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BGH - Entscheidung vom 08.03.2018

III ZR 95/17

Normen:
EGZPO § 26 Nr. 8
ZPO § 3

BGH, Beschluss vom 08.03.2018 - Aktenzeichen III ZR 95/17

DRsp Nr. 2018/4116

Bemessung der Beschwer des Schuldners eines zur Unterlassung verpflichtenden Urteils

Die Beschwer des Schuldners eines zur Unterlassung verpflichtenden Urteils richtet sich grundsätzlich danach, in welcher Weise sich das ausgesprochene Verbot zu seinem Nachteil auswirkt, das heißt maßgeblich sind die nach § 3 ZPO zu bewertenden Nachteile, die dem Schuldner aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen.

Tenor

Der Streitwert wird auf bis 4.000 € festgesetzt.

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberlandesgerichts München - 15. Zivilsenat - vom 8. März 2017 - 15 U 4891/15 - wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.

Normenkette:

EGZPO § 26 Nr. 8 ; ZPO § 3 ;

Gründe

I.

Der Kläger und der Beklagte zu 1 sind - neben einem in B. wohnenden Bruder - Miteigentümer des Anwesens W. in E. (Landkreis G. ), zu dem neben einem wohn- und landwirtschaftlichen Areal auch ein Eigenjagdbezirk von ca. 1.064 ha gehört. Im Jahre 1991 schlossen die Brüder eine "Miteigentümervereinbarung zur Nutzung der Jagdflächen", nach der diese intern in vier Bereiche (I bis IV) aufgeteilt wurden. Jeder der Brüder bekam ein Gebiet zugewiesen (II bis IV). Die weitere "Fläche I" (sogenanntes "Allgemeines Jagdgebiet") von ca. 400 ha durften alle Miteigentümer zur Jagd nutzen. In dieser und weiteren Vereinbarungen wurde die Jagdausübung näher geregelt, so bezüglich der Fläche I wie folgt:

"Im sogenannten allgemeinen Jagdgebiet dürfen nur T. , H. und C. sowie Familienangehörige mit Jagdschein in der Begleitung eines der Beteiligten die Jagd ausüben. Sonstige Dritte dürfen nur zur Jagd im allgemeinen Jagdgebiet mitgenommen werden, wenn sie im Sinne des Jagdgesetzes nicht jagdberechtigt sind."

Die Parteien streiten um einen Vorfall vom 19. Oktober 2013, bezüglich dessen der Kläger dem Beklagten zu 1 vorwirft, den Beklagten zu 2, der Inhaber eines Jagdscheines ist, unberechtigterweise zur Jagd auf den in der Fläche I befindlichen O. mitgenommen zu haben. Die Beklagten haben sich unter anderem damit verteidigt, dass am 19. Oktober 2013 keine Jagdausübung stattgefunden habe und im Übrigen der Beklagte zu 2 berechtigter Jagdhelfer des Beklagten zu 1 sei beziehungsweise als Angestellter rechtmäßig Aufgaben im Eigenjagdbezirk nicht nur für den Beklagten zu 1, sondern auch für die Miteigentümergemeinschaft ausgeführt habe.

Der Kläger hat die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen, den Beklagten zu 1 dabei bezüglich der Gestattung/Veranlassung/Duldung der Jagd durch nicht familienangehörige Dritte ohne Genehmigung der beiden anderen Brüder, den Beklagten zu 2 bezüglich der Jagdausübung auf der Fläche I. Ferner betrifft die Klage noch Kostenpositionen. Der Beklagte zu 1 hat im Wege der Widerklage seinerseits verschiedene Unterlassungsansprüche geltend gemacht. Das Landgericht hat - nach Anhörung der Parteien und Vernehmung von Zeugen - der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten hat lediglich bezüglich der Kostenpositionen teilweise Erfolg gehabt. Gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Beklagten mit ihrer Beschwerde. Diese beschränkt sich auf ihre Verurteilung zur Unterlassung und einen der Widerklageanträge.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig. Nach § 26 Nr. 8 EGZPO ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur zulässig, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € übersteigt. Dies ist nicht der Fall.

