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BGH - Entscheidung vom 31.10.2018

I ZR 224/17

Normen:
VGG § 92 Abs. 1 Nr. 2
VGG § 129 Abs. 1
ZPO § 545 Abs. 2
UrhG § 54e
UrhG § 54f

BGH, Urteil vom 31.10.2018 - Aktenzeichen I ZR 224/17

DRsp Nr. 2019/4246

Ausschließliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München für die Frage nach dem Bestehen von Auskunfts- und Meldeansprüchen nach §§ 54e und 54f UrhG als klärungsbedürftige Rechtsfrage; Bestimmung des Gerichtsstands der negativen Feststellungsklage

Der Gerichtsstand der negativen Feststellungsklage bestimmt sich regelmäßig danach, wo die gegenläufige Leistungsklage zu erheben ist.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart - 4. Zivilsenat - vom 22. November 2017 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Normenkette:

VGG § 92 Abs. 1 Nr. 2; VGG § 129 Abs. 1; ZPO § 545 Abs. 2 ; UrhG § 54e; UrhG § 54f;

Tatbestand

Die Klägerin stellt Personalcomputer, Server und andere IT-Geräte her. Die Beklagte betreibt das Inkassogeschäft mehrerer deutscher Verwertungsgesellschaften.

Mit Schreiben vom 5. April 2016 verlangte die Beklagte von der Klägerin Auskünfte über in den Jahren 2014 und 2015 in Verkehr gebrachte Produkte. In dem Antwortschreiben vom 27. Mai 2016 führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dazu aus:

Unsere Mandantin hat in den gegenständlichen Jahren einige wenige Geräte in Verkehr gebracht, die nach Ihrem (zu weiten und nicht hinreichend bestimmten) Tarif möglicherweise als "Netzwerkfestplatten" angesehen werden können (242 Stück in 2014, 274 Stück in 2015; sonstige ext. Festplatten wurden nicht in Verkehr gebracht - Nullmeldung). Tatsächlich handelt es sich um Geräte in mehrfach redundanter Auslegung mit z.B. 64 TB Speicher …

Die Beklagte erwiderte mit Anwaltsschreiben vom 20. September 2016, in dem

… eine letztmalige Frist zur vollständigen Erteilung von fehlenden Hersteller- und/oder Importauskünften … und/oder von fehlenden Händlerauskünften … bis zum 04.10.2016

gesetzt wurde.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht Stuttgart die Feststellung begehrt,

dass die von der Beklagten mit dem Schreiben vom 20. September 2016 (K 1) geltend gemachten Ansprüche auf Erteilung von Meldungen und Auskünften nicht mehr bestehen.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil gemäß § 129 Abs. 1 VGG für den Streitfall eine ausschließliche erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München bestehe. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die Klage als unzulässig angesehen, weil für die Beurteilung des von der Klägerin gestellten Feststellungsantrags eine ausschließliche erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 2, § 129 Abs. 1 VGG bestehe. Dazu hat es ausgeführt:

Die negative Feststellungsklage sei am Gerichtsstand der Leistungsklage zu erheben. Nach § 129 Abs. 1 VGG sei für Streitfälle nach § 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG ausschließlich das für den Sitz der Schiedsstelle zuständige Oberlandesgericht (hier: München) im ersten Rechtszug zuständig. § 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG erfasse Angelegenheiten, die die Vergütungspflicht für Geräte und Speichermedien nach § 54 UrhG oder die Betreibervergütung nach § 54c UrhG beträfen. Die Auslegung dieser Vorschrift ergebe, dass sie als Hilfsanträge zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs auch Ansprüche auf Auskunft erfasse.

Die Revision werde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache "zur Klärung der ausschließlichen Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München auch für die Frage nach dem Bestehen von Auskunfts- und Meldeansprüchen nach §§ 54e und 54f UrhG gemäß § 129 Abs. 1 VGG" zugelassen.

II. Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Da Land- und Berufungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen haben, ist der Rechtsstreit in der Revisionsinstanz nur in diesem Umfang angefallen (BGH, Urteil vom 11. Juli 1985 - III ZR 33/84, NJW 1986, 2765 , 2766 f. [juris Rn. 64]). Die Revision kann gemäß § 545 Abs. 2 ZPO nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.

1. Die Vorschrift des § 545 Abs. 2 ZPO gilt - mit Ausnahme der internationalen Zuständigkeit - für alle Fragen der Zuständigkeit, also auch für die Frage der ausschließlichen sachlichen Zuständigkeit nach § 129 Abs. 1 VGG (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2016 - I ZR 93/15, WRP 2017, 179 Rn. 14 mwN).

