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BFH - Entscheidung vom 20.11.2018

IV B 44/18

Normen:
FGO § 48, § 60 Abs. 3
BGB §§ 709 f., § 728, § 730
FGO § 48
BGB § 730
FGO § 60 Abs. 3
BGB §§ 709 f.
BGB § 728

Fundstellen:
AO-StB 2019, 78
BFH/NV 2019, 120
HFR 2019, 283

BFH, Beschluss vom 20.11.2018 - Aktenzeichen IV B 44/18

DRsp Nr. 2019/10

Zulässigkeit der Klage eines Gesellschafters einer BGB -Gesellschaft gegen die Feststellung des laufenden Gesamthandsgewinns in einem Gewinnfeststellungsbescheid

1. NV: Gegen die Feststellung des laufenden Gesamthandsgewinns in einem Gewinnfeststellungsbescheid für eine GbR kann nur die GbR durch ihre/n zur Vertretung berufenen Geschäftsführer Klage erheben. 2. NV: Wird die GbR (erst) während des Klageverfahrens vollbeendet, so wird eine mangels Klagebefugnis unzulässige Klage eines einzelnen Gesellschafters dadurch jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die Vollbeendigung erst nach Ablauf der Klagefrist eintritt.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beiladungsbeschluss des Finanzgerichts Münster vom 20. Juni 2018 10 K 2807/14 F aufgehoben.

Normenkette:

FGO § 48 , § 60 Abs. 3 ; BGB §§ 709 f., § 728 , § 730 ;

Gründe

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und der Beigeladene waren die einzigen Gesellschafter der X–GbR (GbR). Im Oktober 2010 wurde über das Vermögen der GbR das Insolvenzverfahren eröffnet, das im März 2017 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt wurde.

Mit jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung ( AO ) ergangenen Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung für 2009 vom 24. Januar 2011 und für 2010 vom 28. September 2011 stellte der Beklagte (das Finanzamt —FA—) die Besteuerungsgrundlagen für die GbR fest und hob mit Bescheiden vom 25. bzw. 26. Juni 2014 (für das Jahr 2009 bzw. das Jahr 2010) den Vorbehalt der Nachprüfung jeweils auf. Nachdem sein hiergegen gerichteter Einspruch erfolglos geblieben war, hat der Kläger im August 2014 Klage erhoben.

Über das Vermögen des Beigeladenen war im Juli 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet und im Mai 2018 aufgehoben worden. Im März 2018 hatte das für die Einkommensteuerveranlagung des Beigeladenen zuständige Finanzamt mitgeteilt, dass das FA als das für die GbR zuständige Finanzamt am 10. März 2016 die Mitteilung für 2009 und 2010 über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der entsprechenden Feststellungsbescheide habe zukommen lassen. Da seinerzeit über das Vermögen des Beigeladenen das Insolvenzverfahren schon eröffnet gewesen sei, sei eine AdV nicht mehr verfügt worden. Für 2009 und 2010 seien Beträge für rückständige Einkommensteuervorauszahlungen zur Tabelle angemeldet worden. Da diese Beträge nicht nur die Einkünfte aus der Beteiligung an der GbR beträfen, könne keine eindeutige Zuordnung erfolgen. Die zur Tabelle angemeldeten Beträge seien festgestellt worden. Widersprüche lägen nicht vor.

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 20. Juni 2018, dem Kläger zugegangen am 21. Juni 2018, hat das Finanzgericht (FG) den Beigeladenen nach § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) zum Verfahren des Klägers notwendig beigeladen, da er als Mitgesellschafter der GbR an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sei, dass eine Entscheidung ihm gegenüber nur einheitlich ergehen könne.

Mit seiner hiergegen fristgerecht am 4. Juli 2018 eingegangenen Beschwerde wendet sich der Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 8. Mai 2018 10 K 1385/15 E,U gegen die Beiladung des Beigeladenen. Übertrage man die Grundsätze dieses Urteils auf den Streitfall, so sei die nicht bestrittene Anmeldung der Einkommensteuerforderungen zur Insolvenztabelle im Verfahren des Beigeladenen wegen des Vorrangs insolvenzrechtlicher Regelungen nicht mehr änderbar. Habe damit der Ausgang des Streitverfahrens für den Beigeladenen keine Bedeutung mehr, sei seine Beiladung unzulässig.

