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BGH - Entscheidung vom 11.01.2018

X ZR 38/16

BGH, Urteil vom 11.01.2018 - Aktenzeichen X ZR 38/16

DRsp Nr. 2018/3637

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 10. März 2016 abgeändert:

Das europäische Patent 1 101 451 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass in Patentanspruch 1 die Wörter "der Möglichkeit zur Bestimmung" im zweiten und dritten Spiegelstrich durch das Wort "Bestimmen" und im letzten Spiegelstrich durch die Wörter "die Bestimmung" ersetzt werden und dass sich die Patentansprüche 2 bis 5, 9 und 10 auf die so geänderte Fassung rückbeziehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 2/3 und die Beklagte 1/3 der Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Die Beklagte ist die Inhaberin des mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 101 451 (Streitpatents), welches am 3. November 2000 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 3. November 1999 angemeldet worden ist. Es umfasst zehn Patentansprüche, von denen zuletzt die Patentansprüche 1 bis 5 sowie 9 und 10 angegriffen worden sind. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Erstellung einer Bohrhilfe (16) für ein Zahnimplantat mit nachfolgenden Verfahrensschritten:

• dem Verwenden von Röntgenaufnahmen (5) des Kiefers (1) zur Erzeugung eines entsprechenden Messdatensatzes,

• der Möglichkeit zur Bestimmung eines optimalen Bohrlochs für ein Implantat vorzugsweise aufgrund der Röntgenaufnahme,

• der Möglichkeit zur Bestimmung eines Führungslochs in einer Bohrschablone (16), gekennzeichnet durch

• die dreidimensionale optische Vermessung der sichtbaren Oberfläche von Kiefer (1) und Zähnen (2) und Erzeugen eines entsprechenden Messdatensatzes,

• die Korrelation der Messdatensätze der Röntgenaufnahme (5) und der Messdatensätze der dreidimensionalen optischen Vermessung (10) und

• der Möglichkeit zur Bestimmung eines Führungslochs in einer Bohrschablone (16) relativ zu den Oberflächen der Nachbarzähne aufgrund von Röntgenaufnahmen und optischer Vermessung."

Die Klägerin hat geltend gemacht, im angegriffenen Umfang sei der Gegenstand des Streitpatents mangels Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung sowie mit vier Hilfsanträgen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge wiederholt sowie das Streitpatent in der Fassung von zwei weiteren Hilfsanträgen verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer Bohrhilfe für eine Zahnimplantatbohrung und bezieht sich insbesondere auf das exakte Anbringen eines für diese Bohrung geeigneten Führungslochs, dessen Position an der Oberfläche von noch im Kiefer vorhandenen Zähnen ausgerichtet wird.

1. Nach der Beschreibung des Streitpatents war im Stand der Technik ein Verfahren zur Herstellung einer Bohrhilfe bekannt, bei dem anhand eines Kieferbildes, welches mithilfe eines Kieferabdrucks dreidimensional erstellt werde, eine Bohrlochposition am Computer bestimmt und mittels einer computergestützten Präzisionswerkzeugmaschine in einem Bohrkörper ein entsprechender Bohrführungssockel vorbereitet werde. Dabei würden Form und Größe des Zahnimplantats auch anhand von Röntgenaufnahmen geplant. In der Regel sei es jedoch schwierig, die Position eines Führungslochs beim Bohren genau zu bestimmen, weil die auf den Röntgenbildern enthaltenen Informationen nicht exakt auf die optischen Informationen, die der Arzt beim Bohren sehe, übertragen werden könnten.

2. Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung einer Bohrhilfe bereit zu stellen, mit dem eine exaktere Bohrung für das Zahnimplantat erreicht werden kann.

3. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 folgendes Verfahren vor (in 7 eckigen Klammern die Merkmalsgliederung des Patentgerichts):

0.

Das Verfahren dient der Erstellung einer Bohrhilfe (16) für ein Zahnimplantat. [1.0]

1.

Es werden Röntgenaufnahmen (5) des Kiefers (1) zur Erzeugung eines entsprechenden Messdatensatzes verwendet. [1.1]

2.

Die sichtbare Oberfläche von Kiefer (1) und Zähnen (2) wird dreidimensional optisch vermessen und hieraus ein weiterer Messdatensatz erzeugt. [1.4]

3.

Die Messdatensätze der Röntgenaufnahme (5) und die Messdatensätze der dreidimensionalen optischen Vermessung (10) werden korreliert. [1.5]

4.

