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BVerwG - Entscheidung vom 07.02.2017

9 B 30.16

Normen:
ThürKAG § 7 Abs. 1 S. 1
ThürWG § 58 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
WHG § 54 Abs. 2 S. 1-2
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3

BVerwG, Beschluss vom 07.02.2017 - Aktenzeichen 9 B 30.16

DRsp Nr. 2017/4280

Beitragspflicht bei Beseitigung des in Kleinkläranlagen anfallenden Fäkalschlamms zur Abwasserbeseitigung

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 25. April 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 228,44 € festgesetzt.

Normenkette:

ThürKAG § 7 Abs. 1 S. 1; ThürWG § 58 Abs. 1 S. 3 Nr. 1; WHG § 54 Abs. 2 S. 1-2; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 ;

Gründe

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ). Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ) nicht verletzt.

Der klägerische Vortrag genügt bereits in großen Teilen nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO . Danach muss die Beschwerdebegründung den Verfahrensmangel bezeichnen, d.h. im Falle eines gerügten Gehörsverstoßes - obwohl es sich um einen absoluten Revisionsgrund handelt (§ 138 Nr. 3 VwGO ) - im Einzelnen darlegen, welches konkrete, entscheidungserhebliche Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO Stand Juni 2016, § 133 Rn. 41 m.w.N.). Das Vorbringen des Klägers erschöpft sich indes weitestgehend in der Darlegung seiner eigenen rechtlichen Bewertung des angefochtenen Beitragsbescheides.

Dessen ungeachtet, liegt keine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung vor. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs verlangt vom Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist jedoch nicht gehalten, das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO ). Aus einem Schweigen der Urteilsgründe zu einem bestimmten Vorbringen eines Beteiligten kann deshalb noch nicht geschlossen werden, das Gericht habe dieses nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1999 - 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3).

Der Kläger hat im Berufungsverfahren seine Beitragspflicht im Wesentlichen unter Hinweis darauf bestritten, in L. gebe es keine Entwässerungseinrichtung, weshalb sein Grundstück auch nicht hieran angeschlossen sein könne. Der Abtransport angefallenen Schlamms aus Kleinkläranlagen durch Fuhrunternehmen sei eine Abfall-, keine Abwasserbeseitigung. Nach den danach maßgeblichen Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes bestehe keine Andienungspflicht, wenn der Eigentümer - wie vorliegend der Kläger - die Abfälle auf seinem Grundstück verwerte. Die Zwangsabholung von Fäkalschlamm verletze in diesem Fall Art. 13 und 14 GG . Auf die Frage der Wirksamkeit der Beitragsund Gebührensatzung komme es nicht an.

Mit diesem Vorbringen hat sich das Berufungsgericht ausführlich auseinandergesetzt. Dass es hierbei zu einer anderen rechtlichen Bewertung gekommen ist als der Kläger, begründet unabhängig von der Rechtmäßigkeit dieser Bewertung weder einen Gehörs- noch einen sonstigen Verfahrensverstoß (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2012 - 9 B 71.11 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 42 Rn. 8). Gleiches gilt für den Einwand des Klägers, der angefochtene Beschluss stelle zu Unrecht fest, er - der Kläger - habe keinen Antrag gestellt. Eine ausdrückliche Antragstellung enthalten seine Schriftsätze im Berufungsverfahren der Beklagten nicht. Ob das Berufungsgericht dem klägerischen Vortrag sinngemäß einen - hier allein in Betracht kommenden - Antrag auf Zurückweisung der Berufung hätte entnehmen müssen, kann dahingestellt bleiben. Da das Gericht das Vorbringen des Klägers in der Sache berücksichtigt hat, hätte dieser Fehler allein zu einer Unrichtigkeit des Tatbestandes geführt, die nicht mit der Revision als Verfahrensmangel, sondern nur mit einem Berichtigungsantrag nach § 119 VwGO geltend gemacht werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. August 1992 - 8 C 72.90 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 19 S. 5; Beschluss vom 22. November 1979 - 7 B 146.78 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 180). Schließlich kann dahingestellt bleiben, ob die weitere Feststellung, der in der Kleinkläranlage des Klägers anfallende Fäkalschlamm werde im Auftrag der Beklagten von einem Privatunternehmer entsorgt, den - unwidersprochen gebliebenen - klägerischen Einwand übergeht, dies sei nur in einzelnen Jahren erfolgt. Das Berufungsgericht hat die Entstehung der Vorteilslage nicht mit der tatsächlichen Abholung des Klärschlamms, sondern mit der dauerhaften Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Entwässerungseinrichtung mittels eines Fahrzeugs, mit dem das zu überlassende Abwasser zur Kläranlage befördert wird, begründet (UA S. 5 f.). Insoweit war zwischen den Beteiligten unstreitig, dass diese Möglichkeit auch in den Jahren bestand, in denen keine Abholung erfolgte. Darauf, wie oft der auf dem Grundstück des Klägers angefallene Klärschlamm abgeholt wurde, kam es danach aus der für die Beurteilung des geltend gemachten Verfahrensfehlers maßgeblichen Sicht des Oberverwaltungsgerichts unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt an.

Soweit der Kläger darüber hinaus einen Gehörsverstoß durch das Verwaltungsgericht geltend macht, vermag dies die Zulassung der Revision schon deshalb nicht zu begründen, weil ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nur ein dem Verfahren der Berufungsinstanz anhaftender Mangel ist (BVerwG, Beschluss vom 16. November 1982 - 9 B 3232.82 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 216).

2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen.

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

Den Fragen:

Sind Transportfahrzeuge eines privaten Fuhrunternehmens (Abfalltransportunternehmen), die zum Einsammeln und Transportieren von Abfall/Klärschlamm eingesetzt werden, grundsätzlich technischer und rechtlicher Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung?

