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BVerwG - Entscheidung vom 19.12.2017

4 BN 32.17

Normen:
BNatSchG § 20 Abs. 2
BNatSchG § 20 Abs. 3
BNatSchG § 26 Abs. 1
BNatSchG § 29

BVerwG, Beschluss vom 19.12.2017 - Aktenzeichen 4 BN 32.17

DRsp Nr. 2018/989

Gliederung eines Landschaftsschutzgebiets in mehrere geografisch nicht miteinander verbundene Teilgebiete; Verklammerung der Teilgebiete durch die vom Verordnungsgeber gesetzmäßig verfolgten Schutzzwecke

1. Ein Landschaftsschutzgebiet i.S.d. § 26 BNatSchG kann aus mehreren geografisch nicht miteinander verbundenen Teilgebieten bestehen.2. Der in § 26 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verwendete Begriff der Erholung ist in § 7 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG legal definiert und umfasst das natur- und landschaftsverträglich ausgestaltete Natur- und Freizeiterleben einschließlich natur- und landschaftsverträglicher sportlicher Betätigung. Ob dem Gebiet eine "besondere Bedeutung" für die Erholung i.S.v. § 26 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG zukommt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles und insbesondere danach, ob sich aus der Lage, der Beschaffenheit oder der Schönheit des Gebiets ein besonderer Erlebnis- und Entspannungswert ergibt. Dem - besonderen - Erholungswert kann nicht nur durch einen Aufenthalt in einer naturnahen Zone Rechnung getragen werden, sondern auch dadurch, dass dem Betrachter aus angrenzenden Bereichen der Anblick einer naturnahen Zone ermöglicht wird.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Normenkette:

BNatSchG § 20 Abs. 2 ; BNatSchG § 20 Abs. 3 ; BNatSchG § 26 Abs. 1 ; BNatSchG § 29 ;

Gründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin beimisst. Auf ihre Fragen lässt sich anhand des Gesetzeswortlauts und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres bereits im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde antworten. Der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es nicht.

1. Die in verschiedenen Formulierungen präsentierte Frage, ob ein Landschaftsschutzgebiet im Sinne des § 26 BNatSchG aus mehreren geografisch nicht miteinander verbundenen Teilgebieten bestehen kann, ist zu bejahen.

Nach § 26 Abs. 1 BNatSchG sind Landschaftsschutzgebiete rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen aus einzeln benannten Gründen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist.

Die Vorschrift trifft weder hinsichtlich der Größe noch des Zuschnitts nähere Angaben. Der Umgriff richtet sich nach dem Zweck des Schutzes, der erreicht werden soll (vgl. Mühlbauer, in: Lorz/Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht, 3. Aufl. 2013, § 26 BNatSchG Rn. 10). Schutzgegenstand ist eine Fläche, nicht bestimmte Einzelbestandteile oder Einzelobjekte (Schink, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht Nordrhein-Westfalen, 1989, Rn. 595). Die großräumige Perspektive mag der Grund dafür sein, dass es sich bei Landschaftsschutzgebieten regelmäßig um großflächige Gebiete handelt. Innerhalb dieser Gebiete können sich Grundstücke befinden, welche die Kriterien für die Schutzausweisung nicht erfüllen. Sie dürfen in den Schutzumgriff nur einbezogen werden, wenn sie für den Schutz der schutzfähigen Flächen in irgendeiner Weise von Bedeutung sind, und sei es als Puffer- oder Randzone (Schmidt-Räntsch, in: Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG , 2. Aufl. 2003, § 26 Rn. 11). Eine Unterschutzstellung von Grundstücken, die zum Schutzzweck keinen Beitrag leisten, ist nicht erforderlich. Auch kann es geboten sein, Grundstücke, die sich für eine Unterschutzstellung eignen, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vom Schutzumgriff auszunehmen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 5. Februar 2009 - 7 CN 1.08 - Buchholz 406.400 § 23 BNatSchG 2002 Nr. 1 Rn. 36). Die Existenz solcher Grundstücke kann dazu führen, dass das Schutzgebiet nicht in sich geschlossen ist, sondern aus Teilgebieten besteht, die nicht einmal eine Punktverbindung aufweisen. Dies nimmt das Bundesnaturschutzgesetz hin, wenn die Teilgebiete durch die vom Verordnungsgeber gesetzmäßig verfolgten Schutzzwecke verklammert sind.

