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BGH - Entscheidung vom 05.06.2018

XI ZR 388/16

Normen:
WpHG a.F. § 37a
WpHG § 131

BGH, Beschluss vom 05.06.2018 - Aktenzeichen XI ZR 388/16

DRsp Nr. 2018/9058

Beratungspflichtverletzung aufgrund des Verschweigens eines anfänglichen negativen Marktwerts; Inanspruchnahme aus Swap-Verträgen; Verjährung eines möglichen Schadensersatzsanspruchs wegen einer fehlerhaften Beratung

Behauptet der Kläger eine vorsätzliche Pflichtverletzung der beratenden Bank und beruft sich die beklagte Bank darauf, der Anspruch sei nach § 37a WpHG aF verjährt, weil sie nicht vorsätzlich gehandelt habe, trägt die Darlegungs- und Beweislast für vorsätzliches Handeln nicht der geschädigte Anleger. Vielmehr muss die Bank beweisen, dass sie die Pflichtverletzung nicht vorsätzlich begangen hat.

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 6. Juli 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin betreffend den Currency Related Swap vom 2. Februar 2006 Nr. XXX , den Cross Currency Swap vom 22. März 2007 Nr. XXX und den Currency Related Swap vom 14. April 2008 Nr. XXX unter dem Aspekt einer anderen Pflichtverletzung als der unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 19. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Streitwert: bis 23.850.000 €

Normenkette:

WpHG a.F. § 37a; WpHG § 131 ;

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung und Feststellung aus Swap-Verträgen in Anspruch.

Die Parteien schlossen im Januar 2003 einen "Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte". Auf der Grundlage dieses Rahmenvertrags schlossen sie zahlreiche Swap-Geschäfte, die nur zum Teil Gegenstand des Rechtsstreits sind.

Unter anderem übergab die Beklagte der Klägerin anlässlich einer Präsentation am 18. Januar 2006 einen "Flyer", der sich zu einem Currency-Related-Swap-Vertrag als "Optimierung ohne Währungsrisiko (alle Zahlungen in Euro)" verhielt. Am 2. Februar 2006 vereinbarten die Parteien einen Currency-Related-Swap-Vertrag Nr. (künftig: CRS I) mit einer Laufzeit vom 6. Februar 2006 bis zum 8. Februar 2016 und einem Bezugsbetrag von 10 Mio. €. Die Beklagte verpflichtete sich zur jeweils halbjährlichen Zahlung von Zinsen in Höhe des 6-Monats-EUR-EURIBOR-Telerate zuzüglich eines Spreads in Höhe von 0,98% p.a. Die Klägerin übernahm für den Fall, dass für den jeweiligen Berechnungszeitraum der CHF/EUR-Wechselkurs am Feststellungstag höher oder gleich 1,41 festgestellt wurde, die Verpflichtung, halbjährlich Zinsen in Höhe des 6-Monats-EUR-EURIBOR-Telerate zu zahlen. Falls für den jeweiligen Berechnungszeitraum der CHF/EUR-Wechselkurs am Feststellungstag geringer als 1,41 festgestellt wurde, sollte die Klägerin den 6-Monats-EUR-EURIBOR-Telerate zuzüglich eines Spreads von (1,41 - aktueller Kurs) / aktueller Kurs x 100 zahlen. Der CRS I wurde zum 15. April 2010 vorzeitig mit einem negativen Saldo zulasten der Klägerin in Höhe von 1.426.200 € aufgelöst.

Aufgrund eines Beratungsgesprächs vom selben Tag schlossen die Parteien am 22. März 2007 einen Cross-Currency-Swap-Vertrag Nr. (künftig: CCS) mit einer Laufzeit vom 26. März 2007 bis zum 26. März 2012. Die Klägerin verpflichtete sich, auf einen Bezugsbetrag in Höhe von 4,8 Mio. CHF vierteljährlich einen Zins in Höhe des 3-Monats-CHF-LIBOR-BBA zu zahlen. Die Beklagte übernahm die Verpflichtung, auf einen Bezugsbetrag in Höhe von 2.012.831,80 GBP einen vierteljährlichen Zins in Höhe des 3-Monats-GBP-LIBOR-BBA abzüglich eines Spreads von 0,325% p.a. zu zahlen. Am Ende der Laufzeit sollte die Klägerin den Bezugsbetrag von 4,8 Mio. CHF gegen den Bezugsbetrag von 2.012.831,80 GBP zahlen. Außerdem war eine Regelung für den Fall vorgesehen, dass die variablen Sätze negativ würden. Die Abrechnung des CCS nach Ende der Laufzeit ergab zulasten der Klägerin einen Saldo in Höhe von 1.411.547,07 €.

