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BSG - Entscheidung vom 29.09.2017

B 7 AY 6/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 29.09.2017 - Aktenzeichen B 7 AY 6/17 B

DRsp Nr. 2017/16060

Parallelentscheidung zu BSG - B 7 AY 5/17 B - v. 29.09.2017

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Juni 2017 werden als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

I

Im Streit ist die Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ( AsylbLG ) ab 14.9.2007 bis 24. bzw 30.9.2009.

Die Kläger, libanesische Staatsangehörige, machen für die streitbefangene Zeit die Gewährung von sog Analog-Leistungen nach § 2 AsylbLG anstelle der ihnen gewährten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG geltend. Die Klagen sind in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG Konstanz vom 26.6.2013; Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 29.6.2017).

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihren Beschwerden. Sie machen die Divergenz der Entscheidung des LSG zu Entscheidungen des BSG geltend. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 30.10.2013 (Az: B 7 AY 7/12 R) entschieden, dass die Nichtabgabe einer Freiwilligkeitserklärung nicht zum Ausschluss sog Analog-Leistungen führen könne. Die Botschaft des Libanon verlange jedoch solche Erklärungen, die sie, die Kläger, zu keinem Zeitpunkt abgegeben hätten, sodass eine Abschiebung deshalb nicht möglich gewesen sei. Zur Abgabe einer solchen Erklärung könnten sie auch nicht gezwungen werden. Zudem habe das Landratsamt zu keinem Zeitpunkt einen Pass oder Passersatzpapiere verlangt, ohne die eine Abschiebung aber gar nicht möglich sei. Zudem komme der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu. Es sei klärungsbedürftig, ob ein Auszug aus dem Familienregister im Original als Nachweis der Identität anzusehen sei, sodass ab Vorlage dessen im September 2007 die Identität als geklärt anzusehen sei oder erst durch Vorlage des abgelaufenen Originalpasses im Juli 2009 oder sogar erst ab Eingang der Änderungsmitteilung des Landratsamts bei der leistungsgewährenden Stelle. Insofern sei auch klärungsbedürftig, ob Bezieher von Kinder- bzw Wohngeld weiterhin als Bedürftige angesehen werden könnten, sodass ein Anspruch auf Analog-Leistungen deshalb nicht verloren gehe. Anderenfalls sei zu klären, ob bei überlanger Verfahrensdauer, wie hier, tatsächlich ein Erstattungsausschluss drohe. Außerdem habe das LSG verfahrensfehlerhaft Auskünfte hinsichtlich der Frage der Freiwilligkeitserklärung nicht in ausreichendem Maße eingeholt und sei deshalb von falschen Tatsachen ausgegangen.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerden ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache haben die Kläger nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Denn die Kläger haben schon keine konkrete Rechtsfrage formuliert, deren Entscheidung durch den Senat angestrebt wird. Die von ihnen gestellten Fragen beinhalten vielmehr auf den konkreten Einzelfall bezogene Tatfragen, verbunden mit allgemeinen Rechtsausführungen, die ohne eine auch nur zusammenfassende Mitteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht nachvollziehbar sind und dementsprechend nicht erkennen lassen, weshalb es für die Entscheidung im angestrebten Revisionsverfahren auf die Beantwortung dieser Fragen ankommt. Dies wäre aber für eine ausreichende Darlegung der Klärungsfähigkeit erforderlich. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nämlich nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsbedürftigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden müssen ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 39 und § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Hieran fehlt es, wie dargelegt.

Auch der Zulassungsgrund der Divergenz ist nicht hinreichend bezeichnet. Eine Divergenz liegt nur dann vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG aufgestellt hätte; eine Abweichung ist erst dann zu bejahen, wenn das LSG diesen Kriterien - wenn auch unter Umständen unbewusst - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Die Kläger formulieren jedoch weder einen tragenden abstrakten Rechtssatz des LSG noch einen solchen des BSG , geschweige denn legen sie eine Abweichung dar. Soweit die ohne jegliche Sachverhaltsdarstellung ohnedies kaum nachvollziehbare Beschwerdebegründung dahin zu verstehen ist, dass die Entscheidung des LSG inhaltlich falsch sein soll, vermag dies die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen. Denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Der Zulassungsgrund des Verfahrensmangels ist ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24 , 36). Wer sich - wie hier - auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss daher ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG Beschluss vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag, das LSG habe hinsichtlich "der Freiwilligkeitserklärung nicht in ausreichendem Maße" Auskünfte eingeholt, erkennbar nicht. Weder haben die Kläger damit einen Beweisantrag bezeichnet noch die Tatsachen dargelegt, die zu weiterer Sachaufklärung hätten Anlass geben können.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 29.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 7 AY 3293/13
Vorinstanz: SG Konstanz, vom 26.06.2013 - Vorinstanzaktenzeichen S 3 AY 2816/10