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BGH - Entscheidung vom 12.07.2018

V ZB 52/17

Normen:
FamFG § 70 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 und S. 3
AufenthG § 15 Abs. 6 S. 2

BGH, Beschluss vom 12.07.2018 - Aktenzeichen V ZB 52/17

DRsp Nr. 2018/14616

Aufenthalt eines Ausländers ohne gültige Grenzübertrittspapiere im Transitbereich eines Flughafens vor dem Ablauf von 30 Tagen als Freiheitsentziehung; Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde in Freiheitsentziehungssachen ohne Zulassung

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen in der Rechtsbeschwerdeinstanz werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 70 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 und S. 3; AufenthG § 15 Abs. 6 S. 2;

Gründe

I.

Der Betroffene wurde am 17. Oktober 2016 auf dem Flughafen Frankfurt am Main von Beamten der beteiligten Behörde angehalten und in den Transitbereich des Flughafens verbracht, weil er keine gültigen Grenzübertrittspapiere bei sich führte. Sein Asylantrag vom 20. Oktober 2016 wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Oktober 2016 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 27. Oktober 2016 wies das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. November 2016 zurück. Dieser Beschluss ging am 8. November 2016 bei der beteiligten Behörde ein, die noch am selben Tag bei dem Amtsgericht die Verlängerung des Transitaufenthalts bis einschließlich 20. Dezember 2016 erwirkte.

Der Betroffene hat die Feststellung der Rechtswidrigkeit seines Aufenthalts im Transitbereich, soweit noch von Interesse, in der Zeit vom 4. bis 8. November 2016 beantragt. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf seine Beschwerde hat das Landgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels festgestellt, dass die Freiheitsentziehung des Betroffenen vom 5. November 2016 bis zum Erlass des Haftbeschlusses am 8. November 2016 rechtswidrig war. Dagegen wendet sich die beteiligte Behörde mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung der Betroffene beantragt.

II.

Das Beschwerdegericht geht davon aus, dass der Aufenthalt eines Ausländers im Transitbereich eines Flughafens vor dem Ablauf von 30 Tagen im Grundsatz keine Freiheitsentziehung, sondern nur eine Freiheitsbeschränkung ist. Nach dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens gemäß § 18a AsylG werde der weitere Aufenthalt des Ausländers im Transitbereich aber zu einer Freiheitsentziehung, die nur aufgrund einer richterlichen Entscheidung fortdauern dürfe. Diese habe ab dem 4. November 2016 unverzüglich herbeigeführt werden müssen. Der weitere Aufenthalt des Betroffenen im Transitbereich des Flughafens sei unter Berücksichtigung der der beteiligten Behörde einzuräumenden Vorbereitungszeit zwischen dem 5. und dem 8. November 2016 mangels richterlicher Entscheidung rechtswidrig gewesen.

III.

Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde ist schon nicht statthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen.

1. Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde ist nicht statthaft, weil sie von dem Beschwerdegericht nicht zugelassen wurde (§ 70 Abs. 1 FamFG ) und die Voraussetzungen einer nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 FamFG zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nicht vorliegen.

2. Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG ist die Rechtsbeschwerde in Freiheitsentziehungssachen ohne Zulassung statthaft. Für die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde gilt das nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG nur, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG genannten Verfahren richtet. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

a) Der nicht auf einer richterlichen Anordnung beruhende Aufenthalt eines Asylsuchenden im Transitbereich eines Flughafens ist vor Ablauf der in § 15 Abs. 6 Satz 2 AufenthG bestimmten Frist von 30 Tagen als Freiheitsentziehung im Sinne von § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 , § 415 Abs. 1 FamFG anzusehen, wenn das zuständige Bundesamt den Asylantrag des Betroffenen abgelehnt oder ihm die Einreise verweigert hat, das Verwaltungsgericht die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt und seine Entscheidung der Grenzbehörde bekannt gemacht hat und wenn eine Überlegungsfrist von drei Kalendertagen seit der Bekanntgabe an den Betroffenen verstrichen ist (Senat, Beschluss vom 12. Juli 2018 - V ZB 98/16, juris Rn. 4). Daran fehlt es hier. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts war der beteiligten Behörde am 5. November 2016 noch nicht bekannt gegeben.

b) Auch die zweite Voraussetzung liegt nicht vor. Mit der Rechtsbeschwerde wendet sich die beteiligte Behörde nicht, wie aber nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FamFG geboten, gegen einen Beschluss, durch den eine freiheitsentziehende Maßnahme abgelehnt oder zurückgewiesen worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Juni 2017 - V ZB 64/17, juris Rn. 4).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG . Die Festsetzung des Gegenstandswerts richtet sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG .

Vorinstanz: AG Frankfurt/Main, vom 07.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 934 XIV 1606/16
Vorinstanz: LG Frankfurt/Main, vom 16.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 29 T 23/17