1. Das Landgericht hat den Beklagten zu 1 verurteilt, es zu unterlassen, in dem allgemeinen Jagdgebiet nicht familienangehörigen Dritten ohne Genehmigung seiner beiden Brüder zu gestatten und/oder diese zu veranlassen, dem Wilde nachzustellen, es zu fangen, es zu erlegen, sich selbst oder einem Dritten zuzueignen sowie dies zu dulden.

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1 ist er nicht in Höhe von 32.200 € beschwert. Der Beklagte zu 1 ist der Meinung, seine Beschwer bemesse sich im Rahmen des § 9 Satz 1 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Betrag des für das allgemeine Jagdgebiet angemessenen Jahrespachtwerts (23 € x 400 ha x 3,5). Die vom Beklagten zu 1 in diesem Zusammenhang in Bezug genommenen Senatsentscheidungen vom 12. März 1992 ( III ZR 216/90, BGHZ 117, 309 ) und vom 4. August 2000 ( III ZR 328/98, BGHZ 145, 83 ) sind indessen nicht einschlägig. Sie betreffen im Rahmen von Baulandsachen die Bemessung der Enteignungsentschädigung bei Eingriffen in ein Jagdausübungsrecht. Weder geht es hier um eine Enteignungsentschädigung noch um das eigene - im Übrigen bezüglich der Fläche I nur neben dem Jagdausübungsrecht der beiden anderen Brüder bestehende - Jagdausübungsrecht des Beklagten zu 1. Letzteres ist durch das ausgeurteilte Unterlassungsgebot nicht berührt.

Soweit der Beklagte zu 1 in anderem Zusammenhang geltend macht, das Urteil habe zur Folge, dass er auf der Fläche I die Jagd faktisch nicht mehr ausüben könne, vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Der Beklagte zu 1 verweist insoweit darauf, dass er die Jagd nicht allein ausüben könne. Denn die Jagd im Hochgebirge sei infolge der Felsen und Steillagen gefährlich und der Einsatz von Mobilfunkgeräten mangels Empfang nahezu nutzlos, sodass auch eine Ortung im Fall eines Unfalls nicht erfolgen könne. Nach der Unfallverhütungsvorschrift Jagd solle bei einer mit besonderen Gefahren verbundenen Jagdausübung, zu der auch die Jagd im Hochgebirge gehöre, deshalb ein Begleiter zur etwaigen Hilfeleistung mitgenommen werden. Zudem sei die Bergung eines erlegten Tieres, insbesondere eines ausgewachsenen Rotwildes, von einer einzelnen Person nicht zu bewältigen.

Dies mag so sein. Durch das ausgeurteilte Unterlassungsgebot wird dem Beklagten zu 1 aber nicht untersagt, eine andere Person zu entsprechenden Zwecken auf die Jagd mitzunehmen, sondern lediglich, die Jagdausübung selbst durch eine solche Person zu gestatten, zu veranlassen oder zu dulden. Soweit der Beklagte zu 1 abweichend hiervon meint, dass ihm durch das Urteil auch verboten werde, Dritte mitzunehmen, "weil das Mitnahmeverbot im Tenor zu Ziffer 2 (gemeint wohl Ziffer 1) des landgerichtlichen Urteils nicht auf den Beklagten zu 2 beschränkt, sondern allgemein auf alle nichtfamilienangehörigen Dritten ausgedehnt ist ...", ist dies nicht verständlich. Der Tenor bezieht sich nur auf die Jagdausübung durch Dritte (Ziffer 1) beziehungsweise den Beklagten zu 2 (Ziffer 2), nicht aber auf die Frage, inwieweit Dritte zu den oben angesprochenen Hilfeleistungen vom Beklagten zu 1 bei seiner eigenen Jagdausübung mitgenommen werden können.

