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BSG - Entscheidung vom 08.03.2017

B 4 AS 449/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 08.03.2017 - Aktenzeichen B 4 AS 449/16 B

DRsp Nr. 2017/10512

SGB II - Leistungen Anspruch auf Entfernung von Kontoauszügen aus einer Verwaltungsakte Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage

1. Eine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. 2. Der Beschwerdeführer hat deshalb vorzutragen, inwiefern die Rechtsfrage unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ggf des Schrifttums nicht ohne Weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll. 3. Das BSG hat bereits entscheiden, dass das "Erheben" von Daten durch die Einbeziehung von Kontoauszügen bzw Fotokopien in die Akten des Grundsicherungsträgers im Grundsatz als noch verhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung anzusehen ist.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. November 2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Die laufende SGB II -Leistungen beziehende Klägerin beantragte im Oktober 2013 die Entfernung sämtlicher Kontoauszüge aus den sie betreffenden Verwaltungsakten.

Der Beklagte teilte mit, soweit Kontoauszüge eingereicht worden und Angaben enthalten seien, welche die Höhe des Leistungsbezugs beeinflussten, seien die Voraussetzungen des § 67c Abs 1 S 1 SGB X gegeben. Das Aufbewahren von Kontoauszügen sei zulässig, wenn sich aus deren Inhalt ein weiterer Ermittlungsbedarf oder eine Änderung der Leistungshöhe ergebe. Als begründende Unterlagen für das rechtmäßige Handeln der Grundsicherungsträger sei die Aufbewahrung von Unterlagen unverzichtbar. Die Klägerin habe auch nicht substantiiert vorgetragen, auf welche Kontoauszüge sich ihr Begehren beziehe (Schreiben vom 4.11.2013; Widerspruchsbescheid vom 5.2.2014).

Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des SG vom 26.4.2016; Beschluss des LSG vom 23.11.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Aufbewahrung der Kontoauszüge in den Verwaltungsakten sei eine rechtmäßige Datenspeicherung, weil die vollständige, sichere und schnelle Verfügbarkeit der in den Kontoauszügen enthaltenen Daten für eine korrekte und zügige Aufgabenerledigung unerlässlich sei. Ein Anspruch auf Entfernung der Kontoauszüge bestehe nicht. Die Kenntnis der in den Kontoauszügen enthaltenen Daten sei auch nach Abschluss des jeweiligen Verwaltungsverfahrens, in dem sie vorgelegt worden seien, erforderlich. Bei Annahme eines Löschungsanspruchs hinsichtlich einzelner Daten auf den Kontoauszügen wegen Zeitablaufs, sei der Beklagte wegen des nicht weiter konkretisierten Begehrens der Klägerin nicht verpflichtet, von sich aus jeden Kontoauszug zu überprüfen.

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend, ob die Speicherung von Kontoauszügen in der Verwaltungsakte zur Erfüllung der Aufgaben des Jobcenters erforderlich sei, insbesondere ob deren Speicherung durch eine mögliche Korrektur von Bescheiden im Rahmen von Klageverfahren oder nach § 45 Abs 3 SGB X gerechtfertigt sei. Die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich aus unterschiedlichen Urteilen des LSG Rheinland-Pfalz (L 6 AS 74/15 - nach Az nicht auffindbar) und des Bayerischen LSG vom 21.5.2014 (L 7 AS 347/14 B ER), dessen Entscheidung sich das LSG zu eigen gemacht habe. Für den Fall, dass das Gericht nicht von einer generellen Unzulässigkeit der Speicherung ausgehe, sei als weitere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, ob ein Antrag auf Entfernung von Kontoauszügen nach § 84 Abs 2 S 2 SGB X die Bezeichnung konkreter Kontoauszüge erfordere, um eine Prüfpflicht der Behörde auszulösen.

II

Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil die als Zulassungsgrund geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Eine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN stRspr; BVerwG NJW 1999, 304 ; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Der Beschwerdeführer hat deshalb vorzutragen, inwiefern die Rechtsfrage unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ggf des Schrifttums nicht ohne Weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

Mit ihrem Vorbringen wird die Klägerin diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Soweit sie als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf eine mögliche generelle Unzulässigkeit der Speicherung der Kontoauszüge abstellt, hätte sie sich damit befassen müssen, ob und inwieweit sich aus dem Urteil des BSG vom 19.9.2008 (B 14 AS 45/07 R) eine Klärung der aufgeworfenen Frage ergibt, was nicht geschehen ist. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass der 14. Senat in dieser Entscheidung davon ausgegangen ist, dass das "Erheben" von Daten durch die Einbeziehung von Kontoauszügen bzw Fotokopien in die Akten des Grundsicherungsträgers im Grundsatz als noch verhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung anzusehen ist ( BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 ff = SozR 4-1200 § 60 Nr 2, RdNr 25 f; vgl zum automatisierten Datenabgleich auch BSG Urteil vom 24.4.2015 - B 4 AS 39/14 R - BSGE 118, 301 ff = SozR 4-4200 § 52 Nr 1).

Auch hinsichtlich der weiteren, von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage zur fraglichen Konkretisierung eines Löschungsantrags bezogen auf Kontoauszüge fehlt es an einer Auseinandersetzung mit vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung zur hinreichenden Bestimmtheit derartiger Anträge. Die Klägerin hätte erörtern müssen, ob die auf ärztliche Unterlagen bezogenen Aussagen des BSG , dass Sozialdaten, deren Löschung begehrt wird, so genau bezeichnet werden müssen, dass im Urteil klar ausgesprochen werden könne, was im Einzelnen zu löschen ist (vgl BSG Urteil vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 220 Nr 2 RdNr 15; BSG Urteil vom 11.4.2013 - B 2 U 34/11 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 4 RdNr 18), hier von Bedeutung sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 23.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 18 AS 1767/16
Vorinstanz: SG Cottbus, - Vorinstanzaktenzeichen 38 AS 1283/14