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BGH - Entscheidung vom 21.03.2018

2 StR 408/17

Normen:
BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3
BtMG § 30a Abs. 1
BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2
StPO § 261

BGH, Urteil vom 21.03.2018 - Aktenzeichen 2 StR 408/17

DRsp Nr. 2018/6041

Beweiswürdigung hinsichtlich der Herkunft der im Pkw, in der Wohnung und im Keller sichergestellten Drogen aus derselben Menge i.R.d. Erwerbs durch ein Ankaufsgeschäft als eine Tat

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 27. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 ; BtMG § 30a Abs. 1 ; BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2 ; StPO § 261 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen richtet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel ist erfolgreich und führt zur Aufhebung des Urteils.

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte wurde am 19. Mai 2016 von Polizeibeamten in seinem Pkw angetroffen. Im Fahrzeug fanden die Beamten 5,04 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 4,32 Gramm Kokainhydrochlorid sowie 94,56 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 11,44 Gramm THC, die der Angeklagte zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt hatte. Der Angeklagte trug - wie er es "immer" tat - griffbereit an seinem Gürtel ein Messer mit einer feststehenden Klinge von 7,5 Zentimeter Länge. Die Waffe diente nach seiner Vorstellung dazu, sich und seine Drogengeschäfte zu sichern.

Am selben Tag lagerte der Angeklagte an verschiedenen Stellen im Schlaf- und Wohnzimmer seiner Wohnung sowie in dem von ihm genutzten Kellerraum diverse Betäubungsmittel in unterschiedlichen Mengen und Verpackungen, die er zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt hatte. Insgesamt handelte es sich um 13,86 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 11,89 Gramm Kokainhydrochlorid, 1.353 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffanteil von 197,32 Gramm Amphetaminbase, 3.178 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 390,28 Gramm THC, 1.857 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffanteil von 149,48 Gramm THC und 180 Ecstacy-Tabletten. Darüber hinaus befand sich im Wohnzimmer eine Dose mit 52,45 Gramm Amphetamin zum Eigengebrauch. Im Kleiderschrank des Schlafzimmers, in dem der Angeklagte fünf Beutel Amphetamin lagerte, befand sich eine Kunststoffbox mit 19 Messern.

2. Das Landgericht ist "mangels anderer konkreter Anhaltspunkte" zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass die zum Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel jeweils aus denselben Mengen stammten und vom Angeklagten bei demselben Dealer gleichzeitig zum Zweck der sukzessiven Weiterveräußerung erworben worden seien. Es hat daher nur eine Tat des bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln angenommen.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, da die Annahme des Landgerichts, es liege nur eine Tat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vor, rechtlicher Nachprüfung nicht standhält. Auf die Verfahrensrüge kommt es daher nicht an.

1. Die Beweiswürdigung ist originäre Sache des Tatrichters (§ 261 StPO ). Allein ihm obliegt es, die Ergebnisse der Hauptverhandlung festzustellen und abschließend zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen müssen nicht zwingend sein. Es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Das Revisionsgericht hat die Beweiswürdigung des Tatrichters selbst dann hinzunehmen, wenn eine anderweitige Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 StR 371/13, juris Rn. 9; Urteil vom 24. März 2015 - 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178 , 179). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich so weit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 - 1 StR 360/16, BeckRS 2017, 104320; Urteil vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12, NStZ 2013, 420 , 421 mwN). Eine Lücke in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn sich das Tatgericht mit tatsächlich vorhandenen Anhaltspunkten für nahe liegende andere Möglichkeiten nicht auseinandergesetzt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - 1 StR 385/16 mwN). Der vom Landgericht herangezogene Zweifelssatz greift erst nach abgeschlossener Beweiswürdigung ein und besagt nicht, dass das Tatgericht von der dem Angeklagten günstigsten Fallgestaltung auch dann ausgehen muss, wenn hierfür keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. September 2016 - 4 StR 320/16, NStZ-RR 2016, 380 , 381 mwN).

2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen ist, dass die im Pkw, in der Wohnung und im Keller sichergestellten Drogen jeweils aus derselben Menge stammten und vom Angeklagten im Rahmen nur eines Ankaufsgeschäfts erworben worden, lücken- und damit rechtsfehlerhaft.

