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BSG - Entscheidung vom 18.07.2017

B 8 SO 17/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 109
SGG § 128 Abs. 1 S. 1
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 18.07.2017 - Aktenzeichen B 8 SO 17/17 B

DRsp Nr. 2017/13950

SGB-XII -Leistungen Verfahrensrüge Verletzung der Amtsermittlungspflicht Aufrechterhaltener Beweisantrag Anwaltlich nicht vertretener Beteiligter

1. Gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. 2. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen. 3. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss daher u.a. einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten. 4. Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat. 5. Bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten sind zwar weniger strenge Anforderungen an die Form und den Inhalt eines Beweisantrags zu stellen; auch ein unvertretener Kläger muss aber dem Gericht deutlich machen, dass er noch Aufklärungsbedarf sieht.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Februar 2017 - L 7 SO 588/15 - wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin C. O. beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 109 ; SGG § 128 Abs. 1 S. 1; SGG § 103 ;

Gründe:

I

Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) für die Zeit vom 1.1.2013 bis zum 30.11.2014.

Der Kläger ist Miteigentümer eines von ihm und der Miteigentümerin (seiner Schwester) bewohnten Hausgrundstücks. Seinen Antrag auf Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 1.1.2013 lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 26.2.2013; Widerspruchsbescheid vom 19.6.2013), weil der Kläger seine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen, insbesondere die zur Bewertung des Grundstücks erforderliche Begehung durch den Gutachterausschuss der Stadt W. verweigert habe. Die Klage hiergegen ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts [SG] Mannheim vom 18.12.2014). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat dem Vorbringen des Klägers sinngemäß die Beschränkung des streitbefangenen Zeitraums auf die Zeit vom 1.1.2013 bis zum 30.11.2014 entnommen und die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 23.2.2017).

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil rügt der Kläger eine Verletzung von § 103 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) sowie eine unzulässige reformatio in peius.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensfehlers.

Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24 , 36). Wer sich - wie hier - auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss daher ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG Beschluss vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten sind zwar weniger strenge Anforderungen an die Form und den Inhalt eines Beweisantrags zu stellen. Auch ein unvertretener Kläger muss aber dem Gericht deutlich machen, dass er noch Aufklärungsbedarf sieht ( BSG Beschluss vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B; BSG , Beschluss vom 28.5.2013 - B 5 R 38/13 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 103/12 B - juris RdNr 7).

Der Kläger behauptet insoweit schon nicht, einen entsprechenden Beweisantrag gestellt zu haben; mit seinen Ausführungen, dies erübrige sich, weil die Beweisaufnahme geboten und (weiter sinngemäß) er im Berufungsverfahren unvertreten gewesen sei, genügt er den oben dargelegten Begründungsanforderungen nicht. Seinem Vortrag im Beschwerdeverfahren ist an keiner Stelle zu entnehmen, dass er über die Behauptung seiner Hilfebedürftigkeit bzw über das Bestreiten eines Mitwirkungsversäumnisses durch ihn persönlich hinaus im Berufungsverfahren überhaupt konkrete Ermittlungsschritte vom LSG eingefordert hat.

Einen Verstoß gegen das im sozialgerichtlichen Verfahren aus § 123 SGG abgeleitete Verböserungsverbot (Verbot der "reformatio in peius"), das einen mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügbaren Verfahrensmangel darstellt (vgl bereits BSG SozR 3-1500 § 123 Nr 1), hat der Kläger ebenfalls nicht bezeichnet. Es fehlt insoweit an einer nachvollziehbaren Schilderung, dass das LSG überhaupt zu Unrecht und zu seinen Ungunsten den Streitgegenstand verkannt hat, wie dies die Verletzung von § 123 SGG voraussetzt, und über einen Anspruch entschieden hat, der nicht (mehr) zur Entscheidung gestellt war. Dementsprechend wirft der Kläger dem LSG auch nur "indirekt" eine Verböserung vor.

Soweit der Kläger mit seinen Ausführungen sinngemäß die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG , Art 103 Grundgesetz , Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 EMRK ) durch das LSG geltend macht, weil er sich nicht hinreichend zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt habe äußern können, sind auch bezogen auf diesen Verfahrensfehler die Darlegungen nicht im Ansatz ausreichend. Wer die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, muss hierzu ausführen, welchen erheblichen Vortrag das Gericht bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat, welches Vorbringen des Rechtsuchenden dadurch verhindert worden ist und inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruht (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Der Kläger stellt das Vorgehen des LSG lediglich als "fragwürdig" dar, ohne die genauen Umstände eines bezogen auf dieses Vorgehen geltend gemachten Verstoßes im Übrigen zu bezeichnen. Er legt auch nicht schlüssig dar, inwiefern das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruht.

Der Antrag des Klägers, ihm PKH unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten zu bewilligen, ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114 , 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn - ua - die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Hieran fehlt es nach oben Gesagtem.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 23.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 7 SO 588/15
Vorinstanz: SG Mannheim, vom 18.12.2014 - Vorinstanzaktenzeichen S 2 SO 2349/13