Mit Beschluss vom 5. Juli 2018 hat das FG der Beschwerde nicht abgeholfen und dies u.a. damit begründet, dass lediglich rückständige Einkommensteuervorauszahlungen für 2009 und 2010 zur Insolvenztabelle festgestellt worden seien, nicht jedoch eine rückständige Einkommensteuerschuld für diese Jahre; ein Tabelleneintrag wirke jedoch ausschließlich für die konkret festgestellten Forderungen als vollstreckbarer Titel.

Dem hält der Kläger entgegen, dass das für den Beigeladenen zuständige Finanzamt wegen zwischenzeitlicher Verjährung der Einkommensteuerschuld weder Einkommensteuerbescheide erlassen noch die zur Tabelle angemeldeten Einkommensteuervorauszahlungen vollstrecken könne. Die Einkommensteuer-Jahresbescheide für die Streitjahre (2009 und 2010) hätten wegen des Insolvenzverfahrens nicht gegenüber dem Beigeladenen selbst ergehen können und könnten selbst bei Annahme einer dreijährigen Anlaufhemmung jetzt nicht mehr ergehen. Das gelte selbst dann, wenn man den angefochtenen Bescheiden über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung selbständig eine Verjährungshemmung nach § 171 Abs. 10 AO zuerkennen würde. Die Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheide (gemeint ist wohl: die Feststellung entsprechender Beträge zur Tabelle) wirkten zwar im Hinblick auf ihre Vollstreckung wie ein rechtskräftiges Urteil über diese Beträge. Folge gezahlten Vorauszahlungen aber kein Jahresbescheid nach, seien die Vorauszahlungsbeträge zu erstatten. Einer Vollstreckung der Vorauszahlungen könnte der Beigeladene daher den dolo-agit-Einwand entgegenhalten. Im Ergebnis habe das für die Einkommensteuerveranlagung des Beigeladenen zuständige Finanzamt also keine Möglichkeit mehr, die Einkommensteuer für die Streitjahre zu erhalten.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beiladungsbeschlusses, da auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des FG nicht entschieden werden kann, ob Herr A (Beigeladener) zu dem Streitverfahren nach § 60 Abs. 3 FGO beizuladen ist.

1. Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen. Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO ). Klagen nicht alle von mehreren nach § 48 FGO Klagebefugten, müssen deshalb die übrigen Klagebefugten mit Ausnahme solcher, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen sein können, zum Verfahren beigeladen werden (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 7. Juni 2018 IV R 11/16, Rz 18).

a) Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO kann gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid für eine GbR grundsätzlich nur die GbR durch ihre zur Vertretung berufenen Geschäftsführer Klage erheben. Soweit im Einzelfall nichts anderes vereinbart ist, kann daher eine Klage, die sich, wie im Streitfall, gegen die Feststellung des Gesamthandsgewinns in einem Gewinnfeststellungsbescheid für eine GbR richtet, in zulässiger Weise nur von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich für die GbR erhoben werden (§§ 709 f. des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—). Dem einzelnen Gesellschafter steht insoweit kein eigenes Klagerecht zu, so dass er auch nicht nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen ist. Vielmehr ist eine Klage, die in einem solchen Fall nicht von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich für die GbR erhoben wurde, bereits als unzulässig abzuweisen.

Haben die Gesellschafter hingegen im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss vereinbart, dass nur einem von ihnen die Geschäftsführung der GbR obliegen soll (vgl. § 710 BGB ), sind die anderen Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Auch in diesem Fall kommt ihre Beiladung nach § 60 Abs. 3 FGO nicht in Betracht, sofern sich ein eigenes Klagerecht nicht aus § 48 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 FGO ergibt.

b) Tritt während des Klageverfahrens einer zulässig von einer Personengesellschaft erhobenen Klage deren Vollbeendigung ein, sind grundsätzlich die durch den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid beschwerten Gesellschafter, die im Streitzeitraum an der Personengesellschaft beteiligt waren, als deren prozessuale Rechtsnachfolger anzusehen, und es gehen die Beteiligtenstellung und Prozessführungsbefugnis mit der Vollbeendigung auf diese ehemaligen Gesellschafter über (dazu ausführlich z.B. BFH-Urteil vom 13. Oktober 2016 IV R 33/13, BFHE 255, 386 , BStBl II 2018, 81 , und BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2013 IV R 25/10, jeweils m.w.N.). Wer als prozessualer Rechtsnachfolger in dieser Situation seine Klage zurücknimmt, ist nach § 60 Abs. 3 FGO zum Klageverfahren der verbleibenden prozessualen Rechtsnachfolger beizuladen.

