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BGH - Entscheidung vom 18.06.2018

AnwZ (Brfg) 9/18

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 112e S. 2
ZPO § 882b
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 18.06.2018 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 9/18

DRsp Nr. 2018/9240

Erfolgsaussichten eines Antrags auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Anwaltsgerichtshofs über den Widerruf der Anwaltszulassung wegen Vermögensverfalls

Die Anwaltszulassung ist bei Vermögensverfall eines Anwalts zu widerrufen. Der Vermögensverfall wird widerlegbar vermutet, wenn der Anwalt im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis eingetragen war. Zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung hat der Rechtsanwalt ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und seiner Verbindlichkeiten vorzulegen und konkret darzulegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 19. Dezember 2017 an Verkündung statt zugestellte Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ; BRAO § 112e S. 2; ZPO § 882b; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I.

Der Kläger ist seit 2011 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 9. Januar 2017 widerrief die Beklagte die Zulassung wegen Vermögensverfalls. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2017 zurück. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger wegen zweier Forderungen im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Die Klage des Klägers gegen den Widerrufsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist erfolglos geblieben. Im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof hat der Kläger zudem die Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragt. Insoweit ist die Klage ebenfalls abgewiesen worden. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senates.

a) Der Kläger befand sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch am 4. Juli 2017 (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.) in Vermögensverfall. Er war in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis eingetragen (§ 882b ZPO ). Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird der Vermögensverfall des Rechtsanwalts dann widerlegbar vermutet. Zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung hat der Rechtsanwalt ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und seiner Verbindlichkeiten vorzulegen und konkret darzulegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2017 - AnwZ (Brfg) 61/16, juris Rn. 4 mwN; st. Rspr.).

Ein derartiges Verzeichnis legt der Kläger auch in der Begründung des Zulassungsantrags nicht vor. Stattdessen wiederholt er seinen erstinstanzlichen Vortrag dazu, dass er jederzeit in der Lage gewesen sei, die Forderungen des Finanzamts zu begleichen, dass ihm aus Pflichtverteidigungen und aus Beiordnungen im Wege der Prozesskostenhilfe Forderungen gegen die Staatskasse in einer seine Steuerschulden übersteigenden Höhe zugestanden hätten und dass die beiden Forderungen, die Grundlage der Eintragung im Vermögensverzeichnis gewesen seien, längst beglichen seien; um eine Löschung der Eintragungen werde er sich bemühen, sobald er dazu Zeit finde. Diesen Vortrag hat der Anwaltsgerichtshof insbesondere deshalb für unzulänglich gehalten, weil der Kläger keine aussagekräftigen Belege vorgelegt hat. So wies eine vom Kläger eingereichte Finanzübersicht der N. , die ein Guthaben von 23.933,66 € auswies, weder den Namen des Kontoinhabers noch eine Kontonummer aus. Die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls ist überdies nicht schon dann widerlegt, wenn feststeht, dass die Verbindlichkeiten gedeckt sind, die der Eintragung oder den Eintragungen zugrunde lagen. Vielmehr muss der betroffene Rechtsanwalt umfassend zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen vortragen (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 5). Er muss - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - sämtliche gegen ihn bestehenden Verbindlichkeiten zusammenstellen und darlegen, wie er sie - gegebenenfalls durch Vereinbarungen mit seinen Gläubigern - zurückführen wollte. Dabei darf - wieder bezogen auf den Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung - keine Forderung auf unabsehbare Zeit unerfüllt oder ungeregelt bleiben. Der Nachweis der Erfüllung einzelner Forderungen reicht nicht aus. Ebenso wenig reicht aus, wenn der Rechtsanwalt ausreichende liquide Mittel zur Tilgung einzelner Forderungen nachweist, das Gericht aber die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Rechtsanwalts mangels hinreichenden Vortrags nicht insgesamt beurteilen kann.

b) Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ) lässt sich ebenfalls nicht verneinen. Der Kläger verweist darauf, dass er noch nie Fremdgelder auf einem eigenen Konto verwahrt habe, dass er seine Kontoverbindung nur der Landesjustizkasse zur Auszahlung von Pflichtverteidigerhonoraren und Prozesskostenhilfe bekannt gegeben habe und dass er beabsichtige, seine Tätigkeit als Einzelanwalt aufzugeben und eine Festanstellung zu suchen. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 15; vom 21. Februar 2018 - AnwZ (Brfg) 72/17, juris Rn. 12; vom 5. März 2018 - AnwZ (Brfg) 52/17, juris Rn. 8). Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2017, aaO Rn. 17 mwN).

2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) liegt ebenfalls nicht vor. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, juris Rn. 21 mwN). Dazu hat der Kläger nichts gesagt.

3. Besondere tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten weist die Rechtssache nicht auf (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt (BGH, Beschluss vom 17. März 2016 - AnwZ (Brfg) 6/16, juris Rn. 5 mwN). Das ist hier nicht der Fall.

4. Die Klage auf Wiederzulassung ist unzulässig, weil bisher weder ein Antrag (§ 6 BRAO ) noch eine ablehnende Entscheidung der Beklagten vorliegt und auch das erforderliche Vorverfahren (§ 68 VwGO ) nicht durchgeführt worden ist.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Baden-Württemberg, vom 19.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen AGH 28/17 II