Es besteht die Möglichkeit, ein optimales Bohrloch für ein Implantat zu bestimmen, vorzugsweise aufgrund der Röntgenaufnahme. [1.2]

5.

Es besteht die Möglichkeit, ein Führungsloch in der Bohrschablone (16) zu bestimmen, [1.3] und zwar

a)

relativ zu den Oberflächen der Nachbarzähne

b)

aufgrund von Röntgenaufnahmen und optischer Vermessung. [1.6]

4. Einige Merkmale bedürfen einer näheren Erläuterung:

a) Das Verfahren dient zur Vorbereitung der Herstellung einer Bohrhilfe; es umfasst den eigentlichen Herstellungsvorgang nicht.

Das Verfahren gibt auch nicht vor, zu welchem Zeitpunkt mit der Herstellung der Bohrhilfe begonnen wird.

b) Hinsichtlich der optischen Vermessung der Oberfläche von Kiefern und Zähnen gemäß Merkmal 2 ist nicht festgelegt, ob diese im Mund selbst erfolgt oder auf andere Weise, zum Beispiel an einem durch einen Abdruck gewonnenen Modell. Die Vermessung hat jedoch optisch und nicht anhand einer mechanischen Abtastung zu erfolgen.

c) Die gemäß Merkmal 4 mögliche Bestimmung eines optimalen Bohrlochs kann mit Hilfe von manuellen Eingaben des Benutzers erfolgen, dem dabei die korrelierten Messdatensätze der optischen Vermessung und der Röntgenaufnahme grafisch angezeigt werden.

d) Ein Führungsloch gemäß dem Merkmal 5 setzt voraus, dass die Bohrschablone in der Achse der geplanten Implantatbohrung eine Öffnung aufweist und damit den Bohrer beim Einbringen der Implantatbohrung an die richtige Stelle und in die richtige Richtung führt. Die richtige Positionierung des Bohrers setzt zusätzlich voraus, dass die Bohrschablone im Kiefer des Patienten präzise positioniert werden kann.

e) Das Führungsloch ist gemäß Merkmal 5a "relativ zu den Oberflächen der Nachbarzähne" bestimmt, wenn die Positionierung allein anhand von Referenzpunkten oder sonstigen charakteristischen Strukturen auf der Oberfläche der Nachbarzähne erfolgt, für diese Bestimmung mithin nicht mehr auf Referenzpunkte an Kiefer oder Zahnfleisch zurückgegriffen wird. Dies ermöglicht es, Position und Winkel des Führungslochs allein anhand der Geometrie der Bohrschablone zu bestimmen, auf der die als Referenz verwendeten Strukturen der Nachbarzähne wiedergegeben sind. Weil in diesem Stadium keine Referenzpunkte an Kiefer oder Zahnfleisch mehr benötigt werden, ist es nicht erforderlich, die Bohrschablone zur Bestimmung des Führungslochs auf ein Gipsmodell oder dergleichen aufzusetzen.

f) Die Möglichkeit zur Bestimmung des Führungslochs muss sich gemäß Merkmal 5b aus den Röntgenaufnahmen und der optischen Vermessung ergeben. Dies setzt voraus, dass die Messdatensätze Angaben zu Position und Struktur der Oberflächen der Nachbarzähne sowie der dazu gemäß Merkmal 3 korrelierten Messdaten des Kiefers umfassen, welche für die Bestimmung des Implantatbohrlochs gemäß Merkmal 4 herangezogen wurden. Die Position und der Winkel des Führungslochs können aus der Position und den Winkeln des Implantatbohrlochs errechnet worden sein (Sp. 3 Z. 8 bis 10).

II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Im Stand der Technik sei mit der deutschen Offenlegungsschrift 195 10 294 (D3) ein Verfahren zur Erstellung einer Bohrhilfe (Operationsschablone mit Bohrungen) für ein Zahnimplantat bekannt gewesen, bei dem in eine vorgefertigte Operationsschablone die Bohrungen mit den gewünschten Bohrungswinkeln eingebracht würden. Hierfür würden ein transversales Röntgenbild digitalisiert sowie die Mundsituation anhand dreidimensionaler Gipsmodelle und mit Hilfe eines Registrierbogens in einen Computer übertragen. In der Bohrschablone würden ein optimales Bohrloch für ein Implantat und ein Führungsloch bestimmt.

