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BGH - Entscheidung vom 20.11.2018

II ZA 8/18

Normen:
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

BGH, Beschluss vom 20.11.2018 - Aktenzeichen II ZA 8/18

DRsp Nr. 2019/1250

Erfüllen der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung ratenfreier Prozesskostenhilfe

Tenor

1.

Dem Kläger wird für die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 11. April 2018 Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er sich dagegen wendet, dass seine Forderung gegen die Schuldnerin G. GmbH & Co. Betriebs KG in Höhe von 6.365,76 € zuzüglich Zinsen nur als nachrangige Insolvenzforderung zur Tabelle des Insolvenzverfahrens 13 IN 609/14, Amtsgericht Heilbronn, festgestellt worden ist. Der weitergehende Prozesskostenhilfeantrag des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auf die Prozesskosten keine Raten zu zahlen.

2.

Dem Kläger wird aufgegeben, binnen eines Monats ab Zustellung dieses Beschlusses einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu benennen, der ihm zur Wahrnehmung seiner Rechte beigeordnet werden soll.

Normenkette:

ZPO § 114 Abs. 1 S. 1;

Gründe

Der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers, der die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung ratenfreier Prozesskostenhilfe erfüllt, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist er mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung des Klägers gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO unbegründet.

1. Eine Revision des Klägers hat nur insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO , als sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht die Abfindungsforderung für sein Ausscheiden aus der Schuldnerin zu 2 in Höhe von 6.365,67 € nebst Zinsen in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu 2 nur als nachrangige Insolvenzforderung zur Tabelle festgestellt hat. Nur insoweit ist die Revision durch das Berufungsgericht im Berufungsurteil zu Gunsten des Klägers zugelassen worden und damit gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Im Übrigen ist der Prozesskostenhilfeantrag für eine Rechtsverfolgung des Klägers im Wege der Revision daher mangels hinreichender Erfolgsaussicht gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

a) Das Berufungsgericht hat die Revision im Tenor unter Bezugnahme auf die Begründung in Abschnitt III 3 der Entscheidungsgründe im Hinblick auf die Rechtsfrage der insolvenzrechtlichen Einordnung der Abfindungsforderung des Klägers zugelassen. Das enthält eine zulässige Zulassungsbeschränkung.

aa) Zwar ist eine Beschränkung der Revision auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente unzulässig. Die Revision kann aber auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte. Voraussetzung hierfür ist eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitgegenstands in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Fall einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Es muss sich hierbei aber weder um einen eigenen Streitgegenstand handeln, noch muss der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz teilurteilsfähig sein (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 mwN). Eine auf eine Rechtsfrage beschränkte Zulassung kann daher in eine Zulassung hinsichtlich eines solchen Teils des Streitgegenstands umzudeuten sein, wenn die Rechtsfrage ersichtlich nur für diesen Teil erheblich ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 1987 - IVa ZR 292/85, BGHZ 101, 276 , 287 f.; Urteil vom 29. Januar 2003 - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358 , 362; Beschluss vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, NJW 2011, 1228 Rn. 11).

bb) Ein solcher Fall liegt hier vor. Die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage ist nur für einen Teil des Rechtsstreits der Parteien, nämlich für die insolvenzrechtliche Einordnung der dem Kläger zustehenden Abfindungsforderungen entscheidungserheblich. Für die Frage, wie hoch seine Abfindungsforderungen gegen die Schuldnerinnen sind, spielt sie hingegen keine Rolle. Die Höhe seiner Abfindungsforderungen einerseits und ihre insolvenzrechtliche Einordnung andererseits sind zwei selbständige Teile des Gesamtstreitstoffs im Sinne der obigen Rechtsprechung. Der Kläger könnte seine Revision selbst entsprechend auf die vom Berufungsgericht genannte Rechtsfrage beschränken, indem er die Entscheidung des Berufungsgerichts zur Höhe der Abfindungsforderungen akzeptieren und sich nur gegen die insolvenzrechtliche Einordnung des zugesprochenen Betrages wenden würde. Dabei könnte auch im Fall einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht mehr anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten, weil die weitergehenden Abfindungsforderungen des Antragstellers abgewiesen worden sind und damit diesbezüglich auch keine insolvenzrechtliche Einordnung erfolgt ist, die von der Revisionsentscheidung evtl. abweichen könnte.

b) Diese beschränkte Zulassung wirkt indes für den Kläger nur hinsichtlich der Einordnung seiner Abfindungsforderung für das Ausscheiden aus der Schuldnerin zu 2.

aa) Hat das Berufungsgericht die Revision wirksam beschränkt auf eine bestimmte Rechtsfrage zugelassen, so wirkt die Zulassung nicht für die Partei, zu deren Gunsten die Rechtsfrage entschieden ist. Das gilt auch dann, wenn sie das Urteil aus völlig anderen Gründen anzugreifen beabsichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2005 - IX ZR 45/04, NJW-RR 2005, 715 , 716; Beschluss vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 10 f. mwN).

bb) Danach wirkt die beschränkte Zulassung hier für den Kläger nicht für seine Abfindungsforderung betreffend sein Ausscheiden aus der Schuldnerin zu 1. Bezüglich dieser Forderung hat das Berufungsgericht die von ihm als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage zu Gunsten des Klägers entschieden, indem es diese Abfindungsforderung als "gewöhnliche" Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO eingestuft und den Kläger damit weder auf die Überschussverteilung nach § 199 InsO noch auf eine Nachrangigkeit gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO verwiesen hat.

Anderes gilt hingegen für die Abfindungsforderung für das Ausscheiden aus der Schuldnerin zu 2. Hier liegt eine Entscheidung der Rechtsfrage zu Lasten des Klägers vor, weil das Berufungsgericht ihn zwar nicht auf die Schlussverteilung gemäß § 199 InsO verwiesen, aber von einem Nachrang der Forderung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausgegangen ist.

c) Soweit die Revision zu Gunsten des Klägers zugelassen ist, hat sie auch in der Sache hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO .

Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist bereits dann gegeben, wenn die Entscheidung von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängig ist (vgl. BVerfG, NJW-RR 2002, 793 ; BGH, Beschluss vom 7. März 2012 - XII ZB 391/10, NJW 2012, 1964 Rn. 14). Im Fall einer zugelassenen Revision ist Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren daher zu gewähren, wenn ein Zulassungsgrund gegeben ist und im Fall der Revisionseinlegung die Revision nicht nach § 552a ZPO zugrückgewiesen werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2018 - II ZR 172/17, ZInsO 2018, 1955 Rn. 3 mwN).

Das ist hier der Fall. Hinsichtlich der Frage der insolvenzrechtlichen Einordnung der Abfindungsforderung eines vor der Insolvenz der Gesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafters ist der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO gegeben. Die Frage ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und wird in der bisherigen instanzgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet.

2. Soweit eine Revision des Klägers mangels Zulassung durch das Berufungsgericht nicht statthaft ist, ist sein Antrag zwar dahingehend auszulegen, dass er insoweit hilfsweise Prozesskostenhilfe für die Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde beantragt (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1999 - XII ZR 94/98, NJW-RR 2000, 1446 ).

Dieser Antrag ist aber ebenfalls mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht begründet, weil insoweit keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO ) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Vorinstanz: LG Heilbronn, vom 25.06.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 21 O 1/09
Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 11.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 14 U 33/13