Durch § 545 Abs. 2 ZPO sollen im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Revisionsgerichts Rechtsmittelstreitigkeiten vermieden werden, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des Gerichts gestützt werden (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT- Drucks. 14/4722, S. 106). Eine Zuständigkeitsüberprüfung durch das Revisionsgericht findet daher nicht statt. Dies gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht - wie hier - die Beurteilung der Zuständigkeit durch das erstinstanzliche Gericht bestätigt und die Revision zur Klärung der Zuständigkeitsfrage zugelassen hat (BGH, Urteil vom 23. November 2016 - IV ZR 50/16, NJW 2017, 393 Rn. 9 mwN).

2. Ob eine Überprüfung der Zuständigkeit im Revisionsverfahren ausnahmsweise dann erfolgen kann, wenn die Entscheidung des Tatrichters auf Willkür oder einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht, kann offenbleiben. Einen derartigen Fall willkürlicher oder gehörswidriger Verneinung der Zuständigkeit durch das Berufungsgericht macht die Revision nicht geltend; dafür ist im Streitfall auch nichts ersichtlich.

Ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 , Art. 103 Abs. 1 GG und im Übrigen auch rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich die ausschließliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München aus der Auslegung der § 129 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG ergibt.

Der Gerichtsstand der negativen Feststellungsklage bestimmt sich regelmäßig danach, wo die gegenläufige Leistungsklage zu erheben ist (Zöller/Greger, ZPO , 32. Aufl., § 256 ZPO Rn. 20). Gegenläufige Leistungsklage wäre im Streitfall das Auskunftsbegehren der Beklagten, das der Vorbereitung einer Durchsetzung des Vergütungsanspruchs dient.

Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass eine unmittelbare Beziehung zwischen der von § 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG ausdrücklich erfassten Vergütungspflicht und Betreibervergütung einerseits und der Melde- und Auskunftspflicht nach § 54e , § 54f UrhG andererseits schon deshalb besteht, weil im Fall der Nicht- oder Schlechterfüllung der Melde- und Auskunftspflichten der doppelte Vergütungssatz verlangt werden kann (vgl. § 54e Abs. 2 und § 54f Abs. 3 UrhG ). Die Auskunfts- und Meldepflichten sind zudem nur Hilfsansprüche zur Vorbereitung des Zahlungsanspruchs. Das spricht dafür, dass mit der Erwähnung der "Vergütungspflicht für Geräte und Speichermedien nach § 54 UrhG " in § 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG auch die dazugehörigen Nebenansprüche auf Auskunft erfasst werden.

Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht den Streitgegenstand zutreffend bestimmt. Die Klägerin hat die Feststellung beantragt, dass die ihr gegenüber von der Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Erteilung von Meldungen oder Auskünften nicht mehr bestehen. Soweit das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen von der "Frage des Auskunftsanspruchs" spricht, steht das mit diesem Antrag im Einklang. Ein Auskunftsanspruch ist im Sinne von § 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG betroffen, wenn die Frage der Auskunftspflicht in Rede steht, aber auch, wenn - wie hier - über die Erfüllung der Auskunftspflicht gestritten wird. Aus der vom Berufungsgericht bei der Begründung für die Zulassung der Revision gebrauchten Formulierung, grundsätzliche Bedeutung habe die Klärung der "ausschließliche(n) Zuständigkeit des OLG München auch für die Frage nach dem Bestehen von Auskunfts- und Meldeansprüchen nach §§ 54e und 54f UrhG gemäß § 129 Abs. 1 VGG" kann nicht auf eine Verkennung des Streitgegenstands geschlossen werden. Eine Differenzierung zwischen Streitigkeiten um die Erfüllung und um das Bestehen der Ansprüche war in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, da das Berufungsgericht ersichtlich und zu Recht in beiden Fällen von einer ausschließlichen Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München ausging.

Im Übrigen ist die besondere Sachkunde des Oberlandesgerichts München auch dann gefragt, wenn es um den Auskunftsanspruch als Hilfsanspruch zur Vorbereitung eines Vergütungsanspruchs geht. Ein Auskunftsanspruch besteht nur, wenn ein Vergütungsanspruch in Betracht kommt. Es ist insoweit auch nicht zwischen dem Bestehen und der Erfüllung des Auskunftsanspruchs zu unterscheiden. Die Beantwortung der Frage, ob ein Auskunftsanspruch erfüllt worden ist, hängt vielfach von der Beantwortung der Frage ab, ob und inwieweit Auskunft verlangt werden konnte. Auch zur Beantwortung der hier in Rede stehenden Frage, ob der Auskunftsanspruch erfüllt ist, kann es daher besonderer Sachkunde bedürfen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 31. Oktober 2018

Vorinstanz: LG Stuttgart, vom 22.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 24 O 367/16
Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 22.11.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 62/17