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BGH - Entscheidung vom 20.11.2018

4 StR 329/18

Normen:
BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2

Fundstellen:
StV 2019, 323

BGH, Beschluss vom 20.11.2018 - Aktenzeichen 4 StR 329/18

DRsp Nr. 2019/348

Erforderlichkeit beweiswürdigender Ausführungen zur Qualität des Marihuanas in den Urteilsgründen

Das Tatgericht hat zu berücksichtigen, wenn von der zum gewinnbringenden Umsatz bestimmten Gesamtmenge mehrerer Kilogramm Amphetaminzubereitung anlässlich einer polizeilichen Durchsuchung ein Rest sichergestellt werden konnte und daher nicht in Verkehr gelangte. Bei einer auch nur teilweise erfolgten Sicherstellung handelt es sich wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln üblicherweise ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, der bei der Straffestsetzung zu beachten ist.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 12. April 2018 hinsichtlich

a)

der Einzelstrafen zu den Taten II.1., 2. und 6. der Urteilsgründe,

b)

der Gesamtstrafe und

c)

der Einziehungsentscheidung

mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 51.200 Euro angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Die Einzelstrafen in den Fällen II.1., 2. und 6. der Urteilsgründe halten unter Zugrundelegung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345 , 349; Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319 , 320) einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Die Einzelstrafen in den Fällen II.1. und 2. der Urteilsgründe haben keinen Bestand, weil der von der Strafkammer angenommene Schuldumfang durch die Ausführungen des angefochtenen Urteils nicht belegt wird.

Das Landgericht ist bei den Taten II.1. und 2. der Urteilsgründe davon ausgegangen, dass das jeweils gehandelte Marihuana einen Wirkstoffgehalt von 15 % THC aufwies, ohne diese Feststellung näher zu begründen. Die Urteilsgründe lassen beweiswürdigende Ausführungen zur Qualität des Marihuanas vielmehr vollständig vermissen. Ferner ergeben die Feststellungen zu der Tat II.2. der Urteilsgründe nicht, dass dem Angeklagten – über die von ihm unter Einschaltung eines Mittelsmannes übernommenen und bezahlten 4 Kilogramm Marihuana aus dem ersten Koffer – auch die 2 Kilogramm Marihuana aus dem zweiten Koffer, die der Mittelsmann bei einem weiteren Treffen ohne Bezahlung an sich gebracht hatte, als Handelsmenge zuzurechnen sind. Denn die Strafkammer hat weder festgestellt, dass der Angeklagte an der Erlangung des zweiten Koffers in irgendeiner Weise beteiligt war, noch dass den beiden Übergabetreffen eine Bestellung des Angeklagten über insgesamt 6 Kilogramm Marihuana vorausging.

Die aufgezeigten, Menge und Qualität betreffenden Mängel lassen die Schuldsprüche jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in den Fällen II.1. und 2. der Urteilsgründe unberührt, weil der Senat angesichts der sicher festgestellten Gesamtmengen von jeweils mindestens 4 Kilogramm Marihuana ausschließen kann, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge von 7,5 Gramm THC bei beiden Taten nicht erreicht worden ist. Zur Festlegung des Schuldumfangs als Grundlage der Strafzumessung bedarf es einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung der den Einzelstrafaussprüchen zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen erfasst auch die Feststellungen zu den Wirkstoffmengen des in diesen Fällen gehandelten Marihuanas, allerdings nur insoweit, als diese den Grenzwert von 7,5 Gramm THC übersteigen.

b) Hinsichtlich der abgeurteilten Amphetamingeschäfte erweisen sich die Einzelstrafen in den Fällen II.3. bis 5. der Urteilsgründe als rechtsfehlerfrei. Dagegen kann die Einzelstrafe für die Tat II.6. der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben.

