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BSG - Entscheidung vom 15.03.2017

B 3 P 3/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 1 S. 2
SGG § 73 Abs. 4 S. 1
SGG § 73 Abs. 2

BSG, Beschluss vom 15.03.2017 - Aktenzeichen B 3 P 3/17 B

DRsp Nr. 2017/10523

Pflegeversicherung Nichtzulassungsbeschwerde Vertretungszwang vor dem BSG Als Bevollmächtigte zugelassene Personen und Organisationen

1. Nach § 160a Abs 1 S 2 iVm § 73 Abs 4 S 1 SGG müssen sich die Beteiligten bei der Einlegung einer Beschwerde zum BSG gegen die Nichtzulassung der Revision durch vor diesem Gericht vertretungsberechtigte Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. 2. Die als Bevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen sind in § 73 Abs 4 iVm Abs 2 SGG ausdrücklich aufgeführt. 3. Eine Ausnahme ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2016 Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde des Klägers gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2016 wird ebenfalls als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 1 S. 2; SGG § 73 Abs. 4 S. 1; SGG § 73 Abs. 2 ;

Gründe:

I

Streitig sind Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I für die Zeit vom 27.7.2013 bis 31.8.2016.

Der am 25.2.1937 geborene Kläger beantragte erstmals im Mai 2011 Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, nahm aber die gegen den ablehnenden Bescheid erhobene Klage zurück, nachdem in einem gerichtlich eingeholten Gutachten vom 1.12.2012 ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von elf Minuten täglich festgestellt wurde.

Auf einen erneuten Leistungsantrag vom 27.7.2013 stellte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in einem Gutachten vom 26.8.2013 einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 21 Minuten und in einem weiteren Gutachten vom 15.10.2013 einen Grundpflegebedarf von 23 Minuten täglich fest. Das SG hat die Klage nach Einholung von Befund- und Behandlungsberichten abgewiesen (Urteil vom 28.1.2015). Im Berufungsverfahren erklärte sich die Beklagte aufgrund eines weiteren MDK-Gutachtens vom 13.10.2016 zu Leistungen nach der Pflegestufe I ab September 2016 bereit, weil nach diesem Gutachten ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 49 Minuten täglich und im Bereich der Hauswirtschaft von 45 Minuten täglich seit September 2016 bestand. Die vom Kläger aufrechterhaltene Berufung für den noch streitigen Zeitraum vor September 2016 ist erfolglos geblieben (Urteil vom 8.12.2016), weil in diesem Zeitraum keine Pflegebedürftigkeit vorgelegen habe. Zur Begründung nimmt das LSG auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug. Anhaltspunkte für eine unzutreffende Beurteilung des Hilfebedarfs durch das SG oder für eine Erhöhung des Hilfebedarfs vor September 2016 hätten sich nicht ergeben.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihm am 28.12.2016 zugestellten Urteil des LSG vom 8.12.2016 hat der Kläger mit einem von ihm selbst unterzeichneten Schreiben vom 6.1.2017 Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt. Er hat zugleich beantragt, sich im Beschwerdeverfahren aus Kostengründen selbst vertreten zu dürfen.

Darüber hinaus wendet er sich gegen den Beschluss des LSG (ebenfalls vom 8.12.2016) zur Festsetzung von Ordnungsgeld in Höhe von 150 Euro, weil der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung und Anordnung seines persönlichen Erscheinens zum Termin nicht erschienen ist. Insoweit bittet der Kläger auch um Erlass des Ordnungsgeldes.

II

1. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114 , 121 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Es kann offenbleiben, ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage wäre, die Kosten für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes ganz oder zumindest teilweise selbst aufzubringen. PKH kann ihm jedenfalls nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass einer der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision von einem Bevollmächtigten mit Erfolg gerügt werden und auch tatsächlich vorliegen könnte.

Gemäß § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder

2. die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

3. ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

Bestimmte Verfahrensrügen sind allerdings nur eingeschränkt oder gar nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu begründen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ).

Nach der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten des beabsichtigten Rechtsmittels liegt keiner der Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 SGG vor.

a) Die Sache bietet keine Hinweise auf eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Die Revision kann wegen grundsätzlicher Bedeutung nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft. Fragen, die bereits höchstrichterlich entschieden sind, sind regelmäßig nicht mehr klärungsbedürftig (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 6 ff mwN). Auch bei Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung ist die Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig, wenn ihre Beantwortung praktisch außer Zweifel steht oder so gut wie unbestritten ist ( BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 17 mwN).

