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BSG - Entscheidung vom 29.03.2017

B 14 AS 20/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 29.03.2017 - Aktenzeichen B 14 AS 20/17 B

DRsp Nr. 2017/13744

SGB-II -Leistungen Kosten der Unterkunft und Heizung Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen

1. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird. 2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird; daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint. 3. Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. 4. Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben.

Die Beschwerden der Klägerin und des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. November 2016 werden als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die vorgenannte Entscheidung Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

Die Beschwerden der Klägerin (dazu 1.) und des Beklagten (dazu 2.) gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil des LSG sind ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ).

1. Der am 24.1.2017 beim BSG eingegangene Antrag der Klägerin, ihr zur Durchführung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG, das ihr am 28.12.2016 zugestellt wurde, PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, ist abzulehnen. Voraussetzung für die Bewilligung von PKH ist es, dass sowohl der formlose Antrag auf PKH als auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der vorgeschriebenen Form (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 117 Abs 2 bis 4 ZPO ), dh mit dem durch die PKH-Formularverordnung vom 6.1.2014 (BGBl I 34) eingeführten Formular - im Folgenden: "Erklärung" -, bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden. Das ist hier nicht geschehen. Die Klägerin hat die Erklärung nicht innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist, die am Montag, 30.1.2017, endete (§ 160a Abs 1 , §§ 64 , 63 SGG , §§ 177 ff ZPO ), vorgelegt, sondern erst am 10.2.2017.

Das LSG hat die Klägerin in der angefochtenen Entscheidung mit zutreffenden Erläuterungen zur PKH ausdrücklich darüber belehrt, dass sowohl der PKH-Antrag als auch die formgerechte Erklärung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist beim BSG einzureichen sind. Es ist weder ersichtlich noch von der Klägerin dargetan, dass sie hieran ohne Verschulden gehindert war. Die Bewilligung von PKH muss daher abgelehnt werden. Damit scheidet die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH aus (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Die von der Klägerin persönlich beim BSG erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG ist schon deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften des § 73 Abs 4 SGG über den Vertretungszwang beim BSG entspricht. Auch auf diese Zulässigkeitsvoraussetzung hat das LSG die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung seiner Entscheidung ausdrücklich hingewiesen.

2. Die Beschwerde des Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen, weil er den vorliegend allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) in der Begründung seiner Beschwerde nicht schlüssig dargelegt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie die Frage,

"ob ab dem 01.01.2016 im Falle eines festgestellten Erkenntnisausfalles bei der Ermittlung der angemessenen Referenzmiete die Deckelung einer Angemessenheitsobergrenze ausschließlich durch einen Sicherheitszuschlag von 10% auf den jeweiligen Höchstbetrag nach § 12 WoGG (rechte Spalte) generell vorzunehmen ist."

Der Beklagte sieht es als klärungsbedürftig an, ob auf die Berücksichtigung eines pauschalen, immer gleich hohen Sicherheitszuschlags nach der Wohngeldreform 2016 zu verzichten sei. Seinem Beschwerdevorbringen ist jedoch nicht zu entnehmen, inwieweit die in der Rechtsprechung des BSG entwickelten abstrakten Maßstäbe, nach denen die Leistungen für Unterkunft nach dem SGB II bei festgestelltem Ausfall der lokalen Erkenntnismöglichkeiten auf die Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Zuschlags von 10 % zu begrenzen sind, wenn den Leistungsberechtigten eine Kostensenkungsobliegenheit trifft ( BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29; BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 73), inzwischen überholt und zu ändern sein sollten. Hierfür genügen nicht die Hinweise auf eine massive Erhöhung der Miethöchstbeträge durch die Wohngeldreform 2016 und die Auswirkungen eines Sicherheitszuschlags von 10 % auf das Mietpreisniveau im Stadtgebiet K..

3. Soweit der PKH-Antrag der Klägerin vom 24.1.2017 nebst der am 10.2.2017 eingegangenen Erklärung sich auch auf die Rechtsverteidigung gegen die Beschwerde des Beklagten erstrecken sollte, ist er abzulehnen, weil es gegen die als unzulässig zu verwerfende Beschwerde des Beklagten keiner Rechtsverteidigung mehr bedarf und der Beklagte insoweit durch die Kostengrundentscheidung verpflichtet wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 , 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 28.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 19 AS 1372/15
Vorinstanz: SG Köln, vom 18.06.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 31 AS 3294/14