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BSG - Entscheidung vom 20.11.2017

B 5 R 221/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 20.11.2017 - Aktenzeichen B 5 R 221/17 B

DRsp Nr. 2018/296

Rente wegen Erwerbsminderung Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Bereits geklärte Rechtsfrage

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich z.B. unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. 3. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. 4. Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 30. Mai 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

Die Klägerin begehrt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Mit Urteil vom 30.5.2017 hat das LSG Niedersachsen-Bremen die Berufung der Klägerin gegen den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid des SG Lüneburg vom 9.10.2013 zurückgewiesen. Auch das LSG hat einen Rentenanspruch der Klägerin wegen der nicht erfüllten allgemeinen Wartezeit verneint. Die Klägerin ist dagegen der Auffassung, ihr müssten für die in den Jahren 1998 und 2005 geborenen Kinder weitere Kindererziehungszeiten anerkannt werden, sodass die allgemeine Wartezeit erfüllt sei.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Es kann offenbleiben, ob die Klägerin mit den von ihr aufgeworfenen Fragen solche abstraktgenerellen Rechtsfragen jeweils zum Anwendungsbereich einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) hinreichend formuliert. Jedenfalls fehlt es in der Beschwerdebegründung an Ausführungen zu deren Klärungsbedürftigkeit. Eine Rechtsfrage ist nämlich dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN).

Nach § 56 Abs 3 S 1 SGB VI können Kindererziehungszeiten nur für Zeiten der Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anerkannt werden, "wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat". Dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, wenn ein ausländerrechtlicher Aufenthaltsstatus nur vorübergehend geduldet und nicht rechtlich beständig gestaltet war, ist bereits höchstrichterlich entschieden. Auch dass Veränderungen des aufenthaltsrechtlichen Status unbeachtlich sind, die - wie von der Klägerin vorgetragen - erst nach dem Zeitraum eintreten, für den eine Kindererziehungszeit anrechenbar wäre, ist Inhalt dieser Rechtsprechung (vgl BSG Urteil vom 28.7.1992 - 5 RJ 24/91 - BSGE 71, 78 = SozR 3-2600 § 56 Nr 2, SozR 3-1200 § 30 Nr 7, SozR 3-2600 § 3 Nr 1 und nachfolgend BSG Urteil vom 27.1.1994 - 5 RJ 16/93 - SozR 3-2600 § 56 Nr 7). Die Beschwerdebegründung nimmt darauf nicht einmal im Ansatz Bezug. Stattdessen gibt die Klägerin über fast sieben Seiten den Inhalt eines Aufsatzes mit dem Titel "Transferbelastung der Familie" wieder (FamRZ 1991, 1025 ff) und bezeichnet die Annahme, sie habe Kinder "nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erzogen" als "Quatsch".

Soweit die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Verfassungsrecht ableitet, darf sie sich dabei nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr, zB bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 f = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 13 f). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe der jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG im Einzelnen dargelegt werden (stRspr, zB BSG Beschluss vom 12.7.2013 - B 1 KR 123/12 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 10/10 B - Juris RdNr 6). Die Klägerin rügt eine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG . Entsprechende Ausführungen zur Begründung fehlen. Dafür genügt im Übrigen auch nicht die mit Schriftsatz vom 26.9.2017 - zudem erst nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangene - wörtliche Wiedergabe von Auszügen des Pflegeversicherungsurteils des BVerfG vom 3.4.2001 ( 1 BvR 1629/94).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 30.05.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 449/13
Vorinstanz: SG Lüneburg, vom 09.10.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 13 R 279/13