese einer eröffneten Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand, weil es zu keiner unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders komme. Bei der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gegenüber Unternehmern sei auf die Gewohnheiten und Gebräuche des Handelsverkehrs Rücksicht zu nehmen und darüber hinaus den Besonderheiten des kaufmännischen Rechtsverkehrs angemessen Rechnung zu tragen. Zwar fehle es an einem auf die Entrichtung einer Darlehensgebühr gerichteten Handelsbrauch. Zu berücksichtigen sei aber der in § 354 HGB normierte Handelsbrauch, dass aus Sicht eines Kaufmanns jede Leistung grundsätzlich entgeltlich erbracht werde. Von Unternehmern werde erwartet, dass sie ihre Kosten sorgfältig kalkulierten und deshalb einer Preisnebenklausel besondere Aufmerksamkeit schenkten. Ebenfalls müsse berücksichtigt werden, dass es einem Unternehmer anders als einem Verbraucher generell möglich sei, Kosten und Lasten weiterzugeben.

Schließlich bestünden strukturelle Unterschiede zwischen Verbraucher- und Unternehmerdarlehen. Die Vereinbarung eines laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelts sei für den unternehmerisch tätigen Darlehensnehmer steuerrechtlich in aller Regel vorteilhaft. Zudem führe die im Unterschied zu Verbraucherdarlehen vielfach deutlich kürzere Zinsbindung dazu, dass der Unternehmer vergleichsweise früh zur Kündigung des Darlehensvertrages berechtigt sei und deshalb keine gesicherte Zinserwartung der Bank bestehe. Dann stehe dieser kein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung zu und es bestehe das Risiko, dass sich der Bearbeitungsaufwand allein durch eine Einpreisung in den Zins nicht erwirtschaften lasse.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Kläger angegriffenen Vereinbarungen über die Erhebung von Bearbeitungsentgelten auch als Allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam seien. Mangels Feststellungen des Berufungsgerichts dazu ist im Revisionsverfahren zugunsten des Klägers zu unterstellen, dass den streitigen Bearbeitungsentgelten Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten zugrunde lagen.

1. Das Berufungsgericht nimmt noch zutreffend an, dass die streitigen Vereinbarungen jeweils Preisnebenabreden darstellen. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, unterliegt eine in einer Darlehensurkunde eines Kreditinstituts für den Abschluss von Kreditverträgen mit Unternehmern enthaltene formularmäßige Klausel über die Erhebung eines Bearbeitungsentgelts nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der richterlichen Inhaltskontrolle (Senatsurteile vom 4. Juli 2017 - XI ZR 562/15, WM 2017, 1643 Rn. 23 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen und XI ZR 233/16, WM 2017, 1652 Rn. 32 ff.).

Die von der Beklagten verwendete Klausel, die der Senat selbstständig auslegen kann (vgl. Senatsurteil vom 13. Mai 2014 - XI ZR 405/12, BGHZ 201, 168 Rn. 26), ist vom Berufungsgericht zutreffend als kontrollfähige Preisnebenabrede eingeordnet worden. Nach der verwendeten Bezeichnung "Bearbeitungsentgelt" handelt es sich um Entgelt für die Bearbeitung des Darlehensantrages einschließlich der Vorbereitung des Vertragsschlusses sowie für Verwaltungsaufwand der Beklagten bei Kreditbearbeitung und -auszahlung (vgl. dazu Senatsurteile vom 13. Mai 2014 - XI ZR 405/12, BGHZ 201, 168 Rn. 28 f. und XI ZR 170/13, WM 2014, 1325 Rn. 36 ff.).

Unerheblich ist für diese Auslegung Vortrag der Beklagten in den Tatsacheninstanzen, sie habe durch die formularmäßige Vereinbarung eines Bearbeitungsentgelts das wirtschaftliche Risiko einer kurzfristigen Kündbarkeit der Darlehen ausgleichen wollen. Solche Motive oder betriebswirtschaftliche Zwecke haben - ungeachtet ihrer fehlenden Relevanz - weder im Wortlaut der Klausel noch in der Systematik der Vertragsbedingungen einen Niederschlag gefunden.

2. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils weiter entschieden hat, sind formularmäßige Klauseln über die Erhebung eines Bearbeitungsentgelts in Darlehensverträgen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB auch im Verhältnis zu Unternehmern unwirksam. Die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Entgelts ist auch für die Bearbeitung eines Unternehmerdarlehens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ) unvereinbar und benachteiligt die Kunden des Kreditinstituts entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (Senatsurteile vom 4. Juli 2017 - XI ZR 562/15, WM 2017, 1643 Rn. 37 ff. und XI ZR 233/16, WM 2017, 1652 Rn. 45 ff.). Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

3. Ob die Regelungen in den Darlehensverträgen über die Erhebung von Bearbeitungsentgelten dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB genügen, bedarf hiernach keiner Entscheidung.

III.

Da das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob es sich bei den beiden im Streit stehenden Vertragsbedingungen um Individualvereinbarungen oder um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ) und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

1. Das Berufungsgericht wird zu berücksichtigen haben, dass Vertragsbedingungen vorformuliert sind, wenn sie für eine mehrfache Verwendung schriftlich aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert sind. Dabei ist unerheblich, ob bei Abschluss von Darlehensverträgen regelmäßig ein Bearbeitungsentgelt in Höhe festgelegter Prozentsätze verlangt oder das Entgelt im Einzelfall anhand der Daten des konkreten Darlehensvertrages nach bestimmten Vorgaben errechnet wird (Senatsurteil vom 4. Juli 2017 - XI ZR 233/16, WM 2017, 1652 Rn. 20 mwN).

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung kann von einem Aushandeln der Vertragsbedingungen nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der effektiven Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (Senatsurteil vom 4. Juli 2017 - XI ZR 233/16, WM 2017, 1652 Rn. 23). Die entsprechenden Umstände hat der Verwender darzulegen (BGH, Urteil vom 20. März 2014 - VII ZR 248/13, BGHZ 200, 326 Rn. 27 mwN). In der Regel wird sich das Aushandeln in Änderungen des vorformulierten Textes niederschlagen. Die allgemein geäußerte Bereitschaft, belastende Klauseln abzuändern, genügt nicht (Senatsurteil vom 28. Juli 2015 - XI ZR 434/14, BGHZ 206, 305 Rn. 23). Diese Anforderungen gelten auch im Rechtsverkehr zwischen Unternehmern (Senatsurteil vom 4. Juli 2017, aaO Rn. 24 mwN).

2. Sollte das Berufungsgericht danach einen Anspruch des Klägers bejahen, wird es bei der Prüfung der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede die Entscheidungen des Senats zum Beginn der Verjährungsfrist in diesen Fällen anzuwenden (Senatsurteile vom 4. Juli 2017 - XI ZR 562/15, WM 2017, 1643 Rn. 84 ff. und XI ZR 233/16, WM 2017, 1652 Rn. 93 ff.) und weiter hinsichtlich des Darlehens aus dem Jahr 2010 zu prüfen haben, ob die Anforderungen der Rechtsprechung an die Individualisierung eines Anspruchs rechtzeitig erfüllt worden sind (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 2008 - XI ZR 466/07, WM 2009, 420 Rn. 18 ff. mwN).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 5. Juni 2018

Vorinstanz: AG Stuttgart, vom 12.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 4 C 650/15
Vorinstanz: LG Stuttgart, vom 22.06.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 4 S 259/15