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BVerwG - Entscheidung vom 04.12.2017

20 F 16.17

Normen:
VwGO § 99 Abs. 1 S. 2 1. Alt. und 3. Alt.

BVerwG, Beschluss vom 04.12.2017 - Aktenzeichen 20 F 16.17

DRsp Nr. 2018/1053

Auskunftsbegehren über die bei der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde zur Person gespeicherten personenbezogenen Daten; Schutz verfassungsschutzdienstlicher Informationen und Informationsquellen, Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung; Rechtmäßigkeit einer Sperrerklärung

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. September 2017 geändert. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 5. Mai 2017 ist auch rechtswidrig, soweit sie sich auf Blatt 19 der Verwaltungsakte bezieht.

Die weitergehende Beschwerde des Klägers wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger vier Fünftel und der Beklagte ein Fünftel.

Normenkette:

VwGO § 99 Abs. 1 S. 2 1. Alt. und 3. Alt.;

Gründe

I

Der Kläger begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren Auskunft über die bei der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten.

Nach Aufforderung durch das Verwaltungsgericht legte der Beklagte lediglich einen Teil der bei ihm zur Person des Klägers geführten Unterlagen, und diese wiederum teils mit Schwärzungen, vor. Die Vorlage der vollständigen und ungeschwärzten Unterlagen lehnte der Beklagte mit Sperrerklärung vom 5. Mai 2017 ab. Zur Begründung verwies er darauf, dass durch die Bekanntgabe des Inhalts der nicht vorgelegten Aktenbestandteile die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde einschließlich der Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschwert würde. Der Schutz verfassungsschutzdienstlicher Informationen und Informationsquellen, Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung gebiete es, die fraglichen Dokumente geheim zu halten. Des Weiteren berief sich der Beklagte auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte und sonstiger Belange Dritter.

Auf Antrag des Klägers legte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Juni 2017 das Verfahren dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung vor. Es führt hierzu aus, der Beklagte habe dem Begehren des Klägers auf vollständige Auskunft materiell-rechtliche Weigerungsgründe im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 NVerfSchG entgegengehalten, deren Berechtigung für das erkennende Gericht nur in Kenntnis des Akteninhalts feststellbar sei.

Mit Beschluss vom 27. September 2017 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage im Einzelnen bezeichneter Unterlagen rechtswidrig sei. Im Übrigen sei die Weigerung des Beklagten rechtmäßig, weil insoweit die mit der Sperrerklärung geltend gemachten Geheimhaltungsgründe vorlägen und die darauf bezogene Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

Die Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet. Über die Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts hinaus ist die Sperrerklärung auch insoweit rechtswidrig, als sie sich auf Blatt 19 der Verwaltungsakte bezieht. Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet. Insoweit hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zutreffend entschieden, dass die Weigerung des Beklagten, die angefochtenen Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtmäßig und der Antrag demnach abzulehnen ist.

1. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat das Vorliegen der mit der Sperrerklärung vom 5. Mai 2017 differenzierend für die einzelnen Aktenbestandteile geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und Alt. 3 VwGO unter Anlegung der zutreffenden rechtlichen Maßstäbe geprüft. Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen gefährden würde (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - [...] Rn. 18 f. und vom 21. August 2012 - 20 F 5.12 - [...] Rn. 4 m.w.N.). Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO . Im Falle des Informantenschutzes tritt neben das grundrechtlich abgesicherte Interesse des Betroffenen, seine persönlichen Daten geheim zu halten, das öffentliche Interesse, die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben sicherzustellen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 10 f. m.w.N.). Sind Behörden - wie dies namentlich auf die Verfassungsschutzämter zutrifft - bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben auf Angaben Dritter angewiesen, dürfen sie zum Schutz des Informanten dessen Identität geheim halten (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <14>).

2. Hiernach ist die Weigerung des Beklagten, die im Entscheidungsausspruch aufgeführte Unterlage vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtswidrig. Für diesen Aktenteil ist nicht ersichtlich, dass die in der Sperrerklärung insoweit in Anspruch genommenen Weigerungsgründe alle dort vorgenommenen Schwärzungen rechtfertigen (a). Im Übrigen ist die Sperrerklärung, soweit Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, rechtlich nicht zu beanstanden (b).

a) Auf Blatt 19 der Verwaltungsakte ist die Schwärzung des zweiten Satzes in der dort abgedruckten E-Mail nicht gerechtfertigt. Denn er spiegelt lediglich die in einer hierarchisch aufgebauten Verwaltung übliche Vorgehensweise bei der Sachbearbeitung wider; schützenswerte Einblicke in Besonderheiten der Arbeitsweise des Verfassungsschutzes gewährt er demgegenüber nicht.

b) Im Übrigen bestätigt die Durchsicht der dem beschließenden Fachsenat im Original vorliegenden Unterlagen, dass der Beklagte das Vorliegen von Weigerungsgründen jeweils zu Recht angenommen hat.

Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung erfüllt sind, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten im Prozess beruhende Ermessensentscheidung getroffen hat, die den rechtlichen Anforderungen genügt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO .

Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 27.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 14 PS 6/17