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BGH - Entscheidung vom 10.01.2018

XII ZB 451/17

Normen:
FamFG § 61 Abs. 1
JVEG § 20
FamFG § 61 Abs. 1
JVEG § 20
FamFG § 61 Abs. 1
JVEG § 20

Fundstellen:
FamRB 2018, 234
FamRZ 2018, 445
FuR 2018, 194
MDR 2018, 357

BGH, Beschluss vom 10.01.2018 - Aktenzeichen XII ZB 451/17

DRsp Nr. 2018/1930

Bewertung des vom Auskunftspflichtigen aufzuwendenden Zeitaufwands bei einer Verurteilung zur Auskunft; Statthaftigkeit der Beschwerde in vermögensrechtlichen Angelegenheiten

JVEG § 20 Zur Bewertung des vom Auskunftspflichtigen aufzuwendenden Zeitaufwands ist auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufstypische Leistung erbringt noch einen Verdienstausfall erleidet. Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass die zur Auskunftserteilung erforderlichen Tätigkeiten in der Freizeit erbracht werden können (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. August 2017 - XII ZB 429/16 - FamRZ 2017, 1947 ).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 27. Juli 2017 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.

Wert: bis 500 €

Normenkette:

FamFG § 61 Abs. 1 ; JVEG § 20 ;

Gründe

I.

Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. In einem Ehevertrag hatten sie nachehelichen Unterhalt ausgeschlossen, welcher jedoch - begrenzt auf monatlich 1.555 € - dann wiederaufleben sollte, wenn die Ehefrau ihre Arbeitsstelle verlöre. Nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Ehefrau mit Wirkung zum 31. Juli 2016 verlangt sie nachehelichen Unterhalt, wobei sie die ehevertragliche Unterhaltsbegrenzung für unwirksam hält.

Das Familiengericht hat den Ehemann durch Teilbeschluss antragsgemäß zur Erteilung näher spezifizierter Auskünfte über sein Einkommen und Vermögen unter Vorlage entsprechender Belege verpflichtet. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Ehemanns hat das Beschwerdegericht verworfen; hiergegen wendet er sich mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Die gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG , §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Ehemann insbesondere nicht in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten nach ständiger Rechtsprechung, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2016 - XII ZB 134/15 - FamRZ 2017, 368 Rn. 4 mwN). Weiterhin liegt die behauptete Verletzung des Rechts des Ehemanns auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG nicht vor.

2. Gemäß § 61 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde in vermögensrechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € übersteigt. Die Begründung des Beschwerdegerichts, die Beschwer des Antragsgegners liege unter 600 €, weil bei einer Verurteilung zur Auskunft auf den Zeitaufwand für die Erfüllung des Anspruchs abzustellen sei, der hier unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 3,50 € nach § 20 JVEG jedenfalls unter 600 € liege, bewegt sich im Rahmen der Rechtsprechung des Senats. Dabei kann der dem Beschwerdegericht bei der Bemessung der Beschwer eingeräumte Ermessensspielraum im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob es die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (Senatsbeschluss vom 8. März 2017 - XII ZB 471/16 - FamRZ 2017, 982 Rn. 6 mwN). Derartige Ermessensfehler liegen hier nicht vor.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bemisst sich die Beschwer eines zur Auskunft verpflichteten Beteiligten nach seinem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei kommt es auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der Auskunft erfordert (Senatsbeschluss vom 8. März 2017 - XII ZB 471/16 - FamRZ 2017, 982 Rn. 5; BGHZ - GSZ - 128, 85, 87 ff. = FamRZ 1995, 349 , 350 f.).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist nichts dagegen zu erinnern, dass das Beschwerdegericht den Zeitaufwand des Antragstellers entsprechend der Regelung des § 20 JVEG über die Entschädigung von Zeugen bewertet und dabei den dort festgelegten Stundensatz von 3,50 € herangezogen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist zur Bewertung des vom Auskunftspflichtigen aufzuwendenden Zeitaufwands grundsätzlich auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufstypische Leistung erbringt noch einen Verdienstausfall erleidet. Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass die zur Auskunftserteilung erforderlichen Tätigkeiten in der Freizeit erbracht werden können. Der Auskunftspflichtige, der in Abweichung hiervon behauptet, dass ihm dies nicht möglich sei, hat die Gründe hierfür im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. August 2017 - XII ZB 429/16 - FamRZ 2017, 1947 Rn. 11). Solche Gründe hat der Antragsteller indessen nicht dargelegt.

