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BGH - Entscheidung vom 07.06.2018

V ZB 135/17

BGH, Beschluss vom 07.06.2018 - Aktenzeichen V ZB 135/17

DRsp Nr. 2018/8951

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 2. Juni 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

Der Betroffene, ein armenischer Staatsangehöriger, reiste am 1. Oktober 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit Bescheid vom 9. Dezember 2016 wurde der Asylantrag des Betroffenen als unzulässig abgelehnt und dessen "Abschiebung" nach Tschechien angeordnet. Nachdem er in der Aufnahmeeinrichtung abgängig war, wurde er am 17. März 2017 festgenommen.

Am selben Tag hat das Amtsgericht auf entsprechenden Antrag der beteiligten Behörde gegen den Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung Haft zur Sicherung seiner Abschiebung bis zum 3. April 2017 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 2. Juni 2017 zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde, der die beteiligte Behörde entgegentritt, erstrebt der Betroffene die Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts und die Zurückverweisung der Sache an dieses.

II.

Das Beschwerdegericht meint, die Rüge des Betroffenen, dass das Amtsgericht eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung getroffen habe, sei berechtigt, da in einem Hauptsacheverfahren hätte entschieden werden müssen. Deswegen stehe dem Betroffenen auch die Rechtsbeschwerde offen. Die Anordnung der Sicherungshaft sei in der Sache aber nicht zu beanstanden.

III.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere auch statthaft, weil sie sich gegen eine im Hauptsacheverfahren erlassene freiheitsentziehende Maßnahme richtet. Dem steht nicht entgegen, dass das Amtsgericht eine einstweilige Anordnung im Sinne des § 427 FamFG erlassen hat. Das Beschwerdegericht hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, eine Entscheidung zur Hauptsache zu treffen. Ob es zu einer solchen Vorgehensweise verfahrensrechtlich befugt war, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Rechtsbeschwerde (vgl. Senat, Beschluss vom 16. September 2015 - V ZB 40/15, InfAuslR 2016, 55 Rn. 5).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch in der Sache begründet. Das Beschwerdegericht hat eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen, obwohl Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ausschließlich ein im Wege der einstweiligen Anordnung ergangener Beschluss des Amtsgerichts war.

a) Steht - gegebenenfalls nach einer Auslegung der vom Amtsgericht getroffenen Entscheidung - fest, dass im einstweiligen Anordnungsverfahren entschieden worden ist, wird hierdurch auch der Gegenstand eines sich anschließenden Rechtsmittelverfahrens festgelegt und ist das Beschwerdegericht nicht befugt, den Beschluss des Amtsgerichts nachträglich als Hauptsacheentscheidung anzusehen (vgl. Senat, Beschluss vom 16. September 2015 - V ZB 40/15, InfAuslR 2016, 55 Rn. 9).

b) Vorliegend ergibt sich aus dem Tenor der Entscheidung des Amtsgerichts eindeutig, dass dieses eine einstweilige Anordnung erlassen hat. Aus den Beschlussgründen folgt, dass dies nicht etwa irrtümlich erfolgt ist, sondern beabsichtigt war. Dort wird ausgeführt, dass die Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung erfolgen müsse, weil dies beantragt worden sei und zudem nicht alle Verfahrensschritte vollzogen werden könnten. Dass in der Rechtsmittelbelehrung die Frist zur Einlegung einer Beschwerde gegen eine Hauptsacheentscheidung angegeben wurde, die einen Monat beträgt (§ 63 Abs. 1 FamFG ), und nicht die für Beschwerden gegen einstweilige Anordnungen geltende Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ), stellt daher ein offensichtliches Versehen dar. Da hiernach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ausschließlich eine einstweilige Anordnung war, durfte das Beschwerdegericht keine Entscheidung in der Hauptsache treffen.

3. Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif und daher nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Eine eigene Entscheidung des Senats ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil es um die Rechtmäßigkeit einer im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen Entscheidung des Amtsgerichts geht und in diesem Verfahren eine Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 4 FamFG nicht vorgesehen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 16. September 2015 - V ZB 40/15, InfAuslR 2016, 55 Rn. 11).

Vorinstanz: AG Leer, vom 17.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2a XIV 3988 B
Vorinstanz: LG Aurich, vom 02.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 7 T 137/17