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BSG - Entscheidung vom 25.04.2017

B 9 V 1/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 25.04.2017 - Aktenzeichen B 9 V 1/17 B

DRsp Nr. 2017/13756

Rente nach dem OEG Verfahrensrüge Würdigung unterschiedlicher Zeugenaussagen oder ärztlicher Auffassungen Keine Rüge einer fehlerhaften Beweiswürdigung

1. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG SozR 1500 § 160 Nr. 5) ist das Gericht nur dann gemäß § 103 SGG zu weiteren Ermittlungen verpflichtet, wenn die vorliegenden Beweismittel, wie z.B. vorliegende Urkunden über Zeugenvernehmungen, nicht ausreichen, um die entscheidungserheblichen Tatsachen festzustellen. 2. Die Würdigung unterschiedlicher Zeugenaussagen oder ärztlicher Auffassungen über ein nach dem Gesetz festzustellendes Geschehen gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst. 3. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts entzieht § 160 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 SGG allerdings der Beurteilung durch das Revisionsgericht. 4. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. November 2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 103 ;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 3.11.2016 hat das LSG Berlin-Brandenburg einen Anspruch des Klägers auf Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz ( OEG ) verneint, weil ein tätlicher Angriff iS von § 1 Abs 1 S 1 OEG nicht nachgewiesen sei. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Die Revision sei gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zuzulassen, weil die Beweiswürdigung des LSG gegen Denkgesetze verstoße und allgemeine Erfahrungssätze außer Acht lasse. Das Urteil sei deshalb unter Verletzung der §§ 103 , 106 , 128 SGG zustande gekommen.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

1. Soweit - wie vorliegend - Verstöße gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG ) gerügt werden, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1.) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5.) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können ( BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger hat bereits nicht aufgezeigt, dass er einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt habe. Zur Darlegung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache ( BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht, der Kläger behauptet nicht einmal, einen solchen Beweisantrag gestellt zu haben.

Soweit der Kläger im Rahmen der Beschwerde kritisiert, dass die Würdigung der Protokolle der Zeugenvernehmungen durch das LSG die strafrechtliche Ausgangssituation grundlegend verkenne, denklogisch falsch sei und im krassen Widerspruch zu anerkannten Erfahrungswerten stehe, legt er nicht dar, weshalb sich das LSG aufgrund seiner Rechtsauffassung zu einer weiteren Beweisaufnahme hätte gedrängt fühlen müssen. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 5) ist das Gericht nur dann gemäß § 103 SGG zu weiteren Ermittlungen verpflichtet, wenn die vorliegenden Beweismittel, wie zB vorliegende Urkunden über Zeugenvernehmungen, nicht ausreichen, um die entscheidungserheblichen Tatsachen festzustellen. Dass dies der Fall wäre, behauptet der Kläger selbst nicht einmal, sondern kritisiert lediglich die Wertungen des LSG. Bloße Angriffe auf die Beweiswürdigung des LSG können jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen, auch wenn sie in die Gestalt einer Sachaufklärungsrüge gekleidet sind. Tatsächlich hat der Kläger keine entscheidungserheblichen Tatsachen unter Beweis gestellt und somit auch keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag aufgezeigt. Die Würdigung unterschiedlicher Zeugenaussagen oder ärztlicher Auffassungen über ein nach dem Gesetz festzustellendes Geschehen gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts entzieht § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG allerdings der Beurteilung durch das Revisionsgericht. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (vgl Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG , 2014, § 160 RdNr 58 mwN). Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

2. Soweit der Kläger sinngemäß durch seinen Hinweis auf § 106 SGG als Verfahrensmangel rügt, das LSG habe in der Person des Vorsitzenden die sich aus § 112 Abs 2 SGG ergebenden Pflichten zur Hinwirkung auf sachdienliche Anträge und zur Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses verletzt, handelt es sich sachlich auch um eine Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG ; Art 103 Abs 1 GG ). Auch insoweit reichen die Darlegungen des Klägers in seiner Beschwerdebegründung nicht aus. Ein Beteiligter kann mit seiner Beschwerde insoweit nur durchdringen, wenn er vor dem LSG alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 62 RdNr 11d mwN). Weshalb der von einem Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger hieran gehindert gewesen sein sollte, legt er nicht hinreichend dar. Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Prozessgericht grundsätzlich nicht, die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte vorher mit den Beteiligten zu erörtern (vgl BSG SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S 3 mwN). Einen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern, gibt es nicht ( BSG SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S 3 = NJW 2000, 3590 , 3591; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 3). Art 103 Abs 1 GG schützt nicht davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (BVerfGE 64, 1 , 12; 76, 93, 98).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 03.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 11 VG 37/12
Vorinstanz: SG Berlin, vom 23.08.2012 - Vorinstanzaktenzeichen S 40 VG 128/08