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BVerfG - Entscheidung vom 16.08.2017

2 BvR 238/17

Normen:
BGB § 254 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 2
ZPO § 321a Abs. 2 S. 1

BVerfG, Beschluss vom 16.08.2017 - Aktenzeichen 2 BvR 238/17

DRsp Nr. 2017/14834

Ersatz der außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten hinsichtlich Mitverschuldens; Erschöpfen des Rechtswegs

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Normenkette:

BGB § 254 Abs. 2 ; BGB § 280 Abs. 1 ; BGB § 280 Abs. 2 ; ZPO § 321a Abs. 2 S. 1;

Gründe

Die Begründung des Amtsgerichts zur Nichtberücksichtigung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bei der Kostenentscheidung ist nicht nachvollziehbar und daher willkürlich (1.). Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch unzulässig (2.).

1. Die Begründung des Amtsgerichts, wonach ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Ersatz der außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 2 , § 286 , § 249 BGB beziehungsweise gemäß § 280 Abs. 1 , § 249 BGB nicht bestehe, weil insoweit ein Mitverschulden des Beschwerdeführers nach § 254 Abs. 2 BGB entgegenstehe, ist nicht nachvollziehbar und daher willkürlich. Die tatsächlichen Voraussetzungen des Mitverschuldens hätte der Beklagte im amtsgerichtlichen Verfahren darlegen und beweisen müssen. Ein entsprechender Vortrag des Beklagten fand indes nicht statt. Auch im Vortrag des Beschwerdeführers finden sich keine Hinweise zum Vorliegen eines Mitverschuldens. Das Amtsgericht hat aus dem Schweigen der Parteien einen Umstand geschlossen, für den der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig gewesen wäre. Darüber hinaus ist die vom Amtsgericht angenommene familiäre Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Prozessbevollmächtigten für die Frage der Ersatzfähigkeit außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten offensichtlich irrelevant. Im Übrigen hat das Amtsgericht insoweit übersehen, dass vorgerichtlich nicht die im gerichtlichen Verfahren mandatierte Prozessbevollmächtigte tätig gewesen war, sondern ein anderer Rechtsanwalt.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist gleichwohl nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a BVerfGG ), weil sie unzulässig ist. Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg nicht ordnungsgemäß erschöpft, weil er die Zweiwochenfrist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO zur Einlegung der Gehörsrüge nicht eingehalten hat. Insoweit ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht den Vortrag der Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers, sie habe das am 17. Oktober 2017 zugestellte Urteil nicht sorgfältig gelesen und den Ausspruch über die außergerichtlichen Kosten sowie die Kosten des Rechtsstreits übersehen, als für die Frage des Fristbeginns unbeachtlich angesehen hat. Es entspricht einhelliger fachgerichtlicher Rechtsprechung, die auch von der Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebilligt worden ist, dass ein bewusstes Sichverschließen vor Umständen, die sich dem Betroffenen aufdrängen, nach Lage des Falles einer Kenntnis gleichgesetzt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. April 2010 - 1 BvR 299/10 -, [...], Rn. 5). Davon ist auch auszugehen, wenn ein Rechtsanwalt, wie vorliegend, das Urteil zwar erhält, den Tenor aber nicht vollständig zur Kenntnis nimmt. Die Fachgerichte lassen den einfachgesetzlichen Rechtsbehelf der Anhörungsrüge nicht in verfassungsrechtlich relevanter Weise leerlaufen, wenn sie die bewusste nur teilweise Kenntnisnahme einer Entscheidung durch einen Rechtsanwalt der positiven Kenntnis einer Tatsache gleichsetzen.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: AG Neuss, vom 16.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 92 C 2050/16
Vorinstanz: AG Neuss, vom 07.10.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 92 C 2050/16