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BSG - Entscheidung vom 27.07.2017

B 8 SO 18/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 109
SGG § 128 Abs. 1 S. 1
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 27.07.2017 - Aktenzeichen B 8 SO 18/17 B

DRsp Nr. 2017/13954

SGB-XII -Leistungen Nichtzulassungsbeschwerde Verfahrensrüge Verletzung der Amtsermittlungspflicht Aufrechterhaltener Beweisantrag Anwaltlich nicht vertretener Beteiligter

1. Gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. 2. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen. 3. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss daher u.a. einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten. 4. Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat. 5. Bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten sind zwar weniger strenge Anforderungen an die Form und den Inhalt eines Beweisantrags zu stellen; auch ein unvertretener Kläger muss aber dem Gericht deutlich machen, dass er noch Aufklärungsbedarf sieht.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Februar 2017 - L 7 SO 3905/16 - wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin C. O. beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 109 ; SGG § 128 Abs. 1 S. 1; SGG § 103 ;

Gründe:

I

Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) für die Zeit ab dem 1.12.2014.

Den Antrag des Klägers auf Grundsicherungsleistungen lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 7.10.2015). Den am 11.11.2015 eingelegten Widerspruch wies er als unzulässig zurück, weil der Widerspruch verspätet sei (Widerspruchsbescheid vom 16.2.2016). Die Klage hiergegen ist ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts [SG] Mannheim vom 15.9.2016). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat dem Vorbringen des Klägers sinngemäß die Beschränkung auf die Zeit ab dem 1.12.2014 entnommen und die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 23.2.2017). Zur Begründung hat es - wie bereits das SG - ausgeführt, der Bescheid vom 7.10.2015 sei bestandskräftig; denn der Widerspruch sei verspätet eingelegt worden. Der Kläger habe keine Zweifel iS des § 37 Abs 2 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ( SGB X ) daran aufgezeigt, dass der Bescheid nicht spätestens am 10.10.2015 zugegangen sei.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil rügt der Kläger eine Verletzung von § 159 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) sowie von § 103 SGG .

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensfehlers.

Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24 , 36). Wer sich - wie hier - auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss daher ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG Beschluss vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten sind zwar weniger strenge Anforderungen an die Form und den Inhalt eines Beweisantrags zu stellen. Auch ein unvertretener Kläger muss aber dem Gericht deutlich machen, dass er noch Aufklärungsbedarf sieht ( BSG Beschluss vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B; BSG , Beschluss vom 28.5.2013 - B 5 R 38/13 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 103/12 B - juris RdNr 7).

Einen Verstoß gegen § 159 Abs 1 SGG , der vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob in den vom Gesetz bezeichneten Fällen ein Ermessensfehlgebrauch des Berufungsgerichts bei seiner Entscheidung vorliegt, eine Sache (nicht) an das SG zurückzuverweisen (vgl etwa BSG vom 14.2.2006 - B 9a SB 22/05 B - juris RdNr 7 mwN), hat der Kläger mit seinen Ausführungen nicht diesen Voraussetzungen entsprechend bezeichnet. Er hat schon nicht dargelegt, dass überhaupt einer der beiden im Gesetz genannten Tatbestände vorliegt, der dem LSG in Ausnahmefällen die Zurückverweisung erlaubt (zum Ausnahmecharakter einer Zurückverweisung nach § 159 Abs 1 SGG bereits BSG SozR 3-1300 § 16 Nr 1; SozR 3-2500 § 106 Nr 57; BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1). Insoweit fehlt es an der Darstellung, weshalb das LSG ausgehend von seiner Rechtsauffassung, die Entscheidung des SG sei mit gleicher Begründung zu bestätigen, eine Zurückverweisung nach § 159 Abs 1 Nr 1 SGG überhaupt hätte in Betracht ziehen müssen. Auch soweit er sinngemäß geltend macht, der Vorsitzende der Kammer des SG hätte nicht selbst und zusammen mit der Entscheidung in der Sache über das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch entscheiden dürfen und also liege ein wesentlicher Verfahrensmangel iS des § 159 Abs 1 Nr 2 SGG vor (Verstoß gegen den gesetzlichen Richter; Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz ), hätte es insoweit weiterer Ausführungen dazu bedurft, weshalb aus Sicht des LSG überhaupt eine aufwändige Beweisaufnahme notwendig gewesen sein sollte, wie dies Voraussetzung für eine Zurückverweisung nach § 159 Abs 1 Nr 2 SGG wäre. Schließlich fehlt es auch an Vortrag, dass der Kläger in der Berufungsinstanz die Zurückverweisung der Sache an das SG (zumindest sinngemäß) beantragt habe (vgl zu diesem Erfordernis BSG vom 19.1.2011 - B 13 R 211/10 B - juris RdNr 18 mwN).

Auch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG ist nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend bezeichnet. Unabhängig davon, ob der im Berufungsverfahren unvertretene Kläger ausreichend dazu vorgetragen hat, dass er konkrete Ermittlungsschritte vom LSG eingefordert hat, fehlt jedenfalls Vortrag dazu, dass er einen (ggf sinngemäß gestellten) Beweisantrag im Laufe des Berufungsverfahrens aufrechterhalten hat. Da das LSG eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung angekündigt hat, mit der sich der Kläger ausdrücklich einverstanden erklärt hat, hätte es weiteren Vortrags dazu bedurft, weshalb das LSG gleichwohl davon ausgehen musste, dass der Kläger an der Notwendigkeit einer Beweisaufnahme in einer mündlichen Verhandlung festhalten wollte.

Der Antrag des Klägers, ihm PKH unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten zu bewilligen, ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114 , 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn - ua - die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Hieran fehlt es nach oben Gesagtem.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 23.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 7 SO 3905/16
Vorinstanz: SG Mannheim, vom 15.09.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 8 SO 790/16