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BSG - Entscheidung vom 09.03.2017

B 4 AS 349/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 09.03.2017 - Aktenzeichen B 4 AS 349/16 B

DRsp Nr. 2017/10516

SGB II - Leistungen Absetzung von Kammerbeiträgen Grundsatzrüge Genügen der Darlegungspflicht

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Der Beschwerdeführer muss anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. 3. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. September 2016 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Im Streit ist die endgültige Festsetzung und Rückforderung von vorläufig gewährten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II für einen Zeitraum vom 1.11.2010 bis 30.11.2011.

Die 1979 geborene Klägerin ist als selbstständige Rechtsanwältin tätig und bezog im streitbefangenen Zeitraum ergänzend zu ihren Einkünften als Rechtsanwältin Leistungen nach dem SGB II , die der Beklagte zunächst vorläufig bewilligte. Bei der endgültigen Festsetzung der Leistungen durch verschiedene Bescheide und Änderungsbescheide erkannte er die Beiträge der Klägerin zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte nicht als Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung iS von § 11b Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II (bis 31.3.2011: § 11 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB II ), sondern als Ausgaben im Rahmen des § 11 Abs 2 S 1 Nr 3b SGB II aF an.

Das SG hat die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen insgesamt vier Klagen abgewiesen (Urteil vom 18.12.2015). Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben (Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.9.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, die Zahlungen der Klägerin zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte seien als Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen nach § 11b Abs 1 S 1 Nr 3b SGB II und nicht als Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung nach § 11b Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II zu beurteilen; Art 3 Abs 1 GG werde dadurch nicht verletzt.

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und wirft folgende Rechtsfragen auf:

"Ist § 11 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB II aF / § 11b Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass auch gesetzlich vorgeschriebene Pflichtbeiträge zu berufsständischen Versorgungswerken zu den Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung im Sinne des § 11 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB II aF / § 11b Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II zu zählen sind?

Ist § 11 Abs 2 S 2 SGB II aF / § 11b Abs 2 S 1 SGB II dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass der Grundfreibetrag iHv 100 Euro monatlich gesetzlich vorgeschriebene Pflichtbeiträge zu berufsständischen Versorgungswerken nicht mitumfasst, sondern dass diese außerhalb des Grundfreibetrags gesondert abzusetzen sind?"

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht in der gebotenen Weise dargelegt hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG , § 169 SGG ).

Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Die Beschwerdebegründung der Klägerin wird diesen Anforderungen nicht gerecht, denn die Klärungsfähigkeit bzw Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen ist nicht schlüssig dargetan. § 11b Abs 2 S 2 SGB II bestimmt, dass bei einem Einkommen von mehr als 400 Euro bei Nachweis von Aufwendungen für Beträge nach § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 - 5 SGB II von mehr als 100 Euro die Beschränkung nach § 11b Abs 2 S 1 SGB II auf den Pauschbetrag von 100 Euro nicht gilt. Deshalb hätte es zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit Ausführungen zur Höhe des erzielten Einkommens der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum bedurft und dazu, welche Absetzungen hiervon neben den Beiträgen zum Versorgungswerk vorgenommen worden sind. Hieran fehlt es. Die Klägerin führt zur Klärungsfähigkeit lediglich aus, auf die aufgeworfenen Fragen komme es an, weil bei entsprechender Beantwortung höhere Leistungen zugesprochen und der Erstattungsbetrag reduziert werden müssten. Doch wird der Inhalt der zahlreichen Bescheide, durch die eine endgültige Festsetzung erfolgt ist, nur rudimentär wiedergegeben. Eine Begründung, warum sich die von der Klägerin gerügte Beurteilung der Kammerbeiträge als Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen nach § 11b Abs 1 S 1 Nr 3b SGB II statt als Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung nach § 11b Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II überhaupt ausgewirkt hat, bzw in welchem Umfang, erfolgt ebenfalls nicht. Anhand des Beschwerdevorbringens ist es dem Senat daher nicht möglich zu beurteilen, ob der Fall der Klägerin zu einer verfassungskonformen Auslegung einfachgesetzlicher Vorschriften Veranlassung geben müsste.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 19.09.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 18 AS 441/16
Vorinstanz: SG Berlin, - Vorinstanzaktenzeichen 193 AS 16583/12