Auf der Grundlage eines Beratungsgesprächs vom 8. April 2008 vereinbarten die Parteien am 14. April 2008 einen "In-Arrears-Zinssatz-Swap mit Währungskomponente" Nr. XXX (künftig: CRS II) mit einer Laufzeit vom 16. April 2008 bis zum 16. April 2018. Die Beklagte verpflichtete sich, halbjährlich zu den Fälligkeitstagen auf einen Bezugsbetrag von 3 Mio. € einen variablen Zinssatz in Höhe des 6-Monats-EUR-EURIBOR-Reuters zuzüglich eines Spreads von 1,5% p.a. an die Klägerin zu zahlen. Die Klägerin übernahm die Verpflichtung, zu den halbjährlichen Fälligkeitstagen aus demselben Bezugsbetrag den 6-Monats-EUR-EURIBOR-Reuters zu zahlen. Sollte für den jeweiligen Berechnungszeitraum der CHF/EUR-Wechselkurs kleiner 1,4600 sein, hatte die Klägerin zusätzlich einen Betrag in Höhe von (1,4600 - aktueller Kurs) / aktueller Kurs x 100 zu zahlen. Der CRS II entwickelte sich während seiner Laufzeit für die Klägerin verlustreich.

Wegen der zulasten der Klägerin deutlich negativen Entwicklung schlossen die Parteien auf der Grundlage einer Präsentation vom 12. April 2010 am 15. April 2010 einen Currency-Related-Swap-Vertrag Nr. XXX (künftig: CRS III) mit einer Laufzeit vom 19. April 2010 bis zum 20. April 2020. Die Beklagte verpflichtete sich, halbjährlich zu den Fälligkeitstagen aus einem Bezugsbetrag von 10 Mio. € einen variablen Zinssatz in Höhe des 6-Monats-EUR-EURIBOR-Reuters zuzüglich eines Spreads von 1,0% p.a. zu zahlen. Außerdem preiste sie den zulasten der Klägerin negativen Saldo aus dem CRS I in Höhe von 1.349.500 € ein. Die Klägerin verpflichtete sich, halbjährlich zu den Fälligkeitstagen aus demselben Bezugsbetrag den 6-Monats-EUR-EURIBOR-Reuters an die Beklagte zu bezahlen. Sollte für den jeweiligen Berechnungszeitraum der CHF/EUR-Wechselkurs kleiner als 1,335 sein, hatte die Klägerin zusätzlich einen Betrag in Höhe von (1,335 - aktueller Kurs) / aktueller Kurs x 100 zu zahlen. Auch der CRS III entwickelte sich während seiner Laufzeit für die Klägerin deutlich negativ.

Die Klägerin behauptet, von der Beklagten im Vorfeld der Vertragsschlüsse fehlerhaft beraten worden zu sein.

Die am 29. Dezember 2011 anhängig gemachte und am 8. Februar 2012 zugestellte Klage auf Zahlung und Feststellung, mit der die Klägerin die Verletzung einer anleger- und objektgerechten Beratung und eine pflichtwidrig unterlassene Aufklärung über das Einpreisen einer Bruttomarge geltend gemacht hat, hat das Landgericht abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der sie zuletzt beantragt hat, die Beklagte zur Zahlung von 11.463.671,30 € nebst Zinsen zu verurteilen, festzustellen, dass der Beklagten aus dem CRS II und CRS III keine Ansprüche gegen die Klägerin zustehen, festzustellen, dass die Beklagte zum Ersatz künftiger Schäden aus den vier Swap-Verträgen verpflichtet sei, und die Beklagte zur Zahlung bzw. Freistellung von vorgerichtlich verauslagten Anwaltskosten zu verurteilen, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - soweit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - ausgeführt:

Ansprüche der Klägerin aus dem CRS I, CCS und CRS II seien nach § 37a WpHG in der bis zum 4. August 2009 geltenden Fassung (künftig: aF) in Verbindung mit - jetzt - § 131 WpHG verjährt, weil davon auszugehen sei, die Beklagte habe nicht vorsätzlich gehandelt.

Soweit die Klägerin eine Beratungspflichtverletzung wegen des Verschweigens des anfänglichen negativen Marktwerts geltend mache, sei die Vorsatzvermutung widerlegt.