Der D3 sei nicht zu entnehmen, auf welche Art die Daten des Gipsmodells digital auf den Computer übertragen würden. Hierfür sei dem Fachmann eine mechanische Abtastung mittels Sensoren, aber auch eine Abtastung mittels optischer Scanner bekannt gewesen. Wegen der Vorteile einer berührungslosen Abtastung werde der Fachmann diese Methode in Betracht ziehen und gelange damit zu einer optischen Vermessung der sichtbaren Oberfläche von Kiefer und Zähnen entsprechend Merkmal 2.

Gemäß der D3 würden die Messdaten aus der Vermessung der Gipsmodelle und der Röntgenaufnahmen korreliert, wodurch die Röntgendiagnostik und die Mundsituation des Patienten zusammengeführt würden. Mit Hilfe dieser Daten werde die Implantatbohrung geplant.

Die noch unfertige, weil noch keine Führungsbohrung enthaltende Operationsschablone werde mittels der Daten der Ebenen der digitalen Aufnahmen auf einer dreidimensionalen Modellgeometrie angeordnet. Die am Computer geplante und digital bestimmte Implantatbohrung werde nun nebst der dafür bestimmten Winkel auf diese Operationsschablone übertragen. Damit werde auch die Führungsbohrung aufgrund der Röntgenaufnahmen und der optischen Vermessung bestimmt sowie eine Bohrhilfe hergestellt, bei der das Führungsloch mit zugehörigen Bohrungsöffnungsflächen und ihrer Bohrwinkel eingebracht seien. Die so hergestellte Bohrschablone sei auch auf die Modellgeometrie des Mundbereichs einschließlich der Nachbarzähne zum Implantat abgestimmt.

Der Fachmann gelange damit in naheliegender Weise zur Lehre des Streitpatents, und zwar sowohl nach der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 als auch nach seiner Fassung gemäß Hilfsantrag 0.

III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren in Bezug auf den Gegenstand des Streitpatents in seiner erteilten Fassung stand.

1. Den zur Problemlösung berufenen Fachmann hat das Patentgericht zutreffend als einen berufserfahrenen Ingenieur der Fachrichtungen Werkzeugbau und Werkzeugmaschinenbau bestimmt, der sich auf die Entwicklung zahntechnischer Instrumente und Geräte spezialisiert hat.

Ein solcher Fachmann wird sich entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Patentgerichts zunächst im Team mit einem Zahntechniker oder Zahnarzt austauschen und dessen Fachwissen mit heranziehen. Die Notwendigkeit dieser Zusammenarbeit ergibt sich aus der Natur der Aufgabenstellung, denn der Fachmann bedarf für die Weiterentwicklung einer Bohrhilfe für ein Zahnimplantat der zahnmedizinischen Kenntnisse und Erfahrungen, die in Verbindung mit dem Setzen eines solchen Implantats relevant sind. Weiterhin wird der Fachmann sich im Team jedenfalls dann mit einem Informatiker austauschen, wenn ihm der Stand der Technik Anlass gibt, eine Bohrhilfe mit Hilfe von digitalen Bildern und einem Computer zu konstruieren.

2. Der Gegenstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 war dem Fachmann durch D3 nahegelegt.

a) In D3 ist ein Verfahren zur Herstellung einer Operationsschablone für die Operation zur Installierung eines Implantats im Ober- oder Unterkiefer offenbart.

Bei dem in dieser Entgegenhaltung beschriebenen Ausführungsbeispiel werden zunächst Abdrücke der Mundsituation und mit Hilfe dieser Abdrücke Gipsmodelle hergestellt. Diese Gipsmodelle werden in ein Simulationsgerät übertragen, wobei zugleich mithilfe eines Registrierbogens vom Kopf des Patienten die damit gewonnenen, dreidimensionalen schädelbezogenen Relationen registriert werden (D3, Sp. 5 Z. 19 bis 22). Die Gipsmodelle werden ferner schädelbezüglich digitalisiert (D3, Sp. 5 Z. 25 bis 27). Des Weiteren wird ein Röntgenbild des Kiefers in Form einer Panoramaschichtaufnahme angefertigt und ebenfalls digitalisiert (D3, Sp. 5 Z. 22 bis 27).

