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BSG - Entscheidung vom 23.11.2017

B 9 SB 71/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 23.11.2017 - Aktenzeichen B 9 SB 71/17 B

DRsp Nr. 2018/1739

Schwerbehindertenrecht Zuerkennung des Nachteilsausgleichs RF Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Genügen der Darlegungspflicht

1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. 3. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung.

Der Klägerin wird hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juli 2017 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juli 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 26.7.2017 (zugestellt am 21.8.2017) hat das LSG einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF" (erheblich hör- oder sehbehindert oder dauernd an die Wohnung gebunden) verneint, weil dessen Voraussetzungen nach dem Gutachten der Sachverständigen A. vom 23.9.2016 nicht vorlägen. Die Klägerin könne in einem Rollstuhl mit einer Begleitperson an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Etwas anderes folge auch ausweislich der ergänzenden Stellungnahme der Sachverständigen A. vom 13.6.2017 nicht aus dem ärztlichen Attest von Frau Dr. S. vom 16.3.2017. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin mit am 26.9.2017 eingegangenen Schreiben beim BSG Beschwerde eingelegt. Sie beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) geltend.

II

1. Der Klägerin ist gemäß § 67 Abs 1 SGG hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 26.7.2017 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dieses Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 21.8.2017 zugestellt worden, sodass die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde mit dem 21.9.2017 endete (§ 160a Abs 1 S 2 SGG ). Die Beschwerde und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden (§ 67 Abs 2 S 1 SGG ) unter anwaltlicher Versicherung, dass die Klägerin bzw ihren Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung kein Verschulden trifft. Danach hat der Prozessbevollmächtigte innerhalb der Beschwerdefrist am 21.9.2017 die Beschwerde in vorbezeichneter Angelegenheit schriftlich gefertigt und der Mitarbeiterin, einer Rechtsanwaltsfachangestellten, zur Übermittlung per Fax übergeben. Diese sei trotz regelmäßiger Kontrolle abgelenkt gewesen und habe fehlerhafterweise das Telefaxschreiben nicht versendet (vgl zum Auswahl-, Überwachungs- oder Organisationsverschulden bei der Aufgabenübertragung auf Hilfspersonen zB Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 67 RdNr 8d mwN).

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

a) Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG , wie sie die Klägerin hier geltend macht, hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13 , 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin hat bereits keine Rechtsfrage formuliert, der sie grundsätzliche Bedeutung beimisst. Ihrem Vorbringen ist lediglich zu entnehmen, dass die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF" vorliegend gegeben sei, weil ausweislich des Befundberichts von Frau Dr. S. die dort attestierte Bettlägerigkeit der Klägerin das Merkzeichen "RF" begründe. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob es sich dabei überhaupt um eine Rechtsfrage handelt, da die Bestimmung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF" eine tatrichterliche Aufgabe ist. Soweit die Frage im Kern eine rechtliche Problematik enthält, ist auch deren höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit nicht dargetan. Es fehlt insbesondere die erforderliche Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF" sowie mit der Rechtsprechung des BSG , um zu begründen, dass sich daraus nicht bereits hinreichende Anhaltspunkte für die Beantwortung einer entsprechenden Frage ergeben (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2). Schließlich zeigt die Beschwerdebegründung die Klärungsfähigkeit nicht auf. Hierzu hätte es einer Auseinandersetzung bedurft, ob und inwieweit die behauptete Bettlägerigkeit den Feststellungen des LSG entspricht bzw diese mit Verfahrensrügen angegriffen wurden.

b) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 26.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 SB 41/17
Vorinstanz: SG Speyer, vom 21.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 9 SB 306/16