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BSG - Entscheidung vom 14.03.2017

14 AS 208/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 14.03.2017 - Aktenzeichen 14 AS 208/16 B

DRsp Nr. 2017/10752

SGB-II -Leistungen Divergenzrüge Begriff der Abweichung Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen

1. Divergenz liegt vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. 2. Eine Abweichung liegt demnach erst dann vor, wenn das LSG den vom BSG aufgestellten Kriterien widersprochen und eigene, andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. 3. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. 4. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass die angefochtene Entscheidung auf der Abweichung beruht.

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Mai 2016 - L 6 AS 225/15 - werden als unzulässig verworfen.

Die Anträge der Kläger, ihnen für die Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerden gegen den bezeichneten Beschluss vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt R, B, beizuordnen, werden abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, denn die Kläger haben keinen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - in der gebotenen Weise schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerden ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG entscheiden.

Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen der Revisionszulassung prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kapitel, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Rechtsfrage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kapitel, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Kläger haben folgende, von ihnen als grundsätzlich bedeutsam angesehene Rechtsfragen formuliert:

1. "Ob der Träger der Leistungen nach dem SGB II verpflichtet ist, den Leistungsempfänger von der Forderung eines anderen Sozialleistungsträgers freizustellen, jedenfalls dann, wenn ein Vorgehen gegen den forderungsberechtigten Leistungsträger aufgrund der Ausschöpfung des Rechtsweges nicht (mehr) möglich ist, die von dem anderen Sozialleistungsträger gezahlte Leistung auf die Leistungen nach dem SGB II als Einkommen angerechnet wurde und der (andere) Sozialleistungsträger die ihm mitgeteilten, zu der Rückforderung der von ihm gezahlten Sozialleistung führenden Tatsachen nicht sofort umgesetzt hat, mit der Folge, dass er die Sozialleistung in rechtswidriger Weise weiter gezahlt hat und diese als Einkommen auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet wurde."

2. "Ob der Träger der Leistung nach dem SGB II einen Leistungsempfänger von der Forderung eines anderen Sozialleistungsträgers freizustellen hat, wenn der Leistungsempfänger sich rechtskonform verhält, jedoch aufgrund der Tatsache, dass die einzelnen Sozialgesetze nicht aufeinander abgestimmt sind, wirtschaftlich benachteiligt wird."

Alternativ für den Fall, dass eine Aussage des BSG missverstanden worden sei, wird noch die Rechtsfrage für klärungsbedürftig gehalten, "ob es sich (bei dem) um Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 SGB II auch dann handelt, wenn dieses Einkommen mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet ist und diese Rückzahlungsverpflichtung in dem Monat eintritt, für den das Einkommen berücksichtigt werden soll".

Ob die zu 1. und 2. gestellten Rechtsfragen den Anforderungen an die notwendige Abstraktheit und Allgemeinheit genügen, weil die Kläger in diesen Fragen sowohl ihre eigene Sicht der Tatsachen ("nicht sofort umgesetzt") als auch eine eigene rechtliche Wertung ("in rechtswidriger Weise", "rechtskonform") wiedergegeben haben, kann ebenso dahingestellt bleiben wie die Zulässigkeit der nur unter Vorbehalt gestellten 3. Rechtsfrage. Jedenfalls fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der von den Klägern zwar erwähnten, vom LSG aber ausdrücklich in Bezug genommenen Entscheidung des Senats zu den Fragen der Bindungswirkung von Bewilligungsbescheiden und des Entstehens einer Rückzahlungsverpflichtung ( BSG Urteil vom 23.8.2011 - B 14 AS 165/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 43). Für eine solche Auseinandersetzung reicht es nicht aus, wenn die Kläger unter Zugrundelegung eigener Tatsachenwertungen ("Schnelligkeit der Arbeit einer Behörde") lediglich die Ansicht äußern, das LSG habe falsch entschieden und die in dem Urteil enthaltenen Argumente unzutreffend gewürdigt. Vielmehr hätten die Kläger anhand der von ihnen zitierten Entscheidung ausdrücklich darlegen müssen, warum die von ihnen aufgeworfenen Fragen sich nicht aufgrund der Maßstäbe in RdNr 24 ff des zitierten Urteils beantworten lassen und inwieweit der vorliegende Fall Anlass für eine Weiterentwicklung der vorliegenden Rechtsprechung bietet. Der Hinweis, das BSG habe in seinem Verfahren eine Konstellation wie die vorliegende nicht behandelt, ist hierfür nicht ausreichend, vielmehr hätte es der Darlegung bedurft, dass die beiden Sachverhalte sich so sehr unterscheiden, dass die im Urteil des BSG aufgeführten Maßstäbe sich nicht auf das vorliegende Verfahren übertragen lassen und deshalb eine weitere Ausgestaltung für andere Sachverhalte notwendig ist.

Die Kläger haben auch den von ihnen geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht ausreichend dargelegt. Divergenz liegt vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 13 ff; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Kapitel RdNr 194 ff). Eine Abweichung liegt demnach erst dann vor, wenn das LSG den vom BSG aufgestellten Kriterien widersprochen und eigene, andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (Krasney/Udsching, aaO, IX. Kapitel RdNr 196 mwN). Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass die angefochtene Entscheidung auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

Die Kläger haben zwar den für maßgeblich gehaltenen Rechtssatz des BSG in dem Urteil vom 23.8.2011 in der RdNr 23 ausreichend bezeichnet, haben aber nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, dass das LSG diesem Rechtssatz widersprochen hat. Es wird lediglich ohne nähere Bezugnahme auf den Beschluss des LSG mit den eigenen Worten der Kläger ein angeblich dort enthaltener, abweichender Rechtsgrundsatz formuliert. Dabei haben die Kläger nicht berücksichtigt, dass sich das LSG in seiner Begründung ausdrücklich auf das Urteil des BSG für seine Schlussfolgerung berufen hat. Selbst für den Fall, dass diese Begründung nicht mit dem Urteil des BSG übereinstimmen sollte, hat das LSG diesem Urteil allein durch ein anderes Verständnis jedenfalls nicht widersprochen.

PKH gemäß § 73a SGG iVm § 114 ZPO konnte den Klägern nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Damit entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a SGG iVm § 121 ZPO ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 , 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 25.05.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 6 AS 225/15
Vorinstanz: SG Düsseldorf, - Vorinstanzaktenzeichen 12 AS 2661/12