Die digitalisierten Daten aus dem Röntgenbild und dem Gipsmodell werden im Computer zusammengeführt (D3, Sp. 5 Z. 12 bis 14). Regionen, die für die zu ersetzenden Stützzonen vorgesehen sind, werden durch statische Messpunkte bzw. Okklusionsreliefs der Zähne markiert und in das Röntgenbild übertragen. Aufgrund der Zusammenführung der Daten lassen sich im Computer die Winkel, die für eine Implantation wichtig sind, durch Echtwerte darstellen (D3, Sp. 5 Z. 31 bis 56). Die so gewonnenen Daten werden auf die Operationsschablone übertragen (D3, Sp. 5 Z. 57 bis 58). Hierfür dient ein spezielles Übertragungsgerät mit zwei Schwenkachsen und einer Drehachse, auf dem das Kiefermodell befestigt wird (D3, Sp. 6 Z. 11 bis 14). Auf dem Modell wird die bereits erstellte Operationsschablone angeordnet. Durch Schwenken und Drehen wird das Kiefermodell mit der Schablone so positioniert, dass in dem Modell mit den am Computer bestimmten Winkeln und an der hierfür geplanten Position eine Bohrung eingebracht werden kann (D3, Sp. 6 Z. 15 bis 35). Weil der Bohrer hierbei die auf dem Modell sitzende Operationsschablone durchdringen muss, entsteht ein Führungsloch an der richtigen Position und mit dem richtigen Winkel.

b) Damit sind, wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, die Merkmale 1 und 4 offenbart.

c) Ebenfalls offenbart ist Merkmal 0.

D3 befasst sich zwar nur mit der Frage, wie in die bereits vorhandene Operationsschablone die erforderlichen Führungslöcher eingebracht werden können. Sie setzt aber voraus, dass eine solche Schablone angefertigt wird und überlässt die Einzelheiten dieses Vorgangs - ebenso wie das Streitpatent - dem Fachmann.

d) Ebenfalls offenbart ist die in Merkmal 3 vorgesehene Korrelation der Datensätze aus einer Röntgenaufnahme und einer dreidimensionalen Vermessung.

Nicht offenbart ist allerdings, dass die dreidimensionale Messung optisch erfolgt, wie dies in den Merkmalen 2 und 3 vorgesehen ist. In welcher Weise die Daten gewonnen werden, ist in D3 nicht näher beschrieben.

e) D3 offenbart auch die Merkmalsgruppe 5.

aa) Bei dem in D3 offenbarten Verfahren werden Position und Winkel des Führungslochs zwar nicht eigens berechnet, sondern dadurch festgelegt, dass die Operationsschablone auf dem Modell an der gleichen Stelle angebracht wird, an der sie später auch im Mund des Patienten sitzt, so dass durch eine Bohrung an der aufgrund der digitalisierten Daten festgelegten Position des Kiefermodells gewissermaßen nebenbei das gewünschte Führungsloch in der Schablone entsteht. Auch damit wird aber die Position des Führungslochs durch die digitalisierten Daten bestimmt, wie dies in den Merkmalen 5 und 5b vorgesehen ist. Dass dies nur mittelbar geschieht, ist unerheblich, weil Patentanspruch 1 insoweit keine näheren Vorgaben enthält.

bb) Anders als in Merkmal 5a vorgesehen wird das Führungsloch in D3 zwar nicht allein anhand von Referenzpunkten oder sonstigen charakteristischen Strukturen auf der Oberfläche bestimmt, sondern anhand von Position und Winkel des Implantatbohrlochs im Kiefermodell. Nach der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 genügt zur Verwirklichung dieses Merkmals aber, dass die digitalisierten Daten die Möglichkeit bieten, das Führungsloch in der eingangs beschriebenen Weise zu bestimmen. Diese Möglichkeit ist bei dem in D3 offenbarten Verfahren vorhanden.

Wie das Patentgericht zutreffend dargelegt hat, enthält der digitalisierte Datenbestand bei dem in D3 offenbarten Ausführungsbeispiel Angaben zu den Oberflächen der Nachbarzähne. Dies wird zwar in D3 nicht ausdrücklich erwähnt. Aus der Beschreibung ergibt sich aber, dass die Grundstatik sowohl des Ober- als auch des Unterkiefers erfasst und symmetrisch dargestellt wird (D3, Sp. 5 Z. 28 bis 31). Darüber hinaus werden als möglicher Bezugspunkt für die Markierung von Stützzonen die Okklusionsreliefs der Zähne angeführt (D3, Sp. 5 Z. 31 bis 34). Beides setzt voraus, dass die Oberflächen der Nachbarzähne jedenfalls in gewissem Umfang in die digitalisierten Daten einfließen.

