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BGH - Entscheidung vom 20.02.2018

II ZB 2/17

Normen:
ZPO § 517
ZPO § 519 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 20.02.2018 - Aktenzeichen II ZB 2/17

DRsp Nr. 2018/3545

Anforderungen an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers in der Berufungsschrift

Mit der Berufungsschrift ist keine Berufung der Klägerinnen zu 2 und 3 eingelegt, wenn im Berufungsschriftsatz nur die Parteibezeichnung "Klägerin und Berufungsklägerin" angeführt wird. Der Zusatz in der Parteibezeichnung "u.A." lässt keinen anderen Schluss zu. Eine solche Parteibezeichnung ist für eine subjektive Klagehäufung zu unbestimmt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerinnen zu 2 und 3 gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 13. Dezember 2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: bis zu 30.000 €

Normenkette:

ZPO § 517 ; ZPO § 519 Abs. 2 ;

Gründe

I. Die Beklagte war gemeinsam mit der Klägerin zu 3 Gesellschafterin der Klägerin zu 1. Dabei handelte es sich um eine in der Krankenpflege tätige Zwei-Personen-Gesellschaft.

Vor dem Landgericht haben die Klägerin zu 1, die "A. GbR, vertreten durch den Geschäftsführer...", die Klägerin zu 2, "S. G. als A. Einzelunternehmung Rechtsnachfolger der A. GbR", und die Klägerin zu 3, S. G. , Klage gegen die Beklagte erhoben, Feststellungsanträge und Anträge auf Zustimmung zur Verfügungsbefugnis über ein Bankkonto gestellt sowie die Herausgabe von Unterlagen und die Zahlung von Beträgen an die Klägerinnen zu 2 und 3 verlangt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klage der Klägerin zu 2 hat es insgesamt als unzulässig angesehen und Klageanträge der Klägerinnen zu 1 und 3 teilweise als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Das den Klägerinnen am 7. Juni 2016 zugestellte Urteil des Landgerichts ist mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14. Juni 2016 mit der Berufung mit folgendem Inhalt angefochten worden:

"Berufung

Der A. GbR, vertreten durch die Geschäftsführerin S. G. u.A., ...

- Klägerin und Berufungsklägerin

...

lege ich hiermit namens der Klägerin und Berufungsklägerin gegen das ... Urteil des Landgerichts ... Berufung ein."

Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Berufung der Klägerinnen zu 2 und 3 als unzulässig verworfen. Hiergegen wenden sie sich mit der Rechtsbeschwerde.

II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO ). Es sind auch keine Verfahrensgrundrechte der Klägerinnen zu 2 und 3 verletzt worden und insbesondere nicht das nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG gewährte Recht auf wirkungsvollen Rechtsschutz. Das Berufungsgericht hat den Zugang zur Berufungsinstanz nicht in unzumutbarer Weise erschwert.

1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass mit der Berufungsschrift vom 14. Juni 2016 keine Berufung der Klägerinnen zu 2 und 3 eingelegt worden sei. Im Berufungsschriftsatz sei nur die Parteibezeichnung "Klägerin und Berufungsklägerin" angeführt gewesen. Ein Plural, aus dem sich ergebe, dass mehrere Berufungskläger vorhanden seien, habe gefehlt. Der Zusatz in der Parteibezeichnung "u.A." lasse keinen anderen Schluss zu. Dieser stehe im Zusammenhang mit der Vertretung der Klägerin zu 1. Im Übrigen wäre eine solche Parteibezeichnung für eine subjektive Klagehäufung zu unbestimmt. Auch das erstinstanzliche Urteil gebe keinen anderen Hinweis. § 139 ZPO sei nicht verletzt. Das Gericht habe einen Hinweis auf seine Rechtsauffassung gegeben, sobald ihm dies möglich gewesen sei. Vor Eingang der Berufungsbegründung habe kein Anlass bestanden, zu prüfen, von wem die Berufung eingelegt worden sei, weil insoweit für das Berufungsgericht aufgrund der Parteibezeichnung kein Zweifel bestanden habe, dass allein die Klägerin zu 1 Berufungsführerin habe sein sollen.

2. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerinnen zu 2 und 3 zu Recht als nicht innerhalb der Berufungsfrist nach § 517 ZPO eingelegt angesehen und deshalb als unzulässig verworfen. Der rechtlichen Nachprüfung stand hält die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der anwaltliche Schriftsatz vom 14. Juni 2016 keine Berufungseinlegung der Klägerinnen zu 2 und 3 enthält. Die Erklärung hinsichtlich der Klägerinnen zu 2 und 3, auch Berufungsklägerinnen zu sein, ist erst nach Ablauf der Berufungsfrist des § 517 ZPO und damit verspätet erfolgt.

a) Zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift nach § 519 Abs. 2 ZPO gehört neben den weiteren Voraussetzungen auch die Angabe, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2013 - XII ZB 56/13, NJW-RR 2013, 1278 Rn. 7; Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rn. 10; Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 9).

