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BVerwG - Entscheidung vom 14.12.2017

1 WB 10.17

Normen:
WBO § 17 Abs. 3 S. 1
WBO § 21 Abs. 2 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 14.12.2017 - Aktenzeichen 1 WB 10.17

DRsp Nr. 2018/3603

Merkmale einer wehrdienstgerichtlich anfechtbaren dienstlichen Maßnahme; Nachbetrachtung einer Oberstabsfeldwebel-Verwendung

Der Begriff der Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 S. 1 WBO ) setzt eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines Vorgesetzten oder einer Dienststelle der Bundeswehr voraus, die im Verhältnis der Über- und Unterordnung getroffen oder erbeten wird; dabei kommt es nicht darauf an, ob sie auch auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen abzielt. An einzelne Soldaten gerichtete Äußerungen des Bundesministeriums der Verteidigung oder einer Dienststelle der Bundeswehr zu bestimmten Rechtsfragen erfolgen dagegen nicht in diesem Sinne auf der Grundlage eines militärischen Über- oder Unterordnungsverhältnisses. Derartige Rechtsauskünfte oder rechtliche Informationen im Sinne eines Rechtsrates beinhalten keine truppendienstliche Maßnahmen, die in konkrete individuelle Rechte des jeweiligen Soldaten eingreifen oder diese unmittelbar betreffen könnten.

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Normenkette:

WBO § 17 Abs. 3 S. 1; WBO § 21 Abs. 2 S. 1;

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft ein Schreiben des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr, in dem es zu Fragen einer möglichen Schadlosstellung des Antragstellers Stellung genommen hat.

...

Zum Vorlagetermin 30. September 2012 wurde der Antragsteller am 6. Juli 2012 planmäßig beurteilt. Er erreichte nach seiner Darstellung einen Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten von 7,30 und die Entwicklungsprognose "Förderung bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn". Diese Beurteilung hob das Bundesamt für das Personalmanagement am 14. März 2013 auf. Mit der am 12. April 2013 neugefassten planmäßigen Beurteilung zum 30. September 2012, die einen Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 7,25 und die Entwicklungsprognose "Förderung bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn" enthielt, wurde der Antragsteller in der Perspektivkonferenz 2013 vorgestellt. Am 15. April 2015 wurde diese Neufassung ebenfalls aufgehoben. Die am 13. Juli 2015 erstellte (zweite) Neufassung der planmäßigen Beurteilung enthielt einen Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 8,13 und - unverändert - die Entwicklungsprognose der höchsten Stufe.

Ausweislich der Akten und nach eigener Mitteilung wurde der Antragsteller in der Perspektivkonferenz 2013 nicht dem Anwärter- oder Kandidatenkreis für Oberstabsfeldwebel-Verwendungen zugeordnet.

Mit Schreiben vom 7. Juli 2016 bat der Antragsteller das Bundesamt für das Personalmanagement um eine rechtsverbindliche Stellungnahme zu der zweimal aufgehobenen Beurteilung zum Vorlagetermin 30. September 2012 im Zusammenhang mit der Perspektivkonferenz 2013. Er bat, insbesondere darauf einzugehen, wie die ihm entstandenen Laufbahnnachteile geheilt werden könnten.

In seiner Antwort vom 29. Juli 2016 erklärte das Bundesamt für das Personalmanagement, dass es das Anfrageschreiben des Antragstellers als Auskunftsersuchen werte. Für Überlegungen zu Heilungen und Schadlosstellungen bestehe weder Raum noch Veranlassung. In der Perspektivkonferenz 2013 sei der Antragsteller mit der im Jahr 2013 neu gefassten planmäßigen Beurteilung vorgestellt und betrachtet worden. Das sei trotz der zwischenzeitlich gegen die Beurteilung eingelegten Beschwerde zulässig gewesen. Mit der zweiten neu erstellten planmäßigen Beurteilung habe man den Antragsteller dann in der Perspektivkonferenz 2015 betrachtet und dem Anwärterkreis für Oberstabsfeldwebel-Verwendungen zugeordnet. Auf dieser Basis sei er im Rahmen der Bestenauslese für die Besetzung eines nach Besoldungsgruppe A 9 mZ bewerteten Dienstpostens beim Bundesamt für das Personalmanagement zum 1. Januar 2018 ausgewählt worden. Eine Benachteiligung sei hiernach nicht erkennbar. In diesem Zusammenhang bleibe jedwede mögliche Nachbetrachtung ohne Folgen, weil die Zuordnung zum Anwartschaftskreis keinen Automatismus für eine Förderung zum Oberstabsfeldwebel zeitige. Eine derartige Förderung könne auch rückblickend nicht durchgeführt werden. Eine bloße AnwärterkreisBetrachtung werde ins Leere laufen.