Damit ist zugleich die Möglichkeit eröffnet, diese Daten zur Bestimmung von Position und Winkel des Führungslochs einzusetzen. Dass diese Möglichkeit auch genutzt wird, ist in der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 nicht zwingend vorgesehen.

f) Ausgehend von D3 war es für den Fachmann naheliegend, die sichtbare Oberfläche von Kiefer und Zähnen optisch zu vermessen.

In D3 wird nicht beschrieben, wie die dreidimensionalen Formen des Gipsmodells digitalisiert werden. Um das in D3 offenbarte Verfahren ausführen zu können, musste der Fachmann deshalb im Stand der Technik nach einer geeigneten Vermessungsmethode suchen. Hierfür boten sich die mechanische Abtastung und die Aufnahme mittels optischer Scanner gleichermaßen als geeignet an.

Nach den Feststellungen des Patentgerichts waren im Stand der Technik zur dreidimensionalen Erfassung der sichtbaren Oberfläche von Kiefer und Zähnen sowohl die mechanische Abtastung mittels Sensoren als auch die Aufnahme mittels optischer Scanner bekannt. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung begründen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (§ 117 PatG , § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ).

Der vom Patentgericht herangezogene Artikel über das System "DCS-Preciscan" (D19) ist zwar erst nach dem Prioritätstag veröffentlicht worden. Aus der darin enthaltenen Information, dass dieses System bereits im Jahr 1997 vorgestellt wurde, hat das Patentgericht aber zu Recht entnommen, dass optische Scanner zur Abtastung des Kiefers schon vor dem Prioritätstag bekannt waren. Dem von der Beklagten erhobenen Einwand, es sei nicht sicher, ob das im Jahr 1997 vorgestellte System bereits alle in D19 beschriebenen Merkmale aufwies, kommt hierbei keine Bedeutung zu. Für den Fachmann, der ausgehend von D3 nach einer geeigneten Methode zur Erfassung der Oberfläche von Kiefer und Zähnen suchte, kam es auf solche Einzelheiten nicht an. Ihm gab vielmehr schon der Umstand, dass für diese Zwecke optische Scanner eingesetzt wurden, hinreichend Anlass, den Einsatz eines solchen Geräts in Betracht zu ziehen.

Dem steht nicht entgegen, dass für diese Zwecke auch der Einsatz von mechanischen Abtastgeräten in Frage kam. Für die Frage, ob der Einsatz eines bestimmten Mittels naheliegend war, kommt es nicht darauf an, ob ein anderes Mittel näher lag. Entscheidend ist vielmehr, dass mit der optischen und der mechanischen Abtastung zwei Möglichkeiten zur Verfügung standen, die ungeachtet ihrer einzelnen Vor- und Nachteile beide für den in D3 vorausgesetzten Zweck geeignet waren. Dies gab dem Fachmann Veranlassung, jedenfalls auch die optische Abtastung in Betracht zu ziehen.

IV. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung des Hilfsantrags 0 patentfähig.

1. Nach Hilfsantrag 0 sollen die Wörter "der Möglichkeit zur Bestimmung" im zweiten und dritten Spiegelstrich durch das Wort "Bestimmen" und im letzten Spiegelstrich durch die Wörter "die Bestimmung" ersetzt werden.

Abweichend von der erteilten Fassung reicht damit die bloße Möglichkeit, ein Bohrloch und ein Führungsloch aufgrund der in den Merkmalen 4 bis 5 b genannten Daten zu bestimmen, nicht aus. Vielmehr muss von dieser Möglichkeit zwingend Gebrauch gemacht werden.

Gegen die Zulässigkeit dieser Beschränkung bestehen keine Einwände.

2. Der so beschränkte Gegenstand von Patentanspruch 1 ist patentfähig.

a) In D3 ist das modifizierte Merkmal 5a nicht offenbart.

