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BGH - Entscheidung vom 31.07.2018

4 StR 626/17

Normen:
StPO § 349 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 31.07.2018 - Aktenzeichen 4 StR 626/17

DRsp Nr. 2018/11506

Bemessung des Schmerzensgeldes i.R.d. Entschädigungsanspruchs durch Adhäsionsentscheidung

Ein Adhäsionsausspruch hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, wenn sich die Höhe des ausgeurteilten Betrages von dem in den Urteilsgründen bemessenen Betrag unterscheidet und sich dem Urteil nicht entnehmen lässt, woraof dieser Widerspruch beruht. Das Berufungsgericht ist daher nicht gehindert, den niedrigeren der beiden Beträge selbst festzusetzen.

Tenor

1.

Die Revision des Angeklagten K. gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 2. August 2017 wird als unbegründet verworfen.

2.

Auf die Revision des Angeklagten L. wird das vorgenannte Urteil im Adhäsionsausspruch dahin geändert bzw. ergänzt, dass

a)

der Angeklagte L. als Gesamtschuldner neben dem gesondert Verfolgten M. an die Adhäsionsklägerin B. ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 € zu zahlen hat,

b)

an die Stelle der Verurteilung zur Zahlung von 203,15 € nebst Zinsen der Ausspruch tritt: Der von der Adhäsionsklägerin B. erhobene Anspruch auf Schadensersatz für die Beschädigung/Zerstörung der Brille ist dem Grunde nach gerechtfertigt,

c)

eine Verpflichtung zum Ersatz der künftigen materiellen Schäden der Adhäsionsklägerin B. nur insoweit besteht, als die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind.

d)

im Übrigen auch insoweit von einer Entscheidung über die weiter gehenden Adhäsionsanträge abgesehen wird,

3.

Die weiter gehende Revision des Angeklagten L. wird als unbegründet verworfen.

4.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Der Angeklagte L. hat die beiden Nebenklägern durch sein Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen, der Angeklagte K. die dem Nebenkläger F. durch sein Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die durch dieses Verfahren entstandenen besonderen Kosten und die Auslagen der Adhäsionsklägerin B. hat der Angeklagte L. zu tragen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten L. unter Freispruch im Übrigen wegen gefährlicher Körperverletzung, wegen vorsätzlicher Körperverletzung und wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt, Maßregeln nach §§ 69 , 69a StGB angeordnet und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Den Angeklagten K. hat das Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten L. hat nur hinsichtlich der Adhäsionsentscheidung geringfügig Erfolg, die Revision des Angeklagten K. ist insgesamt unbegründet.

1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die von beiden Angeklagten erhobene Sachrüge hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO ). Hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten L. wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung entnimmt der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass der Zusammenstoß mit dem mit aufleuchtendem Haltesignal hinter dem Fahrzeug des Angeklagten L. stehenden Streifenwagen auf trunkenheitsbedingten Wahrnehmungsstörungen beruhte.

2. Der Adhäsionsausspruch hält der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.

a) Das Landgericht hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.200 € ausgeurteilt, dieses jedoch in den Urteilsgründen (UA S. 39) auf 1.000 € bemessen. Worauf dieser Widerspruch beruht, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Um ein offenkundiges Fassungsversehen handelt es sich nicht, weil den Zumessungserwägungen nicht zu entnehmen ist, dass der dort bezeichnete niedrigere Schmerzensgeldbetrag ohne jeden vernünftigen Zweifel von der Strafkammer so nicht ausgeurteilt werden sollte. Auszuschließen ist aber, dass das Landgericht einen niedrigeren als den in den Urteilsgründen genannten Betrag ausurteilen wollte. Der Senat ist deshalb nicht gehindert, den niedrigeren der beiden Beträge selbst festzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017 - 4 StR 31/17 mwN).

b) Widersprüchlich sind die Urteilsgründe auch insoweit, als auf UA S. 12 angegeben ist, dass die Brille der Adhäsionsklägerin B. bei der Tat zerstört wurde und die Kosten für die Neuanschaffung 239 € betrugen; auch in der Beweiswürdigung UA S. 26 wird hinsichtlich der Anschaffungskosten einer neuen Brille auf eine Optikerrechnung Bezug genommen. Auf UA S. 39 heißt es demgegenüber, die Adhäsionsklägerin habe einen Anspruch auf Zahlung von 203,15 € für die Reparaturkosten der Brille. Der Senat vermag diesen Widerspruch nicht aufzuklären. Sollte eine Neuanschaffung der Brille stattgefunden haben, wäre zudem möglicherweise ein Abzug "neu für alt" vorzunehmen gewesen (vgl. OLG Nürnberg, NJW-RR 2016, 593 , 598; OLG Braunschweig, Urteil vom 18. Dezember 2012 - 3 U 135/02, juris Rn. 26; Wenker, jurisPR-VerkR 22/2009 Anm. 2). Eine Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung allein über den Entschädigungsanspruch kommt nicht in Betracht (BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2010 - 4 StR 295/10, NStZ-RR 2012, 52 , 53; vom 8. November 2005 - 4 StR 321/05, BGHR StPO § 403 Anspruch 8 mwN). Bezüglich des Antrags auf Zubilligung von Schadensersatz für die Brille muss aber nicht insgesamt von einer Entscheidung abgesehen werden. Da eine Beschädigung der Brille bei der Tat den Urteilsgründen sicher zu entnehmen ist, kann der Ausspruch jedenfalls dem Grunde nach aufrechterhalten bleiben.

c) Die Adhäsionsentscheidung bedarf ferner der Ergänzung. Soweit das Landgericht den Angeklagten zum Ersatz der der Adhäsionsklägerin künftig entstehenden materiellen Schäden verurteilt hat, ist diese Entscheidung unter den im Hinblick auf § 116 SGB X bzw. § 86 VVG erforderlichen Vorbehalt zu stellen, dass eine Ersatzpflicht des Angeklagten nur insoweit besteht, als diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Versicherer übergegangen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. August 2009 - 4 StR 171/09 Rn. 8 und vom 25. November 2009 - 3 StR 304/09, StraFo 2010, 117 ).

d) Soweit der Senat die Adhäsionsentscheidung zum Nachteil der Adhäsionsklägerin geändert hat, ist im Tenor zum Ausdruck zu bringen, dass auch insoweit von einem Ausspruch über den weiter gehenden Antrag abgesehen wird.

3. Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten L. mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels mit Ausnahme der gerichtlichen Auslagen des Adhäsionsverfahrens zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4, § 472a Abs. 1 und 2 StPO ).

Vorinstanz: LG Neuruppin, vom 02.08.2017