Auch ansonsten seien "vorsätzliche Beratungsfehler der Beklagten nicht dargetan". Zwar habe grundsätzlich die Beklagte den fehlenden Vorsatz darzulegen und nachzuweisen. Da der Beklagten aber ein "Negativbeweis" abverlangt werde, obliege es "zunächst der Klägerin, schlüssige Tatsachen bzw. Indizien für eine vorsätzliche Falschberatung vorzutragen", die die Beklagte dann zu widerlegen habe. "Die bloße Behauptung objektiver Beratungsfehler" genüge dem nicht; denn hieraus ergebe "sich nicht schlüssig, dass der Fehler vorsätzlich begangen" worden sei. Ein diesen Anforderungen entsprechender Vortrag sei der Klägerin nicht gelungen. Kein Indiz für eine vorsätzliche Falschberatung sei ein eigennütziges Handeln der Beklagten oder eine frühere Vereinbarung zwischen den Parteien, die Klägerin solle "nur Termingeschäfte zur Zinssicherung abschließen". Eine Äußerung des Chefsyndikus' der Beklagten "in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung" oder das Geschäftsgebaren der Beklagten bei Abschluss des CRS III im Jahr 2010 ließen nicht auf ein vorsätzliches Handeln in den Jahren 2006 bis 2008 schließen.

Nicht verjährt seien zwar Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz wegen einer fehlerhaften Beratung vor Abschluss des CRS III. Insoweit fehle es aber an der Ursächlichkeit einer Falschberatung für einen Schaden der Klägerin.

Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. In dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang ist die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135 , 139 f. und vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09, BKR 2010, 515, 516). Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es die Anforderungen an die Substantiierung des klägerischen Vortrags zu einer vorsätzlichen Pflichtverletzung der Beklagten überdehnt hat. Aus demselben Grund ist das Berufungsurteil in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der auch und gerade im Anwendungsbereich des § 544 Abs. 7 ZPO bestehenden Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht (Senatsbeschluss vom 1. April 2014 - XI ZR 171/12, BKR 2014, 295 Rn. 6).

1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Dabei darf das Gericht die Anforderungen an die Substantiierung des Parteivortrags nicht überspannen. Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften, verstößt sie gegen Art. 103 Abs. 1 GG , wenn sie offenkundig unrichtig ist (BGH, Beschlüsse vom 12. Juni 2008 - V ZR 221/07, WM 2008, 2068 Rn. 5 und vom 11. September 2013 - IV ZR 259/12, NJW 2014, 149 Rn. 15; vgl. auch BVerfG NJW 2001, 1565 ).

2. Nach diesen Maßgaben ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

a) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 532/14, WM 2015, 2279 Rn. 14 mwN).

Behauptet der Kläger eine vorsätzliche Pflichtverletzung der beratenden Bank und beruft sich die beklagte Bank darauf, der Anspruch sei nach § 37a WpHG aF verjährt, weil sie nicht vorsätzlich gehandelt habe, trägt die Darlegungs- und Beweislast für vorsätzliches Handeln nicht der geschädigte Anleger, der sich insoweit auf § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen kann. Vielmehr muss die Bank beweisen, dass sie die Pflichtverletzung nicht vorsätzlich begangen hat (Senatsurteile vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 74, vom 22. März 2016 - XI ZR 93/15, WM 2016, 827 Rn. 23 sowie vom 26. Juli 2016 - XI ZR 351/14, juris Rn. 27, - XI ZR 352/14, BKR 2017, 83 Rn. 24 und - XI ZR 353/14, juris Rn. 27).

b) Daran gemessen hat das Berufungsgericht die Anforderungen an das Vorbringen der Klägerin - soweit die Verletzung einer anderen als der Verpflichtung zur Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert betreffend - offenkundig überspannt.

Denn es ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, das Fehlen von Vorsatz stehe "zur Darlegungs- und Beweislast der Beklagten". Es hat dann aber mit dem Argument, der Beklagten werde ein "Negativbeweis" abverlangt, der Klägerin aufgegeben, "schlüssig Tatsachen bzw. Indizien für eine vorsätzliche Falschberatung vorzutragen", die "die Beklagte dann zu widerlegen" habe. Richtig hätte es vielmehr bis zum Beweis des Gegenteils von einem vorsätzlichen Handeln der Beklagten ausgehen müssen. Indem das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin als unzureichend substantiiert behandelt hat, hat es diese Grundsätze unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG grundlegend verkannt.

3. Das Berufungsurteil beruht auf der Gehörsverletzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (vgl. BVerfGE 7, 95 , 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 65, 305, 308; 89, 381, 392 f.). Dies ist der Fall, weil das Berufungsgericht seiner Entscheidung - soweit die ersten drei streitgegenständlichen Swap-Verträge und eine Verletzung einer anderen Verpflichtung als der zur Aufklärung über einen anfänglichen negativen Marktwert betreffend - keinen weiteren selbständig tragenden Gesichtspunkt zugrunde gelegt hat, der eine Haftung der Beklagten wegen einer Beratungspflichtverletzung ausschlösse.

III.

Im Übrigen weist der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zurück, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Vorinstanz: LG München I, vom 02.10.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 12 HKO 29003/11
Vorinstanz: OLG München, vom 06.07.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 7 U 3913/14