War die Klage hingegen bei Klageerhebung unzulässig, weil sie von einem zu diesem Zeitpunkt wegen Bestehens der Personengesellschaft (noch) nicht klagebefugten Gesellschafter erhoben wurde, wird sie nicht dadurch zulässig, dass die Personengesellschaft während des Klageverfahrens vollbeendet wird. Nach den zuvor dargestellten Grundsätzen wäre zwar nunmehr auch der zunächst nicht klagebefugte Gesellschafter als dann ehemaliger Gesellschafter klagebefugt. Eine unzulässige Klage wächst aber in einem solchen Fall jedenfalls dann nicht in die Zulässigkeit hinein, wenn im Zeitpunkt der Vollbeendigung die Klagefrist (§ 47 FGO ) bereits abgelaufen war. Bei der Klagebefugnis handelt es sich zwar um eine Sachentscheidungsvoraussetzung (z.B. BFH-Beschluss vom 19. Juni 1990 VIII B 3/89, BFHE 161, 404 , BStBl II 1990, 1068 ). Diese müssen grundsätzlich erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen, sofern nicht das Gesetz etwas anderes bestimmt (z.B. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1990 I R 118/88, BFHE 162, 534 , BStBl II 1991, 242 ). Der FGO ist es allerdings fremd, einem Klagebegehren, das nicht mehr durch eine selbständige Klage geltend gemacht werden kann, den Rechtsweg zu eröffnen. Dementsprechend ist z.B. eine Klageänderung bei fristgebundenen Klagen nur innerhalb der Klagefrist zulässig (z.B. BFH-Urteil vom 26. Februar 1980 VII R 60/78, BFHE 130, 12 , BStBl II 1980, 331 ; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 67 FGO Rz 44; Steinhauff in HHSp, § 47 FGO Rz 107). Die von einem bei Klageerhebung (noch) nicht klagebefugten Gesellschafter erhobene Klage wird daher jedenfalls dann, wenn die Vollbeendigung der Personengesellschaft erst nach Ablauf der Klagefrist eintritt, nicht zulässig. Mit Eintritt der Vollbeendigung ist zwar wieder der Gesellschafter selbst klagebefugt; wegen Ablaufs der Klagefrist könnte er zu diesem Zeitpunkt aber keine zulässige Klage mehr erheben (anderer Ansicht wohl Steinhauff in HHSp, § 48 Rz 41; von Beckerath in Gosch, FGO § 48 Rz 79).

c) Im Streitfall besteht die Besonderheit, dass bei Klageerhebung sowohl über das Vermögen der GbR als auch über das des Beigeladenen jeweils das Insolvenzverfahren eröffnet war.

aa) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen wird die GbR aufgelöst (§ 728 Abs. 1 Satz 1 BGB ). Sie bleibt aber weiterhin nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO prozessführungsbefugt, wird allerdings nun von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich als Liquidatoren vertreten, es sei denn, es ist ausdrücklich für den Fall der Liquidation im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss etwas anderes vereinbart (vgl. § 730 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB ; BFH-Beschluss vom 24. März 2011 IV B 115/09, für die Prozessführungsbefugnis einer GbR in Liquidation —i.L.—; ferner BFH-Urteil vom 7. Juni 2018 IV R 11/16, für die Prozessführungsbefugnis einer KG, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde).

bb) Die GbR wird ferner aufgelöst, wenn über das Vermögen eines ihrer Gesellschafter das Insolvenzverfahren eröffnet wird (§ 728 Abs. 2 BGB ). Anders als im Fall der KG (vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs ) führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters nicht zu dessen Ausscheiden, sofern nichts anderes vereinbart ist. Er bleibt also weiterhin Gesellschafter der aufgelösten Gesellschaft und vertritt als solcher zusammen mit den anderen Gesellschaftern als Liquidator die aufgelöste GbR, sofern nichts Abweichendes vereinbart ist.