An die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers sind strenge Anforderungen zu stellen; bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung muss jeder Zweifel über die Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sein. Dabei sind alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 10; Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rn. 11). Das bedeutet allerdings nicht, dass die Person des Rechtsmittelklägers wirksam nur ausdrücklich und nur in der Berufungsschrift selbst angegeben werden kann. Vielmehr ist die Rechtsmitteleinlegung einer Auslegung zugänglich. Den Belangen der Rechtssicherheit wird deshalb auch dann genügt, wenn eine verständige Würdigung des Aktes der Berufungseinlegung jeden Zweifel über die Person des Rechtsmittelklägers ausschließt. Von daher ist es ausreichend, wenn jedenfalls mit Hilfe weiterer Unterlagen, wie etwa dem beigefügten erstinstanzlichen Urteil, bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen ist, wer Berufungskläger sein soll (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2013 - XII ZB 56/13, NJW-RR 2013, 1278 ).

b) Die Würdigung der Berufungsschrift einschließlich ihrer Auslegung durch das Berufungsgericht lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass in der Berufung ausdrücklich nur die Klägerin zu 1 als Berufungsklägerin genannt wird. Auch erfolgt die Einlegung der Berufung ausweislich der Formulierung in diesem Schriftsatz allein für die "Klägerin und Berufungsklägerin". Die Klägerin zu 1 ist als einzige in diesem Schriftsatz als Partei ausdrücklich aufgeführt.

Der Zusatz "u.A." ist hinter der Bezeichnung der vertretungsberechtigten Geschäftsführerin angeführt, so dass die Bedeutung dieses Zusatzes lebensnah vom Berufungsgericht dahin verstanden worden ist, dass hiermit lediglich Vertretungsverhältnisse angegeben werden sollten. Aus dem Zusatz ließe sich im Übrigen keine weitere Rechtsmitteleinlegung durch die Klägerinnen zu 2 und 3 ableiten. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass dieser Hinweis inhaltlich völlig unbestimmt ist, ob nur die Klägerin zu 2 zusätzliche Berufungsklägerin hätte sein sollen, nur die Klägerin zu 3 oder beide zusammen.

Der Hinweis der Klägerinnen zu 2 und 3 darauf, dass im Berufungseinlegungsschriftsatz unter dem Adressfeld auf der Höhe der Datumsangabe "G. ./. M. " angegeben ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch daraus ist nicht erkennbar, dass alle drei Klägerinnen Berufung einlegen wollten. Vielmehr ist dieser Zusatz offensichtlich eine interne Bezeichnung des Prozessbevollmächtigten und im Übrigen angesichts der ähnlichen, aber nicht gleichen Bezeichnung der Klägerinnen im Rubrum des erstinstanzlichen Urteils vollkommen unbestimmt.

Auch in Verbindung mit dem Inhalt des Urteils des Landgerichts und den Prozessakten lässt sich nicht erkennen, dass die Berufung für alle drei Klägerinnen eingelegt werden sollte. Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der Klägerin zu 2 aus anderen Gründen abgewiesen als diejenigen der Klägerinnen zu 1 und 3. Auch daraus konnte nicht ersichtlich sein, dass eine Berufung für alle drei Klägerinnen nur einheitlich hätte erfolgen können oder sollen. Dementsprechend ist weder aufgrund des zu Hilfe zu nehmenden landgerichtlichen Urteils noch aus den beigezogenen Akten ersichtlich gewesen, dass eine Berufungseinlegung für alle drei Klägerinnen beabsichtigt war. Zweifelsfrei fest stand aufgrund der Berufungseinlegung alleine, dass die Klägerin zu 1 Berufungsklägerin sein sollte.

Es gab auch keinen Anlass für das Berufungsgericht, mit einem Hinweis auf die Berufungseinlegung zu reagieren. Die Berufungsschrift hat keinen Anlass zu Zweifeln gegeben, dass nur die Klägerin zu 1 Berufung einlegen wollte. Die Prüfung der Zuständigkeit durch zwei Senate des Berufungsgerichts bezog sich deshalb alleine auf die Frage, ob für die Berufung der Klägerin zu 1 die Zuständigkeit des jeweils befassten Senats gegeben war.

Vorinstanz: LG Oldenburg, vom 31.05.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 2109/15
Vorinstanz: OLG Oldenburg, vom 13.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 28/16