Der Systematik des Bundesnaturschutzgesetzes widerspricht das nicht.

§ 20 Abs. 3 BNatSchG steht der Gliederung eines Landschaftsschutzgebiets in mehrere geografisch nicht miteinander verbundene Teilgebiete nicht entgegen. Die Vorschrift erklärt die in § 20 Abs. 2 BNatSchG genannten Schutzgebiete zu Bestandteilen des Biotopverbundes, soweit sie dafür die entsprechende fachliche Eignung aufweisen. Das ist im Hinblick auf die in § 21 Abs. 1 BNatSchG definierten Zwecke des Biotopverbundes der Fall, wenn sie zur dauerhaften Sicherung der Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten, Biotope und Lebensgemeinschaften sowie der Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen und zur Verbesserung des Zusammenhangs des Netzes "Natura 2000" beitragen. Ein Biotopverbund ist ein Zusammenschluss von Flächen, welche die in § 21 Abs. 1 BNatSchG bezeichneten Anforderungen an die ökologische Wertigkeit von geschützten Flächen erfüllen. Dass die Flächen, die miteinander verbunden werden, Bestandteile in sich geschlossener Schutzgebiete sein müssen, ergibt sich aus § 20 Abs. 3 BNatSchG nicht.

Auch § 29 BNatSchG rechtfertigt nicht die Schlüsse, welche die Antragstellerin aus ihm zieht. In der Vorschrift geht es um Objektschutz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1995 - 4 NB 8.95 - Buchholz 406.401 § 18 BNatSchG Nr. 4 S. 9) und nicht, wie bei § 26 BNatSchG , um Flächenschutz. Die Grenze zwischen Objekt- und Flächenschutz wird nicht dadurch aufgelöst oder die Grenzziehung entbehrlich, dass ein Landschaftsschutzgebiet in geografisch separierte Teilgebiete gegliedert wird. Nicht die geografischen Grenzen eines Landschaftsraums, sondern die Schutzzwecke sind maßgeblich dafür, ob § 26 oder § 29 BNatSchG zur Anwendung kommt. Ein Landschaftsschutzgebiet, das aus mehreren auseinander liegenden Teilgebieten besteht, ist mit einer Mehrzahl geschützter Landschaftsbestandteile nicht identisch.

2. Mit der mehrfach variierten Frage nach dem Inhalt des Begriffs der Erholung im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG möchte die Antragstellerin die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs zum Gegenstand eines Revisionsverfahrens machen, dem Erholungswert eines Landschaftsraums könne auch dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Betrachter aus angrenzenden Bereichen der Anblick einer naturnahen Zone bzw. großer Freiflächen ermöglicht werde, die nicht durch weitere Wege für Erholungssuchende erschlossen seien oder sonst jederzeit betreten werden könnten (UA Rn. 48). Auch das führt nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision. Der in § 26 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verwendete Begriff der Erholung ist in § 7 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG legal definiert und umfasst das natur- und landschaftsverträglich ausgestaltete Natur- und Freizeiterleben einschließlich natur- und landschaftsverträglicher sportlicher Betätigung (Appel, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG , 2. Aufl. 2016, § 26 Rn. 21 m.w.N.). Ob dem Gebiet eine "besondere Bedeutung" für die Erholung im Sinne von § 26 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG zukommt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles und insbesondere danach, ob sich aus der Lage, der Beschaffenheit oder der Schönheit des Gebiets ein besonderer Erlebnis- und Entspannungswert ergibt (Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2017, § 26 BNatSchG Rn. 12; Appel a.a.O., jeweils m.w.N.). Zu Recht geht daher der Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung mit dem VGH Mannheim (Urteil vom 15. November 1993 - 5 S 615/91 - NuR 1992, 190 <192>) davon aus, dass dem - besonderen - Erholungswert nicht nur durch einen Aufenthalt in einer naturnahen Zone Rechnung getragen werden kann, sondern auch dadurch, dass dem Betrachter aus angrenzenden Bereichen der Anblick einer naturnahen Zone ermöglicht wird. Einen hierüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Bayern, vom 13.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 14 N 14.2400