cc) Sofern die GbR im Streitfall bei Klageerhebung noch nicht vollbeendet war (dazu unten II.1.e) und die Vollbeendigung auch nicht während des Klageverfahrens eingetreten ist (dazu II.1.d), war danach eine Beiladung des A unzulässig. Die GbR bliebe nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO weiterhin prozessführungsbefugt. Haben die Gesellschafter der GbR für den Fall der Liquidation der GbR den Kläger nicht zum alleinigen Liquidator bestellt, wäre A mangels eigener Klagebefugnis nach § 48 FGO nicht beizuladen. Die Klage wäre allerdings bereits unzulässig, da sie in zulässiger Weise nur durch die GbR i.L., vertreten durch beide Gesellschafter als deren Liquidatoren, hätte erhoben werden können.

Hätten die Gesellschafter der GbR den Kläger für den Fall der Liquidation der GbR als alleinigen Liquidator bestellt, könnte die Klage zwar als solche der GbR i.L., vertreten durch den Kläger als ihren (alleinigen) Liquidator, angesehen werden und wäre insoweit zulässig. Eine Beiladung des A wäre aber gleichwohl nicht zulässig, da ihm keine eigene Klagebefugnis nach § 48 FGO zustünde.

d) Wäre die GbR erst im Laufe des Klageverfahrens vollbeendet worden, so käme eine Beiladung des A nur in Betracht, wenn eine bis zur Vollbeendigung zulässige Klage der GbR vorläge, d.h. der Kläger alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter bzw. Liquidator der GbR wäre und die Klage auch in dieser Funktion erhoben hätte. Selbst in diesem Fall müsste allerdings erst geklärt werden, ob die GbR durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wäre und wie dieser in diesem Fall vorgehen wollte (vgl. hierzu ausführlich BFH-Urteil in BFHE 255, 386 , BStBl II 2018, 81 , und BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2013 IV R 25/10, jeweils m.w.N.).

e) Wäre die GbR bei Klageerhebung bereits vollbeendet gewesen, wäre ihre Befugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO , als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid zu erheben, erloschen. Die Vollbeendigung hätte zur Folge, dass jeder vom Gewinnfeststellungsbescheid betroffene Gesellschafter selbst klagebefugt wäre und die übrigen Gesellschafter, die nicht selbst Klage erhoben haben, nach § 60 Abs. 3 FGO zu diesem Klageverfahren notwendig beizuladen wären, soweit sie vom Ausgang des Rechtsstreits selbst betroffen sind (z.B. BFH-Beschluss vom 12. April 2007 IV B 69/05, BFH/NV 2007, 1923 ; BFH-Urteil vom 30. August 2012 IV R 44/10, Rz 21).

aa) Zwar wird eine Personengesellschaft durch das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters liquidationslos vollbeendet (z.B. BFH-Urteil vom 30. August 2012 IV R 44/10, Rz 20). Soweit zwischen den Gesellschaftern im Streitfall nichts anderes vereinbart war, hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des A aber nicht zu seinem Ausscheiden aus der GbR und damit auch nicht zu deren liquidationsloser Vollbeendigung geführt.

bb) Steuerrechtlich wäre auch dann keine Vollbeendigung der GbR bei Klageerhebung anzunehmen, wenn zu diesem Zeitpunkt trotz zivilrechtlicher Vollbeendigung durch Liquidation noch ein Rechtsstreit über einen Betriebssteuerbescheid (z.B. Gewerbesteuermessbescheid, Umsatzsteuerbescheid) anhängig gewesen wäre (dazu BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1923 ).

cc) Eine Personengesellschaft kann allerdings vollbeendet sein, wenn die Gesellschaft ihre geschäftliche Betätigung eingestellt und ihr Aktivvermögen verloren hat und Nachschüsse der Gesellschafter zur Begleichung der Schulden im Rahmen der Abwicklung nicht zu erlangen sind. Steht fest, dass die Personengesellschaft vermögenslos ist, ist sie vollbeendet (vgl. BFH-Urteile vom 30. März 2017 IV R 3/15, zur Vollbeendigung einer KG, und vom 1. Juli 2004 IV R 4/03, BFH/NV 2005, 162 , zur Vollbeendigung einer GbR).

