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BSG - Entscheidung vom 29.09.2017

B 13 R 436/15 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 29.09.2017 - Aktenzeichen B 13 R 436/15 B

DRsp Nr. 2017/15339

Rentenversicherung Verfahrensrüge Verletzung rechtlichen Gehörs Kein Schutz gegen vermeintlich unrichtige Rechtsanwendung

1. Eine Nichtzulassungsbeschwerde bietet keinen Schutz gegen eine aus Sicht eines Beteiligten "unrichtige" Rechtsanwendung. 2. Auch der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass der Kläger mit seinem Vortrag "gehört", nicht jedoch "erhört" wird. 3. Die Gerichte werden durch Art. 103 Abs. 1 GG nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. Dezember 2015 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Dem Kläger werden die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren auferlegt. Ansonsten sind Kosten nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 1.12.2015 hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) den vom Kläger nach Annahme eines Teilvergleichs im Berufungsverfahren noch geltend gemachten Anspruch verneint, die Zeit vom 1.6.1971 bis 31.5.1972 als Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung und die Zeit vom 15.5.1971 bis 30.6.1979 als Kinderberücksichtigungszeit bei der vom 1.3.2008 bis 31.1.2013 gezahlten Rente wegen voller Erwerbsminderung und bei der seit dem 1.2.2013 gezahlten Altersrente rentensteigernd zu berücksichtigen. Nach dem gesamten Ergebnis der Beweisaufnahme sei in der noch streitigen Zeit nicht mit der erforderlichen Konkretheit glaubhaft gemacht, dass der Kläger die am 15.5.1971 geborene Tochter S. allein oder wenigstens überwiegend erzogen habe.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

II

Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) iVm § 114 Abs 1 S 1 Zivilprozessordnung ( ZPO ) kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht ( BSG ) nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das ist hier nicht der Fall. Denn die Rechtsverfolgung des Klägers unter Berücksichtigung seines Vorbringens in den Schriftsätzen vom 17.12.2015, 4.1.2016, 30.1.2016 und 26.6.2017 bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil Revisionszulassungsgründe iS des § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG nicht vorliegen.

Nach § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3).

Das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist nicht erkennbar. Dass das LSG von höchstrichterlicher Rechtsprechung iS der Nr 2 abgewichen sein könnte, ist nicht ansatzweise ersichtlich.

Aber auch ein Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), auf dem das Urteil des LSG beruhen könnte, lässt sich nicht erkennen. Insbesondere konnte das Berufungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 153 Abs 1 iVm § 124 Abs 2 SGG ), nachdem zuvor alle Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt hatten.

Soweit der Kläger meinen sollte, das LSG habe den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt, hat er im Verfahren keine Beweisanträge formuliert, nach denen sich das Berufungsgericht über die erfolgten umfangreichen Ermittlungen hinaus hätte gedrängt fühlen müssen, den hier entscheidungserheblichen Sachverhalt weiter aufzuklären. Das LSG hat die Aktenrestbestandteile aus der Akte des Familiengerichts beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg zum Az 139 F 10327/78 und die von der Beklagten für die Beigeladene geführten Verwaltungsakten beigezogen. Weitere Ermittlungsbemühungen des Berufungsgerichts bei dem früheren Bevollmächtigten der Beigeladenen aus dem Scheidungsverfahren mit dem Kläger und bei dem Jugendamt des Bezirksamts F. sind erfolglos geblieben. Auf Anordnung des LSG hat das Sozialgericht Berlin die Zeugen W. S., M. M. und F. S. im Wege der Rechtshilfe zu den Lebensverhältnissen des Klägers, der Beigeladenen und der Tochter S. in dem hier streitbefangenen Zeitraum vernommen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Tochter S. mit der Bitte um (ergänzende) Auskunftserteilung angeschrieben. Diese hat jedoch von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht (vgl § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 383 Abs 1 Nr 3 ZPO ). Dass der Kläger mit dem Ergebnis der Beweiswürdigung des LSG, dass für die hier noch streitige Zeit eine gegenüber dem zeitlichen Umfang der Erziehungsleistung der Beigeladenen überwiegende Erziehung der gemeinsamen Tochter S. durch den Kläger nicht glaubhaft gemacht sei, nicht einverstanden ist, ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich. Denn nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien Beweiswürdigung) gestützt werden. Unerheblich ist auch, dass der Kläger die Sachentscheidung des LSG für falsch hält. Denn eine Nichtzulassungsbeschwerde bietet keinen Schutz gegen eine aus Sicht eines Beteiligten "unrichtige" Rechtsanwendung (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 14.2.2007 - B 13 R 477/06 B - Juris RdNr 15; BVerfG [Kammer] Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN). Auch der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass der Kläger mit seinem Vortrag "gehört", nicht jedoch "erhört" wird. Die Gerichte werden durch Art 103 Abs 1 Grundgesetz nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (Senatsbeschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris RdNr 8 mwN).

Auf den vom Kläger gerügten fehlenden medizinischen Ermittlungen beruht die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Nach dessen Rechtsauffassung kam es zur Beurteilung des Streitgegenstandes hierauf nicht an.

Die vom Kläger gerügte Kostenentscheidung des LSG, ihm die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Berufungsverfahren aufzuerlegen und sein geringfügiges Obsiegen kostenrechtlich nicht zu berücksichtigen, ist nicht gesondert mit der Beschwerde anfechtbar. Liegen - wie aufgezeigt - hinsichtlich der Hauptsache die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vor, kann lediglich wegen der Kostenentscheidung im Berufungsurteil die Revision nicht zugelassen werden ( BSG Beschluss vom 8.1.1985 - 7 BAr 109/84 - SozR 1500 § 160 Nr 54).

Da dem Kläger mangels Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerde PKH zu versagen war, hat er auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht von einem vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG ) eingelegt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 01.12.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 10 R 239/11
Vorinstanz: SG Lüneburg, vom 04.04.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 34 R 190/09