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BSG - Entscheidung vom 11.12.2017

B 8 SO 58/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 11.12.2017 - Aktenzeichen B 8 SO 58/17 B

DRsp Nr. 2018/1738

SGB-II -Leistungen Kosten der Unterkunft und Heizung Verfahrensrüge Darstellung der weiteren Entwicklung des Rechtsstreits

Soll die angefochtene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen ist darzulegen, welche andere Entwicklung das Verfahren ohne den Verfahrensmangel genommen und inwiefern dies das angefochtene Urteil im Sinne einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung beeinflusst hätte.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. Juni 2017 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe:

I

Im Streit ist die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung als Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ).

Die 1983 geborene Klägerin ist schwerbehindert. Sie bewohnt im Haus ihrer Eltern eine behindertengerecht ausgestattete Zweizimmer-Einliegerwohnung, für die ein Mietzins von 540 Euro vereinbart wurde. Der Beklagte bewilligte der Klägerin "laufende Leistungen" der Grundsicherung für die Monate März bis August 2010 und wies darauf hin, dass bei gleichbleibenden Voraussetzungen ohne Weiteres eine monatliche Weiterzahlung erfolge. Leistungen der Unterkunft und Heizung berücksichtigte er nicht (Bescheide vom 5.8.2010; Widerspruchsbescheid vom 15.4.2013). Vor Erlass des Widerspruchbescheids teilte der Beklagte nach vorübergehender Einstellung der Leistung (Bescheid vom 7.10.2010) mit, dass er SGB-XII -Leistungen auf der Grundlage des Bescheids vom 5.8.2010 "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" zunächst weiterzahle (Schreiben vom 3.11.2010) und bewilligte später Leistungen für April 2011, Januar 2012, Mai 2012 und für Januar 2013 (Bescheide "über die Änderungen von laufenden Leistungen" vom 30.3.2011, 20.12.2011, 4.4.2012 und vom 19.12.2012). Das Sozialgericht ( SG ) hat den "Bescheid vom 5. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2013" abgeändert und den Beklagten verurteilt, auch Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 540 Euro "ab 1. März 2010" zu zahlen (Urteil vom 29.4.2015). Das Landessozialgericht (LSG) hat das SG -Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, streitgegenständlich seien nur Leistungen von März 2010 bis März 2011. Die Begrenzung des Streitgegenstands in zeitlicher Hinsicht folge aus dem Bewilligungszeitraum (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII ), der sich nach dem Regelungsgehalt des Bescheids vom 5.8.2010 von März 2010 bis März 2011 erstrecke. Bescheide für folgende Bewilligungszeiträume seien nicht nach § 96 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Übernahme der Kosten der Unterkunft. Die Eltern der Klägerin als deren Vermieter hätten eine Zahlung des Mietzinses nicht ernsthaft erwartet (Urteil vom 7.6.2017).

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Sie rügt eine Verletzung von § 123 ( SGG ), weil das LSG nicht über die vor Erlass des Widerspruchsbescheides ergangenen weiteren Leistungsbescheide entschieden habe, die nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden seien. Das LSG habe deshalb nicht vollständig über erhobene Ansprüche entschieden.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Nr 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels als Revisionszulassungsgrund.

Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24 , 36).

Ob die Klägerin die als Verfahrensmangel geltend gemachte Verkennung des Rechtsmittel- bzw Streitgegenstands (§ 123 SGG ) in dem aufgezeigten Sinne schlüssig bezeichnet, kann offenbleiben. Denn sie legt nicht hinreichend dar, weshalb die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4). Dazu ist darzulegen, welche andere Entwicklung das Verfahren ohne den Verfahrensmangel genommen und inwiefern dies das angefochtene Urteil im Sinne einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung beeinflusst hätte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 4; SozR 4-1500 § 160a Nr 3; vgl zum Ganzen auch Leitherer in MeyerLadewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 16c mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

Dem Vortrag der Klägerin kann zwar entnommen werden, dass das LSG vor Erlass des Widerspruchsbescheides ergangene Bescheide, die nach der Rechtsprechung des Senats Gegenstand des Vorverfahrens geworden sind (§ 86 SGG ; BSGE 108, 123 = SozR 4-3500 § 82 Nr 7, RdNr 11 - insoweit in BSGE und SozR nicht abgedruckt; BSG Urteil vom 9.12.2016 - B 8 SO 14/15 R - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R - juris RdNr 10; ebenso BSGE 115, 158 = SozR 4-2500 § 186 Nr 4, RdNr 9), unberücksichtigt gelassen hat, sie zeigt aber nicht auf, dass ohne den Verfahrensfehler bezüglich der übergangenen Zeiträume eine für sie günstigere Entscheidung zu erwarten gewesen wäre. Angesichts der für die Beurteilung eines Verfahrensmangels maßgebenden Begründung des LSG, es habe keine ernsthafte Erwartung der Eltern bestanden, dass sich die Klägerin an den Kosten der Unterkunft beteilige, ist ihr bloßer Hinweis, zu den weiteren Gründen sei vorliegend nichts weiter auszuführen, weil solche Überlegungen gegebenenfalls Gegenstand des Revisionsverfahrens sein würden, sie sich jedenfalls darauf berufen werde, dass die - von der Klägerin nicht mitgeteilten - Ausführungen des SG zutreffend seien, nicht ausreichend. Ebenso wenig genügt der Hinweis, dass sich Änderungen im Laufe der Zeit ergeben könnten, die möglicherweise eine andere Sichtweise des LSG ergeben hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 07.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 SO 159/15
Vorinstanz: SG Frankfurt/Main, vom 29.04.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 30 SO 100/13