2. a) Ob ausgehend von den dargestellten Grundsätzen eine Beiladung des A (nach § 60 Abs. 3 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO ) —der dann sonstige Gründe nicht entgegenstünden (dazu unten II.2.b) in Betracht kommt, lässt sich den bisherigen Feststellungen und dem Akteninhalt nicht entnehmen, sondern bedarf weiterer Aufklärung. Diese und die insoweit noch erforderliche Tatsachenfeststellung werden dem FG übertragen.

Im Beschwerdeverfahren hat der BFH als Tatsachengericht zwar grundsätzlich selbst die Befugnis und Pflicht zur Tatsachenfeststellung. Gleichwohl kann er die Tatsachenfeststellung dem weiteren Verfahren vor dem FG vorbehalten, wenn, wie hier, die erforderlichen Feststellungen besser durch das FG getroffen werden können. Dies entspricht auch der Aufteilung der Rechtsprechungsfunktionen unter den Gerichten. Danach hat der BFH als Revisions- und Beschwerdegericht in erster Linie die Aufgabe, die Entscheidungen der FG zu überprüfen, wohingegen die FG dem Rechtsuchenden den ersten Zugang zum Richter zu bieten haben. Sie können diese Aufgabe in der Regel auch schneller und effektiver erfüllen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 3. März 2009 X B 197/08, BFH/NV 2009, 961 , m.w.N., zur Zurückverweisung an das FG zur ergänzenden Tatsachenfeststellung in einem Beschwerdeverfahren wegen AdV).

b) Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, dass A als ehemaliger Gesellschafter nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen ist, könnte von seiner Beiladung nur abgesehen werden, wenn er vom Ausgang des Rechtsstreits unter keinem denkbaren Gesichtspunkt betroffen sein könnte. Dabei kann dahinstehen, ob sich —wozu der Senat neigt— diese Frage nicht allein nach den Verhältnissen des konkreten Rechtsstreits richtet; insoweit ergäbe sich die Betroffenheit des A daraus, dass eine anderweitige Feststellung des Gesamthandsgewinns auch Auswirkungen auf die absolute Höhe des Anteils hätte, der ihm von diesem Gewinn zuzurechnen wäre. Selbst wenn man aber für die Frage der Betroffenheit auch auf etwaige Folgen für andere Verfahren abstellen würde, wäre eine Betroffenheit des A durch den Ausgang des konkreten Rechtsstreits nicht ausgeschlossen. Nach dem Schreiben des für die Einkommensteuerveranlagung des A zuständigen Finanzamts vom 5. März 2018 hat dieses für die Streitjahre rückständige Einkommensteuervorauszahlungen zur Insolvenztabelle angemeldet, die auch auf die Einkünfte aus der Beteiligung an der GbR entfielen; die Beträge seien zur Tabelle festgestellt worden, ein Widerspruch sei nicht eingelegt worden. Selbst wenn man mit dem Kläger davon ausginge, dass einer endgültigen Einkommensteuerfestsetzung für die Streitjahre zwischenzeitlich der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegenstünde und auch eine Herabsetzung des Gesamthandsgewinns in den angegriffenen Feststellungsbescheiden im konkreten Rechtsstreit trotz der in § 171 Abs. 10 AO angeordneten Ablaufhemmung nicht mehr zu einer (erstmaligen) Festsetzung von Einkommensteuer für die Streitjahre führen könnte, wäre nicht ausgeschlossen, dass der Ausgang des Rechtsstreits über die Feststellungsbescheide für die Einkommensteuerfestsetzung als Folgeverfahren noch von Bedeutung wäre. Denn weder ist höchstrichterlich geklärt, ob bestandskräftig festgesetzte Einkommensteuervorauszahlungen auch dann nicht zu erstatten sind, wenn vor Eintritt der Festsetzungsverjährung kein Jahressteuerbescheid mehr ergangen ist, noch ist durch den BFH geklärt, ob die bestandskräftig festgesetzten Vorauszahlungen in diesem Fall jedenfalls an einen zwischenzeitlich ergangenen oder geänderten Gewinnfeststellungsbescheid als Grundlagenbescheid anzupassen sind.

3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (vgl. BFH-Beschluss vom 26. April 2017 IV B 75/16).

Vorinstanz: FG Münster, vom 20.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 10 K 2807/14
Fundstellen
AO-StB 2019, 78
BFH/NV 2019, 120
HFR 2019, 283