Es ist nicht erkennbar, dass im Rechtsstreit des Klägers eine solche grundsätzliche Rechtsfrage von Bedeutung sein könnte. Nach Durchsicht der Akten fehlen - auch unter Würdigung des Vorbringens des Klägers - jegliche Hinweise auf eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Vorliegend geht es vielmehr darum, diesen Einzelfall auf der Grundlage von Gutachten und medizinischen Befunden zu entscheiden. Rechtsfragen sind bisher weder erörtert worden, noch gibt es Hinweise darauf, dass solche relevant sein könnten. Anderes kann auch dem Vortrag des Klägers nicht entnommen werden.

b) Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) könnte nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, denn es ist nicht ersichtlich, dass in der angefochtenen Entscheidung von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen sein könnte.

c) Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger einen Verfahrensfehler des LSG dartun könnte, auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Insbesondere bestehen keine Hinweise darauf, dass das LSG seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG ) oder den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG ) verletzt haben könnte. Denn angesichts der für den streitigen Zeitraum sehr großen Differenz zwischen dem vom MDK festgestellten Hilfebedarf und den Voraussetzungen der Pflegestufe I mussten sich dem LSG keine weiteren Ermittlungen aufdrängen. Daran hat sich auch nichts dadurch geändert, dass in dem Gutachten des MDK vom 13.10.2016 ab September 2016 eine Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I festgestellt worden ist. Denn auch daraus ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Pflegebedarf möglicherweise schon vor September 2016 die Voraussetzungen der Pflegestufe I erreicht haben könnte. Der festgestellte Grundpflegebedarf von 49 Minuten täglich, mit dem gerade die Schwelle des für die Pflegestufe I notwendigen Hilfebedarfs erreicht wird, gibt - selbst wenn eine stetig fortschreitende Erhöhung des Hilfebedarfs unterstellt wird - keinen Anlass für weitere Ermittlungen bezüglich des vorangegangenen Zeitraums. Vor dem Hintergrund, dass nach mehreren zeitlich vorher erstellten Gutachten der Hilfebedarf des Klägers ganz deutlich unterhalb der Voraussetzungen der Pflegestufe I lag, ist nicht zu erwarten, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I auch schon für die Zeit vor September 2016 ermittelt werden könnten, auch weil Begutachtungen bezüglich eines in der Vergangenheit liegenden Zeitraums immer schwierig sind.

Anders als der Kläger offenbar annimmt, hebt das Urteil nicht die Bewilligung von Leistungen nach Pflegestufe I für die Zeit ab September 2016 auf. Die Entscheidung ist vielmehr ausschließlich und ausdrücklich auf den Zeitraum vom 27.7.2013 bis 31.8.2016 begrenzt. Die Bewilligung der Pflegestufe I ab September 2016 hat auch nicht - wie der Kläger offenbar weiterhin meint - automatisch auch einen rückwirkenden Anspruch auf das Pflegegeld für den hier streitigen, zeitlich davor liegenden Zeitraum zur Folge. Auch insoweit sind keine Verfahrensfehler ersichtlich.

2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen.

Nach § 160a Abs 1 S 2 iVm § 73 Abs 4 S 1 SGG müssen sich die Beteiligten bei der Einlegung einer Beschwerde zum BSG gegen die Nichtzulassung der Revision durch vor diesem Gericht vertretungsberechtigte Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die als Bevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen sind in § 73 Abs 4 iVm Abs 2 SGG ausdrücklich aufgeführt. Das LSG hat den Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hierauf hingewiesen und die als Prozessbevollmächtigten zugelassenen Personen und Organisationen im Einzelnen aufgeführt. Der Kläger gehört den dort genannten Personengruppen und Organisationen nicht an und ist daher nicht berechtigt, sich selbst zu vertreten. Eine Ausnahme ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG ).

3. Die Beschwerde des Klägers gegen den Ordnungsgeldbeschluss des LSG vom 8.12.2016 ist unzulässig, weil der Beschluss nicht mit der Beschwerde anfechtbar ist (§ 177 SGG ). Über einen Erlass des festgesetzten Ordnungsgeldes kann das BSG mangels Zuständigkeit nicht entscheiden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 08.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 P 22/15
Vorinstanz: SG Düsseldorf, - Vorinstanzaktenzeichen S 5 P 82/14