Mit seiner dagegen unter dem 1. September 2016 erhobenen Beschwerde machte der Antragsteller geltend, dass er in der Perspektivkonferenz 2013 bei der Auswahl für Oberstabsfeldwebel-Dienstposten zum Zuge gekommen wäre, wenn man ihn damals mit der zweiten Neufassung seiner planmäßigen Beurteilung betrachtet hätte. Der letzte Bewerber, der zum Zuge gekommen sei, habe damals einen Punktsummenwert von 600,667 Punkten erzielt. Mit der zweiten Neufassung der Beurteilung hätte er selbst einen Punktsummenwert in Höhe von 611,80 Punkten erreicht. Im Schreiben vom 29. Juli 2016 würden ausdrücklich eine Nachbetrachtung und eine Heilung von Laufbahnnachteilen abgelehnt. Insoweit sei das Schreiben als anfechtbarer Bescheid zu qualifizieren, der einen eigenständigen Regelungsgehalt aufweise. Es sei noch möglich, ihn nachträglich dem Anwartschaftskreis zuzuordnen. Die ihm entstandenen Laufbahnnachteile müssten ausgeglichen werden. Das müsse im Wege des Schadensersatzes für die Vergangenheit und die Zukunft geschehen. Einen gesonderten Antrag auf dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtliche Schadlosstellung habe er im Beschwerdeschreiben vom 1. September 2016 gestellt.

Die Beschwerde wies das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - mit Beschwerdebescheid vom 18. Januar 2017 mit der Begründung zurück, dass die angefochtene Mitteilung vom 29. Juli 2016 keine anfechtbare truppendienstliche Maßnahme darstelle, sondern ein informatorisches Aufklärungsschreiben.

Gegen diese ihm am 24. Januar 2017 eröffnete Entscheidung beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 2. Februar 2017 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Den Antrag hat das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - mit seiner Stellungnahme vom 23. März 2017 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Zur Begründung wiederholt und vertieft der Antragsteller sein Beschwerdevorbringen. Er betont, seine Nachbetrachtung für Oberstabsfeldwebel-Verwendungen werde möglich sein, wenn er von den förderlichen Verwendungsentscheidungen im Zuordnungszeitraum der Perspektivkonferenz 2013 Kenntnis erlangt haben werde.

Der Antragsteller beantragt,

den Bescheid des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 29. Juli 2016 in Gestalt der Beschwerdeentscheidung vom 18. Januar 2017 aufzuheben, soweit darin die Ablehnung der Nachbetrachtung/ Schadlosstellung des Antragstellers erfolgt.

Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Es verteidigt den Inhalt des angefochtenen Beschwerdebescheids und weist ergänzend darauf hin, dass eine Ablehnung der Nachbetrachtung bzw. Schadlosstellung des Antragstellers nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gewesen sei. Mit dem Schreiben vom 29. Juli 2016 habe das Bundesamt für das Personalmanagement die ausdrücklich als solche gekennzeichnete Beantwortung eines Auskunftsersuchens des Antragstellers formuliert. Die förmliche Ablehnung eines Schadlosstellungsbegehrens sei darin nicht zu sehen. Dies habe der Antragsteller auch erkannt, weil er anderenfalls nicht in seiner Beschwerde vom 1. September 2016 in Gestalt eines spezifischen Antrags seine dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtliche Schadlosstellung gefordert hätte. Dieser Antrag auf Schadlosstellung sei anschließend in einem getrennten Verfahren behandelt worden. Auch die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers sei ersichtlich davon ausgegangen, dass die Schadlosstellung vor dem 1. September 2016 noch nicht Verfahrensgegenstand gewesen sei, weil sie in ihrem an das Bundesamt für das Personalmanagement gerichteten Schreiben vom 16. November 2016 die Vertretung des Antragstellers in dem gesonderten, auf Schadlosstellung gerichteten Verfahren angezeigt habe.

Den im Beschwerdeschreiben vom 1. September 2016 zusätzlich gestellten Antrag des Antragstellers, ihm aufzuzeigen, welche förderlichen Auswahl- und Versetzungsentscheidungen in der Zeit seit der Perspektivkonferenz 2013 (Zuordnungszeitraum 1. April 2014 bis 31. März 2016) stattgefunden hätten, bei denen er aufgrund seiner Nichtzuordnung zum Anwartschaftskreis entweder nicht mitbetrachtet worden sei oder unterlegen gewesen sei, für die er aber aufgrund seiner Eignung, Leistung und Befähigung grundsätzlich in Betracht gekommen wäre, lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement mit Bescheid vom 10. Januar 2017 ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers wies das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - mit Beschwerdebescheid vom 14. Februar 2017 zurück. Der vom Antragsteller unter dem 27. Februar 2017 erhobene Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist Gegenstand des Verfahrens BVerwG 1 WB 16.17. Einen parallel zu diesem Verfahren gestellten Eilrechtsschutzantrag des Antragstellers hat der Senat mit Beschluss vom 2. Juni 2017 - BVerwG 1 WDS-VR 3.17 - abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - 158/17 -, die Gerichtsakten BVerwG 1 WB 16.17 und BVerwG 1 WDS-VR 3.17 sowie die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

Der anwaltlich gestellte Antrag,

den Bescheid des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 29. Juli 2016 in Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesministeriums der Verteidigung vom 18. Januar 2017 insoweit aufzuheben, als darin die Ablehnung der Nachbetrachtung/Schadlos- stellung des Antragstellers erfolgt sei, ist unzulässig.