Entgegen der Auffassung der Strafkammer lagen konkrete Anhaltspunkte vor, die gegen diese Annahme sprachen und der Erörterung bedurft hätten. So hat das Landgericht nicht berücksichtigt, dass es sich um fünf verschiedene Arten Betäubungsmittel handelte, die an unterschiedlichen Orten und in verschiedenen Behältnissen und Mengen aufgefunden wurden. Dabei wiesen die räumlich und nach Verpackung getrennt aufbewahrten Mengen Amphetamin und Haschisch signifikant unterschiedliche Wirkstoffgehalte auf. Auch die Wirkstoffgehalte des aufgefundenen Marihuanas differierten voneinander, wenn auch nur geringfügig. Lediglich das im Fahrzeug aufgefundene Kokain und eine der drei im Kellerraum aufgefundenen Haschischplatten entsprachen im Wirkstoffgehalt dem in der Wohnung sichergestellten Kokain bzw. Haschisch. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei Berücksichtigung dieser Umstände zu der Überzeugung gelangt wäre, dass die Betäubungsmittel aus mindestens zwei unterschiedlichen Erwerbsvorgängen stammen.

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet im Übrigen allein der Umstand, dass der Angeklagte aus mehreren selbständigen Einkäufen stammende Betäubungsmittel zeitgleich bei sich gelagert hat, keine Bewertungseinheit und wäre nicht geeignet, die selbständigen Taten des Handeltreibens zu Tateinheit zu verklammern (vgl. Senat, Beschluss vom 21. August 2012 - 2 StR 277/12, NStZ 2013, 48 ; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG , 8. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 316 mwN). Da nach den Feststellungen die Grenze zur nicht geringen Menge im Sinne des § 30a Abs. 1 BtMG nicht erst durch eine Zusammenfassung der Betäubungsmittelmengen, sondern bereits bei mehreren der sichergestellten Einzelmengen jeweils um ein Vielfaches überschritten war, hat sich die rechtsfehlerhafte Annahme (nur) einer Tat nur zugunsten und nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt.

4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Sollte sich dem neuen Tatrichter der Sachverhalt zur objektiven Tatseite in seinen wesentlichen Elementen ebenso darstellen, wie er im angefochtenen Urteil festgestellt ist, und er dazu gelangen, dass mehrere selbständige Taten des unerlaubten Handeltreibens vorliegen, wird er für die Frage der Anwendung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auf weitere Fälle im Hinblick auf die zutreffenden Erwägungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts insbesondere zu berücksichtigen haben, dass der Angeklagte den Dolch "immer" trug, es sich bei den 19 im Schlafzimmer aufbewahrten Messern des Angeklagten nur zum Teil um Wurfmesser handelten und sich am "Walther-Einhandmesser" Betäubungsmittelanhaftungen befanden.

b) Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Tatbestandsvariante des Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG ) um einen Auffangtatbestand handelt, der nur zur Anwendung kommt, wenn andere Begehungsweisen nicht nachgewiesen werden können (BGH, Beschluss vom 6. September 1988 - 1 StR 466/88, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 3), wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte bezüglich der von ihm zum Eigenkonsum gekauften Betäubungsmittel wegen Erwerbs gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG strafbar gemacht hat.

c) Im Rahmen der neu zu treffenden Einziehungsentscheidung wird zu beachten sein, dass nach ständiger Rechtsprechung einzuziehende Gegenstände so genau angegeben werden müssen, dass bei allen Beteiligten und den Vollstreckungsorganen Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht. Bei der Einziehung von Betäubungsmitteln gehört dazu auch die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 1991 - 1 StR 719/91, BGHR BtMG § 33 Beziehungsgegenstand 2).

5. Einen durchgreifenden Rechtsfehler, der sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, enthält das angefochtene Urteil nicht (§ 301 StPO ). Soweit die Strafkammer einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG , nicht aber nach § 29a Abs. 2 BtMG angenommen und von einem Strafrahmen von einem Jahr bis fünfzehn Jahren ausgegangen ist, entspricht dies zwar nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02, NJW 2003, 1679 , 1680; Beschluss vom 1. April 2009 - 1 StR 79/09, NStZ-RR 2009, 214 ; Beschluss vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98 , 99). Im Hinblick auf die von der Strafkammer angestellten Strafzumessungserwägungen schließt der Senat aber aus, dass diese auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte, wenn sie von einer Strafobergrenze von zehn statt fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen wäre.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Wiesbaden, vom 27.02.2017