Die isoliert betrachtet nicht unbedenkliche Einstufung des Amphetamins als „eher harte Droge“ gefährdet den Bestand des Strafausspruchs nicht, da durch diese Formulierung nach dem Gesamtzusammenhang der Strafzumessungserwägungen lediglich ein Bezug zu dem bei den Taten II.1. und 2. der Urteilsgründe gehandelten Marihuana hergestellt und zum Ausdruck gebracht wird, dass Amphetamin im Vergleich zu dem als „weiche Droge“ bezeichneten Marihuana eine höhere Gefährlichkeit zukommt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2017 – 3 StR 97/17, NStZ-RR 2017, 310 ; vom 2. November 2017 – 4 StR 286/17 Rn. 4; vom 14. August 2018 – 1 StR 323/18 Rn. 4).

Bei der Bemessung der Einzelstrafe für die Tat II.6. der Urteilsgründe hat das Landgericht aber unberücksichtigt gelassen, dass von der zum gewinnbringenden Umsatz bestimmten Gesamtmenge von 5 Kilogramm Amphetaminzubereitung anlässlich einer polizeilichen Durchsuchung der Bunkerwohnung ein Rest von 1.308 Gramm sichergestellt werden konnte und daher nicht in Verkehr gelangte. Bei einer – auch nur teilweise erfolgten – Sicherstellung handelt es sich wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln üblicherweise ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, der bei der Straffestsetzung zu beachten ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2018 – 3 StR 629/17 Rn. 5 mwN; vom 19. Januar 1990 – 2 StR 588/89, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 10; vgl. Weber, BtMG , 5. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 1019 mwN). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Einzelstrafe im Fall II.6. der Urteilsgründe auf der unterbliebenen Berücksichtigung der teilweisen Sicherstellung beruht.

c) Die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II.1., 2. und 6. der Urteilsgründe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.

2. Die Einziehungsentscheidung hält einer rechtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand, da die Feststellungen der Strafkammer, der Angeklagte habe durch die Verkäufe von Marihuana und Amphetamin insgesamt einen Geldbetrag in Höhe von 51.200 Euro erwirtschaftet, einer tragfähigen Tatsachengrundlage entbehrt.

Die Strafkammer ist bei ihrer Einziehungsentscheidung davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei der Tat II.2. der Urteilsgründe 6 Kilogramm Marihuana zu einem Kilopreis von 5.700 Euro sowie in den Fällen II.3. bis 6. der Urteilsgründe insgesamt 10 Kilogramm Amphetaminzubereitung zu einem Kilopreis von 1.700 Euro umsetzte. Dabei hat sie – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt – zum einen übersehen, dass von der Handelsmenge aus der Tat II.6. der Urteilsgründe ein Teil von 1.308 Gramm Amphetaminzubereitung sichergestellt wurde, und zum anderen verkannt, dass bei der Tat II.2. der Urteilsgründe nicht festgestellt worden ist, dass der Angeklagte die 2 Kilogramm Marihuana aus dem zweiten Koffer überhaupt erhielt. Des Weiteren lässt sich der Sachverhaltsschilderung zu der Tat II.2. der Urteilsgründe in ihrem Gesamtzusammenhang zwar noch entnehmen, dass die vom Angeklagten sicher erlangten 4 Kilogramm Marihuana zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmt waren. Dass der Angeklagte diese Betäubungsmittelmenge tatsächlich erfolgreich absetzte und hieraus etwas erlangte, hat die Strafkammer jedoch nicht festgestellt. Schließlich lassen die Urteilsgründe für den vom Landgericht zugrunde gelegten Verkaufspreis von 1.700 Euro je Kilogramm Amphetaminzubereitung eine hinreichende Beweisgrundlage vermissen. Die im Urteil wiedergegebene Zeugenaussage eines Polizeibeamten, wonach mit der Angabe von „1,5 bis 1,7“ in im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung aufgezeichneten Telefongesprächen nach dienstlicher Erfahrung Mengenangaben bzw. Kaufpreise gemeint seien, ist allein nicht geeignet, eine solche Schlussfolgerung zu tragen.

Vorinstanz: LG Paderborn, vom 12.04.2018
Fundstellen
StV 2019, 323