b) Die Beschwer des Schuldners eines zur Unterlassung verpflichtenden Urteils richtet sich grundsätzlich danach, in welcher Weise sich das ausgesprochene Verbot zu seinem Nachteil auswirkt, das heißt maßgeblich sind die nach § 3 ZPO zu bewertenden Nachteile, die dem Schuldner aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen (siehe auch BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 2015 - VI ZB 29/14, NJW 2015, 787 Rn. 8 und vom 19. Januar 2016 - VI ZB 69/14, juris Rn. 8, jeweils mwN). Das Berufungsgericht hat den Wert - unter Bezugnahme auf seinen Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren vom 12. Mai 2014 (Beiakte 3 O 5241/13) - mit 300 € festgesetzt. Insoweit hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, dass ein wirtschaftliches Interesse des Beklagten zu 1, Dritten das Jagen in dem streitgegenständlichen Gebiet zu erlauben, nicht in Rede steht. Dies macht der Beklagte zu 1 auch jetzt nicht geltend. Relevante sonstige Interessen an einem solchen Verhalten sind jedenfalls nicht in einem Umfang dargelegt oder ersichtlich, der nach Auffassung des Senats eine höhere Festsetzung rechtfertigen könnte.

2. Den noch streitgegenständlichen Antrag aus der Widerklage haben die Instanzgerichte - in Übereinstimmung mit der Auffassung des Beklagten zu 1 - mit 1.500 € bewertet. Insoweit ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass der Antrag zu niedrig bewertet worden ist.

3. Das Landgericht hat den Beklagten zu 2 verurteilt, es zu unterlassen, in dem allgemeinen Jagdgebiet ohne Genehmigung aller drei Brüder dem Wilde nachzustellen, es zu fangen, es zu erlegen beziehungsweise sich oder einem Dritten zuzueignen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2 ist er nicht in Höhe von 10.500 € beschwert. Er ist insoweit der Meinung, seine Beschwer bemesse sich im Rahmen des § 9 Satz 1 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Wert des Entgelts, das er jährlich für seine Tätigkeit im Eigenjagdgebiet W. erhalte (250 € x 12 x 3,5). Mit Rechtskraft der Verurteilung könne er seine Tätigkeit nicht mehr ausüben. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Dem Beklagten zu 2 ist lediglich untersagt worden, ohne Zustimmung aller drei Brüder auf der sogenannten Fläche I zu jagen. Dass dieses Verbot dazu führt, dass er seines Vergütungsanspruchs verlustig geht, ist nicht ersichtlich. Dem steht schon der eigene Vortrag im Schriftsatz vom 4. November 2016 entgegen, in dem es - in Reaktion auf Nummer 3 Buchst. b der Hinweisverfügung des Oberlandesgerichts vom 5. August 2016 - heißt: "Die Überlegung, eine vollständige Erfüllung der arbeitsrechtlichen Pflichten durch den Beklagten zu 2 sei ohne Jagdausübung nicht möglich, verkennt, dass in einem Jagdrevier zahlreiche Arbeiten zu erledigen sind, die mit den vier in § 1 Abs. 4 BJagdG genannten Tätigkeiten nichts zu tun haben." Die nachfolgende Beschreibung der Tätigkeiten - siehe ergänzend auch die Angaben des Beklagten zu 1 in der mündlichen Verhandlung vom 21. Dezember 2016 zu den Aufgaben des Beklagten zu 2 und dessen eigene Darstellung in der in einem Strafverfahren abgegebenen schriftlichen Einlassung vom 10. Februar 2015 (Anlage zum Schriftsatz vom 27. Januar 2017) - lassen die pauschale Darstellung, das Unterlassungsgebot führe zum Verbot der bisherigen Tätigkeit und damit zum Verlust des Vergütungsanspruchs, als nicht plausibel erscheinen.

Ein von der Vergütungsfrage unabhängiges wirtschaftliches Eigeninteresse des Beklagten zu 2 an der Jagd steht nicht in Rede. Etwaige Nachteile, die dem Beklagten zu 2 aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen können, sind deshalb jedenfalls nicht in einem Umfang dargelegt oder ersichtlich, der - unter Einbeziehung der o.a. Anträge - eine Bemessung der Beschwer beider Beklagter und Festsetzung des Streitwerts auf insgesamt über 4.000 € rechtfertigen könnte.

Vorinstanz: LG München II, vom 01.12.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 1235/14
Vorinstanz: OLG München, vom 08.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 15 U 4891/15