Wie bereits im Zusammenhang mit der erteilten Fassung ausgeführt wurde, wird das Führungsloch bei dem in D3 offenbarten Verfahren nicht allein anhand von Referenzpunkten oder sonstigen charakteristischen Strukturen auf der Oberfläche der benachbarten Zähne bestimmt, sondern durch Position und Winkel des Implantatbohrlochs auf der durch das Gipsmodell repräsentierten Kieferoberfläche. Abweichend von Merkmal 5a wird folglich auf Referenzpunkte an Kiefer oder Zahnfleisch zurückgegriffen.

b) Die Lehre des Patentanspruchs 1 in der Fassung von Hilfsantrag 0 wird auch nicht in der französischen Patentanmeldung 2 705 027 (D4) offenbart.

aa) Die D4 betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer Bohrschablone mit einem Führungsloch zum Zwecke der Einbringung eines Zahnimplantats.

Nach der D4 wird zunächst ein Gipsmodell der Mundsituation des Patienten hergestellt und auf diesem Modell eine Bohrschablone hergestellt, welche auf den Außenflächen mit einem teilweise strahlenundurchlässigen Material beschichtet ist. Diese Bohrschablone, die noch kein Führungsloch aufweist, wird auf die Zähne des Patienten gelegt und zusammen mit dessen Kiefer geröntgt. Das so gewonnene Röntgenbild wird gescannt; im Computer wird die aufgrund der teilweise strahlenundurchlässigen Beschichtung erkennbare Schablonenoberfläche vermessen. Zugleich werden die optimale Position und die Bohrachse der zu bestimmenden Implantatbohrung definiert.

Anschließend wird die Bohrschablone optisch oder mechanisch gescannt und ihre Achsen werden in ein Koordinatensystem übertragen. Die eingescannten Daten der Schablone werden mit den Daten des Röntgenbildes, auf dem die Oberfläche der Schablone zu erkennen ist, korreliert. Die Bohrachsen, welche in dem Koordinatensystem der Daten des Röntgenbildes definiert wurden, werden in das Koordinatensystem der Achsen der Schablone übertragen.

Schließlich wird die Schablone in einem Bohrroboter positioniert. Anhand der Daten aus dem Koordinatensystem wird in der Achse der definierten Implantatbohrung ein Führungsloch gebohrt.

bb) Diese Entgegenhaltung offenbart die Merkmale 0, 1 und 4. Sie offenbart indes jedenfalls nicht das Merkmal 5a.

Nach dem Verfahren der D4 werden zwar die Koordinaten für ein Führungsloch bestimmt, damit dem Bohrroboter die für die Bohrung dieses Lochs erforderlichen Daten übermittelt werden können. Diese Koordinaten weisen indes nach der Lehre der D4 keine Relation zu den Oberflächen der Nachbarzähne auf. Die D4 offenbart nicht, dass die Daten dieser Oberflächen überhaupt erfasst werden. Vielmehr wird sowohl mit dem Röntgenbild als auch bei dem Scanvorgang die Oberfläche der auf den Zähnen aufliegenden Schablone erfasst. Damit lässt sich D4 auch nicht entnehmen, dass die Daten der Oberflächen der Nachbarzähne zur Bestimmung des Führungslochs herangezogen werden.

c) Schließlich wird die Lehre von Hilfsantrag 0 auch nicht von der amerikanischen Patentschrift 5 562 448 (D17) offenbart.

aa) Diese Entgegenhaltung beschreibt mehrere Verfahren zur Bohrung für ein Implantat. Zu Beginn werden nach diesem Verfahren die Oberflächen der betroffenen Mundregion nebst Zähnen und Zahnfleisch optisch gescannt sowie ein Röntgenbild des Kiefers aufgenommen und digitalisiert. Beide Bilder werden im Computer korreliert und mit den so gewonnenen Daten eine optimale Position und Ausrichtung für ein Implantatbohrloch bestimmt.

Gemäß einem Ausführungsbeispiel verwendet der Zahnarzt einen Pantographen, an dessen einem Ende sich eine virtuelle Operationsspitze mit einem teleskopischen Element befindet. Mit Hilfe dieses Elements kann der Zahnarzt die Bohrung für das Implantat im Kiefer des Patienten üben, ohne tatsächlich zu bohren. Währenddessen werden über optische Sensoren am anderen Ende des Pantographen die Bewegungen des Zahnarztes registriert und dem Computer übermittelt. Dieser vergleicht die Bewegungen mit der vorbestimmten Position des Bohrlochs nebst dessen Ausrichtung und stellt beides dem Zahnarzt am Computerbildschirm dar; weiterhin wird dem Zahnarzt signalisiert, wenn er mit der simulierten Bohrung von der vorgesehenen Bohrachse abweicht. Schließlich kann der Zahnarzt die virtuelle Operationsspitze durch einen richtigen Bohrer ersetzen und die Implantatbohrung entsprechend der Übung real ausführen.