Soweit der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung eine höhere Stundenvergütung nach § 22 JVEG in Betracht gezogen hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. März 2012 - XII ZB 420/11 - juris Rn. 10 mwN; vom 2. April 2014 - XII ZB 486/12 - FamRZ 2014, 1012 Rn. 17; vom 14. Mai 2014 - XII ZB 487/13 - FamRZ 2014, 1286 Rn. 11; vom 2. Juli 2014 - XII ZB 219/13 - FamRZ 2014, 1445 Rn. 7 f. und vom 26. Oktober 2016 - XII ZB 134/15 - FamRZ 2017, 368 Rn. 5), handelte es sich dabei um Fälle, in denen nach den getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Auskunftspflichtige mit der Auskunftserteilung eine berufstypische Leistung erbringt oder einen Verdienstausfall erleidet, und deshalb rechtsbeschwerderechtlich der höhere Vergütungssatz in Betracht gezogen werden musste. Für das vorliegende Verfahren lässt sich daraus nichts herleiten.

b) Zutreffend ist das Beschwerdegericht auch davon ausgegangen, dass es der Hinzuziehung eines Steuerberaters für die Erteilung der geforderten Auskunft nicht bedarf. Die Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können bei der Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nämlich nur berücksichtigt werden, wenn und soweit sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist (Senatsbeschluss vom 19. Juli 2017 - XII ZB 66/17 - NZFam 2017, 864 Rn. 11 mwN). Das ist hier jedoch nicht der Fall.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Befassung eines Steuerberaters insbesondere nicht erforderlich, um Erläuterungsberichte zur Bilanz nachzufertigen, deren Vorlage dem Ehemann im Rahmen seiner Belegpflicht aufgegeben sei. Das Familiengericht hat den Ehemann insoweit nämlich nur verpflichtet, die Auskünfte "unter Vorlage der Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzerläuterungen" zu erteilen. Wenn das Beschwerdegericht den Tenor dahin versteht, dass der Ehemann die diesbezüglichen Unterlagen vorzulegen, nicht aber herzustellen hat, begegnet diese Auslegung des Tenors keinen rechtlichen Bedenken. Das ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass das Familiengericht in dem entsprechenden Tenor den bestimmten Artikel verwendet hat: "Vorlage der Bilanzen nebst ... Bilanzerläuterungen", wohingegen es im Tenor unter lit. b) "Vorlage eines vollständigen Auszuges über die Sachkonten und Bewirtungskosten" heißt, was darauf hindeutet, dass diese Unterlagen, sofern nicht bereits vorhanden, zur Erfüllung der Auskunft neu erstellt werden müssen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 16. August 2017 - XII ZB 429/16 - FamRZ 2017, 1947 Rn. 12).

c) Schließlich ergibt sich kein den Mindestbeschwerdewert übersteigender Aufwand daraus, dass professionelle Hilfe erforderlich sei, um eine Bewertung seiner jeweiligen Unternehmensbeteiligungen zu erstellen. Dem Ehemann ist insoweit nur aufgegeben worden, Auskunft über sein Vermögen durch ein Bestandsverzeichnis und Vorlage entsprechender Belege zu erteilen. Das beinhaltet keine Verpflichtung zur Wertermittlung seiner Unternehmensbeteiligungen, sondern nur zu deren Auflistung unter Beifügung insoweit vorhandener Belege wie etwa Gesellschafterlisten und Jahresabschlüsse (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Mai 2012 - XII ZB 594/11 - juris Rn. 8 und vom 14. Mai 2014 - XII ZB 487/13 - FamRZ 2014, 1286 Rn. 14).

Dass der Ehemann sachkundiger Hilfe angesichts eines außergewöhnlichen Umfangs seiner Unternehmensbeteiligungen und seines sonstigen Vermögens bedürfe, wie es der Senat etwa in einem Fall solcher Vermögenswerte von mehr als 30 Mio. € angenommen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Januar 2009 - XII ZB 146/08 - FamRZ 2009, 594 Rn. 12), ist weder ersichtlich noch dargelegt.

Vorinstanz: AG Aachen, vom 21.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 222 F 226/16
Vorinstanz: OLG Köln, vom 27.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 10 UF 53/17
Fundstellen
FamRB 2018, 234
FamRZ 2018, 445
FuR 2018, 194
MDR 2018, 357