Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 20.12.2018

IX ZR 81/16

Normen:
AnfG § 17 Abs. 1

Fundstellen:
NZI 2019, 191

BGH, Beschluss vom 20.12.2018 - Aktenzeichen IX ZR 81/16

DRsp Nr. 2019/858

Duldung der Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen nach dem Anfechtungsgesetz

Tenor

Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats vom 17. Mai 2018 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Normenkette:

AnfG § 17 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte nach dem Anfechtungsgesetz auf Duldung der Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen in Anspruch. Die Beklagte ist die Tochter von D. und J. F. . Mit notariellem Vertrag vom 4. August 2005 übertrug D. F. an die Beklagte zwei Grundstücke. Der Vertrag wurde im April 2010 zum Vollzug beim Grundbuchamt eingereicht. Im August 2011 übertrug D. F. an die Beklagte zwei Eigentumswohnungen. Die Klägerin erwirkte ein rechtskräftiges Urteil vom 9. Juni 2011, mit dem J. F. und "J. Consulting, Inhaberin D. F. " zur Zahlung von 893.146 € nebst Zinsen verurteilt wurden. Die Vollstreckung aus dem Urteil erbrachte nur rund 50.000 €.

Wegen der titulierten Forderung verlangt die Klägerin von der Beklagten die Duldung der Zwangsvollstreckung in die Grundstücke und Eigentumswohnungen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht durch Beschluss zurückgewiesen, der ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. April 2016 zugestellt worden ist. Mit ihrer am 26. April 2016 eingegangenen Beschwerde erstrebt die Beklagte die Zulassung der Revision, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen will. Die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist bis zum 22. September 2016 verlängert worden. Die Begründung ist am 14. September 2016 eingegangen, am 13. Dezember 2016 hat die Klägerin darauf erwidert. Am 28. April 2017 ist über das Vermögen der D. F. das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Ohne Kenntnis hiervon hat der Senat mit Beschluss vom 17. Mai 2018 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen. Der zurückweisende Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten laut Empfangsbekenntnis am 23. Mai 2018 zugegangen. Am 8. Juni 2018 hat die Beklagte gegen den Beschluss vom 17. Mai 2018 Gegenvorstellung eingelegt. Sie beantragt,

den Beschluss aufzuheben, hilfsweise dessen Wirkungslosigkeit festzustellen, weil der Beschluss während der Verfahrensunterbrechung gemäß § 17 Abs. 1 AnfG ergangen sei.

II.

Die Gegenvorstellung der Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Es kann dahinstehen, ob die Gegenvorstellung überhaupt statthaft und ob sie fristgerecht eingelegt worden ist. Sie ist jedenfalls in der Sache nicht begründet.

Die Gegenvorstellung ist begründet, wenn die angegriffene Entscheidung greifbar gesetzwidrig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2002 - IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133 , 135 ff; vom 21. April 2004 - XII ZB 279/03, BGHZ 159, 14 , 18; BFHE 211, 13 Rn. 6; BFH/NV 2010, 226 Rn. 6). Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Beschluss vom 17. Mai 2018 war nicht gesetzwidrig. Zwar darf das Gericht grundsätzlich keine Entscheidung zur Hauptsache mehr treffen, wenn das Verfahren unterbrochen ist (BGH, Urteil vom 29. Januar 1976 - IX ZR 28/73, BGHZ 66, 59 , 61 f mwN; Beschluss vom 22. Dezember 2016 - IX ZR 259/15, WM 2017, 925 Rn. 3). Ist aber wie im Fall der Nichtzulassungsbeschwerde keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben, so kann in entsprechender Anwendung von § 249 Abs. 3 ZPO eine Entscheidung auch während der Unterbrechung des Verfahrens ergehen, wenn keine Fristen mehr laufen, alle erforderlichen Prozesshandlungen vor Eintritt der Unterbrechung vorgenommen worden sind, der Beschwerdeführer wegen des Ablaufs der Begründungsfrist (§ 544 Abs. 2 ZPO ) vor Eintritt der Unterbrechung mit weiterem Vortrag zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ausgeschlossen ist und durch die Zustellung der Entscheidung keine Frist in Lauf gesetzt wird (BFH/NV 2015, 1252 Rn. 10; Prütting/Gehrlein/Anders, ZPO , 10. Aufl., § 249 Rn. 9). So liegt der Fall hier.