In einem alternativen Ausführungsbeispiel wird die Implantatbohrung von einem automatisch arbeitenden Bohrer durchgeführt, der vom Computer gesteuert wird.

Des Weiteren zeigt D17 ein Ausführungsbeispiel, bei dem der Zahnarzt die Implantatbohrung mit einer virtuellen Sonde simuliert, deren Bewegung über einen Pantographen an einen Bohrer übertragen wird, der eine Bohrung in einen Acrylblock einbringt. Dieser Acrylblock dient sodann als Führungshilfe für die real im Kiefer des Patienten durchzuführende Bohrung.

bb) Damit sind die Merkmale 0 bis 4 offenbart, nicht aber Merkmalsgruppe 5.

In den beiden ersten Ausführungsbeispielen der D17 kommt keine Bohrschablone zum Einsatz. Dementsprechend wird kein Führungsloch für eine solche Schablone bestimmt.

Im dritten Ausführungsbeispiel der D17 mag der in den Acrylblock eingebrachten Bohrung eine vergleichbare Funktion zukommen wie dem nach dem Streitpatent vorgesehenen Führungsloch. Diese Bohrung wird aber nicht mittels der digitalisierten Daten bestimmt, sondern durch die manuelle Betätigung der virtuellen Sonde durch den Zahnarzt. Dass der Zahnarzt hierbei vom Computer gewarnt wird, wenn er vom optimalen Pfad abweicht, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Diese Warnhinweise ändern nichts daran, dass Position und Winkel der Bohrung allein durch die Führung des Instruments seitens des Zahnarzts bestimmt werden.

d) Die Lehre des Patentanspruchs 1 in der Fassung von Hilfsantrag 0 beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

aa) D3 und D17 gaben dem Fachmann keine Veranlassung, Position und Ausrichtung des Führungslochs für eine Bohrschablone relativ zu den Oberflächen der Nachbarzähne zu bestimmen.

Beide Entgegenhaltungen sehen zur Bestimmung des Führungslochs in der Bohrschablone relativ aufwendige und auf die übrigen Verfahrensschritte abgestimmte Maßnahmen vor. Selbst wenn der Fachmann bestrebt gewesen wäre, diese Maßnahmen durch einfachere Mittel zu ersetzen, ergaben sich weder aus D3 und D17 noch aus sonstigen Entgegenhaltungen Hinweise darauf, dass die Bestimmung anhand der Oberflächen der Nachbarzähne erfolgen kann. Das in D3 offenbarte Verfahren bietet zwar die Möglichkeit zu dieser Vorgehensweise, weil die erforderlichen Daten in digitalisierter Form vorliegen. Es fehlt aber an einer Anregung, diese Möglichkeit zu nutzen.

bb) Aus den US-Patentschriften 4 742 464 (D20), 4 611 288 (D21) und 4 575 805 (D22) sowie der europäischen Patentanmeldung 913 130 (D24) ergaben sich keine weitergehenden Anregungen.

Diese Entgegenhaltungen beschreiben die Herstellung von Zahnersatzkörpern wie Zahnprothesen, Zahnkronen, Brücken, Inlays und Onlays für Zähne.

Hieraus ergab sich für den Fachmann keine Anregung, die dort beschriebenen Verfahren zur Herstellung von Bohrschablonen für Implantatbohrungen heranzuziehen.

cc) Ausgehend von der D4 ergab sich für den Fachmann ebenfalls kein Anlass, Position und Winkel des Führungslochs in der Bohrschablone in Relation zu den Oberflächen der Nachbarzähnen zu bestimmen.

Nach der D4 werden die Koordinaten für das Führungsloch in einem Koordinatensystem bestimmt, in dem die strahlenundurchlässige Oberfläche der Bohrschablone sowie die Achsen der Schablone definiert sind. Dies ist für die Herstellung des Führungslochs in der Bohrschablone ausreichend. Damit gab es keine Veranlassung, das Führungsloch in Relation zu den Oberflächen der Nachbarzähne zu bestimmen.

3. Die weiteren von der Klägerin angegriffenen Unteransprüche haben aufgrund ihres Rückbezugs auf Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 0 ebenfalls Bestand.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG , § 92 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 11. Januar 2018

Vorinstanz: BPatG, vom 10.03.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 4 Ni 12/13 (EP)