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BSG - Entscheidung vom 20.06.2017

B 5 R 382/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2-3

BSG, Beschluss vom 20.06.2017 - Aktenzeichen B 5 R 382/16 B

DRsp Nr. 2017/10109

Rückforderung überzahlter Rentenleistungen nach dem Tod des Versicherten Anspruchs auf rechtliches Gehör Keine Divergenzfähigkeit von Entscheidungen des BFH

1. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt u.a. vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können. 2. Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf. dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann. 3. Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. 4. Urteile des Bundesfinanzhofes sind nicht divergenzfähig.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. September 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 -3;

Gründe:

Mit Urteil vom 29.9.2016 hat es das Bayerische LSG abgelehnt, die Entscheidungen der Beklagten über die Teilaufhebung eines Rentenbescheids und die Rückforderung überzahlter Rentenleistungen nach dem Tod des Versicherten Dr. T. M. (geboren: ..., gestorben: ...) aufzuheben.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie beruft sich auf Verfahrensfehler und Divergenz.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- die Entscheidung von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die Klägerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG ). Hierzu trägt sie vor, im vorausgegangenen ersten Rechtsstreit vor dem SG sei der erste, aber nichtige Rückforderungsbescheid der Beklagten, adressiert an den geschäftsunfähigen und mittlerweile verstorbenen Ehemann der Klägerin, Streitgegenstand gewesen. Dieser Rechtsstreit sei durch übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten erledigt worden. Im vorliegenden Rechtsstreit sei vor dem SG Streitgegenstand der an sie - die Klägerin - adressierte zweite Rückforderungsbescheid gewesen. Das LSG habe kurz vor der Urteilsverkündung den Streitgegenstand und die Verfahrensbeteiligten "ausgetauscht", den erledigten nichtigen ersten Rückforderungsbescheid ohne Devolution in das LSG-Verfahren einbezogen, ihn unter Verstoß gegen Denkgesetze und das grundgesetzliche Bestimmtheitsgebot für rechtmäßig erklärt und der Beklagten den geltend gemachten Anspruch zuerkannt. Sie - die Klägerin - habe vom LSG keine Gelegenheit bekommen, sich zu den beabsichtigten Änderungen schriftlich zu äußern.

Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen ( BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205 , 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht ansatzweise gerecht. Auch hat die Klägerin nicht dargetan, einen Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung gestellt zu haben, um in angemessener Frist schriftsätzlich vortragen zu können.

Die Klägerin rügt zudem sinngemäß einen Verstoß gegen § 103 SGG . Dazu trägt sie lediglich vor, das LSG habe seine Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts verletzt und die Wahrheitsfindung vereitelt, "da die Vorsitzende ihr Urteil bereits gebildet hatte und durch Tatsachen nicht gestört werden wollte". Dagegen benennt sie den für eine derartige Rüge zwingend erforderlichen Beweisantrag (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ) weder nach dem Inhalt noch nach der Fundstelle und behauptet auch nicht wenigstens seine Aufrechterhaltung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung.

Die Aussage, die "Diffamierung des Beweisantrages der Klägerin als Ausforschungsbeweis" sei "abwegig und nicht nachvollziehbar," genügt dafür nicht. Zudem hat es die Klägerin versäumt, den vom LSG festgestellten Sachverhalt darzustellen. Dessen Wiedergabe ist aber Mindestvoraussetzung für eine Entscheidung des Senats über die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde. Denn nur in diesem Fall wird das BSG in die Lage versetzt, allein aufgrund des Vorbringens in der Beschwerdebegründung zu beurteilen, ob der gerügte Zulassungsgrund vorliegt. Es ist nicht Aufgabe des erkennenden Senats, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten herauszusuchen (vgl nur BSG Beschluss vom 23.7.2007 - B 13/4 R 381/06 B - Juris RdNr 8 mwN).

Soweit sich die Klägerin ua gegen die "Ausführungen des BayLSG über die Bekanntgabe und die Vorsorgevollmacht" wendet, und zudem die Ausführungen des LSG zum Verwaltungszustellungsgesetz , zum grundgesetzlichen Bestimmtheitsgebot und zur Vollmacht nach dem BGB angreift, rügt sie die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts. Die - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung kann jedoch mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen werden ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Die Rüge der Divergenz hat schon deshalb keinen Erfolg, weil Urteile des Bundesfinanzhofes nicht als divergenzfähig in Betracht kommen. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt im Übrigen nur vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die eines dieser Gerichte aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Klägerin hat bereits keinen tragenden abstrakten Rechtssatz des LSG herausgestellt, mit dem dieses der Rechtsprechung des BSG , des BVerfG oder des GmSOGB widersprochen habe.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 29.09.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 673/13
Vorinstanz: SG Regensburg, vom 22.05.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 11 R 4358/11