2. Die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 27. November 2003 ( VII B 236/02, BFH/NV 2004, 366 ), vom 26. Juni 2009 ( V B 23/08, BFH/NV 2009, 1819 ), vom 24. November 2010 ( IV B 136/08, BFH/NV 2011, 613 ) und vom 22. November 2012 ( III B 73/11, BFH/NV 2013, 246 ) geben keinen Anlass für eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach dem Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl. I S. 661 ; fortan: RsprEinhG ). Eine Divergenz liegt nicht vor.

Die Vorlagepflicht setzt die Abweichung in einer Rechtsfrage voraus (§ 2 Abs. 1 RsprEinhG ). Dieselbe Rechtsfrage liegt immer dann vor, wenn wegen der Gleichheit des Rechtsproblems die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Fälle oder der anwendbaren Vorschriften nur einheitlich ergehen kann (BVerfG, NStZ 1993, 90 , 91; wistra 2009, 307 , 309; MünchKomm-StPO/Cierniak/Pohlit, § 132 GVG Rn. 11). Ein Rechtssatz, den ein Revisionsgericht zur Beurteilung des ihm unterbreiteten Falles aufgestellt hat, gilt für andere Fälle nur, wenn diese der entschiedenen Sache in den wesentlichen Beziehungen gleichkommen (BVerfG, NStZ 1993, 90 , 91), das heißt wenn die Sachverhalte lediglich nicht rechtserhebliche Unterschiede aufweisen (BGH, Beschluss vom 24. April 1986 - 2 StR 565/85, BGHSt 34, 71 , 76). Eine Entscheidung des Revisionsgerichts kann nur eine Antwort auf den zu entscheidenden Fall geben; dieser bestimmt auch da, wo es dem Revisionsgericht nicht gelingt, sich in seiner Ausdrucksweise auf ihn zu beschränken, die Tragweite der Entscheidung für künftige Fälle (BVerfG, NStZ 1993, 90 , 91; BGH, aaO mwN; MünchKomm-StPO/Cierniak/Pohlit, aaO).

Der Bundesfinanzhof hat nicht über dieselbe Rechtsfrage entschieden, die der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegt. Zwar heißt es in den Gründen seiner Beschlüsse jeweils, eine in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung erlassene Entscheidung sei ohne rechtliche Wirkung und aus Gründen der Rechtsklarheit aufzuheben. Dieser allgemein formulierte Rechtssatz ist aber unter der unausgesprochenen Voraussetzung zu verstehen, dass die Entscheidung wegen der Verfahrensunterbrechung unzulässig war, nicht - wie hier - trotz der Unterbrechung ausnahmsweise zulässig. Denn weder den Beschlussgründen noch den jeweils vorangegangenen Entscheidungen über die Nichtzulassungsbeschwerden (BFH/NV 2003, 1208 ; 2009, 801 ; 2010, 918; 2012, 1825) ist zu entnehmen, dass der Bundesfinanzhof über einen Fall entschieden hat, in dem - wie hier - die Voraussetzungen vorlagen, unter denen ausnahmsweise in einem unterbrochenen Verfahren noch eine Entscheidung erlassen werden darf. Ob eine solche Ausnahme vorliegt oder nicht, ist rechtserheblich. Ihre Möglichkeit ist auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anerkannt (BFH/NV 2007, 2118 Rn. 6; 2015, 1252 Rn. 10; 2017, 917 Rn. 12).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: LG München I, vom 28.05.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 6 O 23221/14
Vorinstanz: OLG München, vom 13.04.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 5 U 2409/15
Fundstellen
NZI 2019, 191