Die Ausführungen des Bundesamts für das Personalmanagement zu diesen beiden Themen erfüllen nicht die Merkmale einer wehrdienstgerichtlich anfechtbaren dienstlichen Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO ); sie sind deshalb einer gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 17 Abs. 1 , Abs. 3 Satz 1 WBO (gegebenenfalls i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO ) nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder die Unterlassung einer solchen Maßnahme rechtswidrig sei. Der Begriff der Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift setzt dabei eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines Vorgesetzten oder einer Dienststelle der Bundeswehr voraus, die im Verhältnis der Über- und Unterordnung getroffen oder erbeten wird; dabei kommt es nicht darauf an, ob sie auch auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen abzielt. An einzelne Soldaten gerichtete Äußerungen des Bundesministeriums der Verteidigung oder einer Dienststelle der Bundeswehr zu bestimmten Rechtsfragen erfolgen dagegen nicht in diesem Sinne auf der Grundlage eines militärischen Über- oder Unterordnungsverhältnisses. Derartige Rechtsauskünfte oder rechtliche Informationen im Sinne eines Rechtsrates beinhalten keine truppendienstliche Maßnahmen, die in konkrete individuelle Rechte des jeweiligen Soldaten eingreifen oder diese unmittelbar betreffen könnten (vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse vom 27. Mai 2009 - 1 WB 18.09 - Rn. 19, 20 und vom 22. März 2011 - 1 WB 9.11 - Rn. 31 jeweils m.w.N.).

Das Antwortschreiben des Bundesamts für das Personalmanagement vom 29. Juli 2016 auf die Anfrage des Antragstellers vom 7. Juli 2016 stellt vor diesem Hintergrund eine Rechtsauskunft an den Antragsteller, hingegen keine truppendienstliche Maßnahme dar. Das Bundesamt für das Personalmanagement hat in diesem Schreiben schon im Betreff und erneut im Eingangssatz betont, dass es die Anfrage des Antragstellers lediglich als ein Auskunftsersuchen qualifiziert. Nachdem der Antragsteller seine Beschwerde vom 1. September 2016 vorgelegt hatte, wiederholte und unterstrich das Bundesamt für das Personalmanagement in seinem Antwortschreiben vom 19. Oktober 2016, dass die Mitteilung vom 29. Juli 2016 noch keine Maßnahme darstelle, die in rechtlich geschützte Interessen des Antragstellers eingreife, sondern vielmehr - wie ausdrücklich erwähnt - ein reines Aufklärungs- bzw. Auskunftsschreiben, das noch keine rechtserheblichen Auswirkungen auslöse.

Abgesehen davon ist ein förmlicher Regelungsgehalt, wie ihn der Antragsteller geltend macht, dem Schreiben vom 29. Juli 2016 auch deshalb abzusprechen, weil der Antragsteller in seiner Anfrage vom 7. Juli 2016 nur um eine Äußerung gebeten hatte, wie die ihm aus seiner Sicht entstandenen Laufbahnnachteile geheilt werden könnten. Er hatte dabei nicht von sich aus konkrete Instrumente oder Maßnahmen einer Schadlosstellung benannt, über die er einen definitiven Bescheid erwartete; vielmehr hat er bei sachgerechter Auslegung seines Anfragebegehrens eine diesbezügliche Beratung und Auskunft des Bundesamts für das Personalmanagement erbeten.

Selbst wenn das Antwortschreiben des Bundesamts für das Personalmanagement vom 29. Juli 2016 als rechtsverbindliche Ankündigung einer Ablehnung jeglicher Schadlosstellung zu qualifizieren wäre, wäre es gegenüber dem Antragsteller noch nicht als anfechtbare dienstliche Maßnahme zu qualifizieren. Das Bundesamt für das Personalmanagement hat den auf bestimmte Formen der Schadlosstellung konkretisierten Antrag des Antragstellers vom 1. September 2016 erst mit dem gesonderten Bescheid vom 11. Juli 2017 beschieden und abgelehnt, ohne dem Antragsteller an dieser Stelle - in Gestalt einer wiederholenden Verfügung - entgegen zu halten, dass eine definitive Ablehnung schon zuvor mit dem Schreiben vom 29. Juli 2016 erfolgt sei.

Abgesehen von diesen rechtlichen Erwägungen entfaltet das Auskunftsschreiben vom 29. Juli 2016 zu Fragen einer Schadlosstellung auch keine Rechtsscheinwirkung, die mit dem Aufhebungsantrag bekämpft werden könnte. Der Bescheid vom 11. Juli 2017 wiederholt nicht den Inhalt dieses Auskunftsschreibens, sondern trifft hinsichtlich des dezidierten Schadlosstellungsantrags des Antragstellers vom 1. September 2016 eine eigenständige Sachentscheidung.

Der Senat hat davon abgesehen, den Antragsteller mit Verfahrenskosten zu belasten, weil er die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht als gegeben erachtet.