Kann eine aufgabenbezogene Nutzung von Transportfahrzeugen eines Fuhrunternehmens (Abfalltransportunternehmen) bei vollständig fehlender öffentlicher Entwässerungseinrichtung als Vorwirkung (Abfalltransport) zur Erfüllung einer Hauptaufgabe (Abfallbeseitigung in einer mit Kanal nicht erreichbaren Abwasseranlage) die technische und rechtliche Einheit von Transportfahrzeugen und Abwasseranlagen im Rahmen der öffentlichen Entwässerungseinrichtung begründen? Dies auch dann, wenn der Übergabepunkt des Abfalls/Klärschlamms in diesem Falle auf dem Privatgrund der Grundstückseigentümer ist und nicht, wie im Satzungsrecht des kommunalen Aufgabenträgers vorgeschrieben, im öffentlichen Straßengrund?

Ist es dem kommunalen Aufgabenträger Wasser/Abwasser erlaubt, durch die Anwendung der Bezeichnung "rollender Kanal" für Transportfahrzeuge eines von ihm beauftragten Fuhrunternehmens (Abfalltransportunternehmen) den Bestand eines tatsächlich hergestellten bzw. bestehenden Kanals sowie den Anschluss daran vorzutäuschen, um entgegen § 2 Abs. 2 Satz 9 KrWG den Einleitungszeitpunkt dementsprechend vorzuverlegen, um somit auch ohne den tatsächlichen Bestand einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung (auch ohne teilweisen Bestand) den Abfall/Klärschlamm in den Kleinkläranlagen von Grundstückseigentümern dem Regime des Abfallrechts ( KrWG ) vorzeitig zu entziehen und dem Regime des Wasserrechts/Satzungsrechts des kommunalen Aufgabenträgers zu unterwerfen? Soll durch diese mögliche Maßnahme allein schon ein besonderer Vorteil (Verbesserung des Gebrauchs- und Nutzwertes der Grundstücke) im Sinne des Kommunalabgabengesetzes entstehen, obwohl bereits alle bestehenden Grundstücksbelastungen weiter bestehen und sich noch um das vom Aufgabenträger erhobene privatrechtliche Entgelt vergrößern? Dies, um auch ohne tatsächliche Herstellung einen tatsächlichen Bestand (auch nicht teilweise) einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung sowie komplett fehlender Aufwendungen/Investitionskosten für eine solche Entwässerungseinrichtung Beiträge/Herstellungsbeiträge zu beanspruchen? Dies, um die nur im Zusammenhang mit einer tatsächlichen Herstellung der Entwässerungseinrichtung (tatsächlichen Bestand) und tatsächlich entstandener Herstellungskosten/Investitionen bestehenden beitragsgerechten Solidargemeinschaft die hier rein profitorientierte Beitragserhebung auch ohne tatsächliche Herstellungsaufwendungen zu legalisieren?

Ist es dem kommunalen Aufgabenträger erlaubt, trotz der Erhebung eines privatrechtlichen Entgeltes zur kompletten Abgeltung der durchgeführten Maßnahme des Abfalltransports und der Abfallentsorgung einen zusätzlichen Herstellungsbeitrag zu erheben?

Sind schon trotz vollkommen fehlender Investitionen Herstellungsbeiträge fällig?

kommt danach bereits deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie die Voraussetzungen für die Entstehung einer Vorteilslage bzw. die Bestimmung des beitragsfähigen Aufwands im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG sowie den Umfang der Abwasserbeseitigungspflicht nach § 58 Abs. 1 Satz 3 ThürWG und damit Landesrecht betreffen, dessen Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO ).

Soweit der Kläger - sinngemäß - die Frage aufwirft, ob das Einsammeln und Transportieren von Klärschlamm bundesrechtlich dem abfall- oder dem abwasserrechtlichen Regime unterfällt, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Zulassung der Revision, weil sich diese Frage bereits ohne weiteres anhand des Gesetzes beantworten lässt. Die Regelung des § 54 Abs. 2 Satz 2 WHG stellt klar, dass die Beseitigung des in Kleinkläranlagen anfallenden Fäkalschlamms zur Abwasserbeseitigung gehört und dass solche Schlämme der Beseitigungspflicht in kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen unterworfen werden können (vgl. BR-Drs. 280/1/09 S. 41; BT-Drs. 16/13306 S. 12 f.; BT-Drs. 16/13426 S. 17; Zöllner, in: Sieder/Zeitler, WHG AbwAG , Stand Mai 2016, § 54 WHG Rn. 38 f.). Der Begriff der Abwasserbeseitigung wiederum wird in § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG definiert, und hieraus ergibt sich eindeutig, dass auch das Sammeln, hier also das Sammeln des in Kleinkläranlagen anfallenden Schlamms durch Transportfahrzeuge, entgegen der Auffassung des Klägers zur Abwasserbeseitigung gehört. Im Übrigen konkretisiert § 58 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ThürWG den Begriff der Beseitigung dahingehend, dass er auch das Entnehmen und Transportieren des Schlamms umfasst. Die von der Beschwerde ebenfalls aufgeworfene Frage, ob für eine abfallrechtliche Maßnahme ein abwasserrechtlicher Beitrag erhoben werden kann, stellt sich danach nicht.

Schließlich lässt die weitere Frage,

ob der Beklagte (kommunaler Entsorger Abwasser) berechtigt ist, Zwangsbescheide zu erlassen,

eine grundsätzliche Bedeutung weder erkennen noch wurde sie vom Kläger in einer den Voraussetzungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 3 GKG .

Vorinstanz: OVG Thüringen, vom 25.04.2016 - Vorinstanzaktenzeichen KO