Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 18.05.2017

B 10 ÜG 3/17 BH

Normen:
GVG § 198 Abs. 6 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 18.05.2017 - Aktenzeichen B 10 ÜG 3/17 BH

DRsp Nr. 2017/13792

Parallelentscheidung zu BSG - B 10 ÜG 2/17 - v. 18.05.2017

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. Januar 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

GVG § 198 Abs. 6 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 27.1.2017 hat das Hessische LSG als Entschädigungsgericht einen Anspruch des Klägers auf mindestens 1200 Euro Entschädigung wegen der überlangen Dauer des Verfahrens L 6 AS 8/08 vor dem Hessischen LSG verneint, weil der Kläger bereits die zur Erhebung einer Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer bestehende Frist gemäß § 198 Abs 5 S 2 GVG von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens, versäumt hat. Vorliegend sei das Ausgangsverfahren durch das Hessische LSG mit Urteil vom 13.7.2011 und die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers mit Beschluss des BSG vom 27.6.2012 als unzulässig verworfen worden. Diesen habe das BSG am 12.7.2012 zur Post gegeben und es sei Rechtskraft des Urteils des LSG eingetreten, weil nach § 160a Abs 4 S 3 SGG mit der Ablehnung der Beschwerde durch das BSG die Rechtskraft des Urteils eintrete. Das BSG habe die Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde) abgelehnt, wenn es einen Beschluss aus dem Gericht heraus an die Post gebe. Damit habe ein rechtskräftiges Urteil vorgelegen und die Frist sei spätestens am Samstag, dem 12.1.2013 und damit am Montag, dem 14.1.2013 abgelaufen. Die Entschädigungsklage hätte somit spätestens am 14.1.2013 vom Kläger erhoben werden müssen. Dieser habe aber erst am 4.3.2013 und damit zu spät Klage erhoben und einen Antrag auf PKH für das vorliegende Verfahren gestellt. Da es sich um eine absolute Ausschlussfrist handele, seien weitere Erwägungen nicht notwendig. Daran ändere auch die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde beim BVerfG und auch eine Restitutionsklage iS von § 580 ZPO nichts.

Mit seinem Antrag auf PKH für die Erhebung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil macht der Kläger im Wesentlichen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Hierzu führt er aus, dass sich die grundsätzliche Bedeutung aus einer Abweichung der LSG-Entscheidung von der Entscheidung des BGH vom 21.5.2014 (Az III ZR 355/13 - NJW 2014, 2443 ) ergebe, wonach das Anhörungsrügeverfahren und das vorangegangene Hauptsacheverfahren ein einheitliches Gerichtsverfahren iS von § 198 Abs 6 Nr 1 GVG darstellte. Ausweislich des beim LSG gestellten Antrags auf Berichtigung des Tatbestands (§ 139 SGG ; § 320 ZPO ) werde dort nicht erwähnt, dass der die Anhörungsrüge vor dem BSG zurückweisende Beschluss vom 13.8.2012 der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24.8.2012 zugestellt worden sei. Folglich sei die Klagefrist erst am 25.2.2013, der 24.2.2013 war ein Sonntag, abgelaufen und durch sein Prozesskostenhilfegesuch vom 25.2.2013 für die Entschädigungsklage gewahrt. Die Frage von grundsätzlicher Bedeutung laute demnach: "Stellt eine Entscheidung des letztinstanzlichen Gerichts über eine zulässige Anhörungsrüge eine andere Erledigung des Verfahrens i.S.d. § 198 Abs. 5 Satz 2 SGG dar?"

Darüber hinaus stelle die Tatsache, dass das LSG Auskünfte beim BSG eingeholt habe zu der Frage, wann der Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde im Ausgangsverfahren zur Post gegeben worden sei, eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs dar, da er diese Tatsache erst im Urteil zur Kenntnis habe nehmen können.

II

Der Antrag des Klägers, ihm PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu gewähren, ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114 , 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ua die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es. Der Kläger kann aller Voraussicht nach mit seinem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen, weil es keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG ) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen. Nach Durchsicht der Akten fehlen Anhaltspunkte dafür, dass er einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte.

1. Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39) und die Anwendung mindestens einer Vorschrift des Bundesrechts betrifft (s § 162 SGG ). Die Frage muss außerdem entscheidungserheblich und damit klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4) oder bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65 ).

Rechtsfragen, die in diesem Sinne klärungsbedürftig sein könnten, sind hier nicht ersichtlich. Das gilt insbesondere für die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die sechsmonatige Klagefrist nach § 198 Abs 5 S 2 GVG erst zu laufen begonnen habe, nachdem seiner Prozessbevollmächtigten der Beschluss des BSG über die Zurückweisung der Anhörungsrüge am 24.8.2012 zugestellt worden sei. Denn selbst wenn - wie vom Kläger dargelegt - nach der Rechtsprechung des BGH davon auszugehen wäre, dass die Klagefrist nach § 198 Abs 5 S 2 GVG erst nach Zustellung des Beschlusses über die Ablehnung der Anhörungsrüge im Anschluss an das Hauptsacheverfahren eintreten würde, so wäre dennoch vorliegend auch eine am 25.2.2013 eingereichte Klage zu spät erhoben, da die Sechsmonatsfrist - wie vom LSG festgestellt - am 14.1.2013 abgelaufen ist. Der BGH hat in der benannten Entscheidung vom 21.5.2014 lediglich ausgeführt, dass ein Anhörungsrügeverfahren Teil (Annex) des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens iS von § 198 Abs 6 Nr 1 GVG ist, weil es auf eine Durchbrechung der Rechtskraft und eine neue Entscheidung in der Sache abzielt, ohne ein selbstständiges Verfahren einzuleiten (BGH, aaO, RdNr 12). Weder liegt eine solche Konstellation hier vor, da sich die hiesige Anhörungsrüge erst der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG anschloss. Noch hemmt die Erhebung einer Anhörungsrüge den Eintritt der Rechtskraft (vgl Haack in Roos/Wahrendorf, SGG , 2014, § 178a RdNr 42). Der Kläger verkennt, dass die Anhörungsrüge den Eintritt der Rechtskraft unberührt lässt und deshalb die Notwendigkeit eines Rückgriffs auf die 2. Alt des § 198 Abs 5 S 2 GVG hier nicht besteht. Damit ist nach § 160a Abs 4 S 3 SGG mit Abgabe des Beschlusses des BSG vom 27.6.2012 über die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig an die Post am 12.7.2012 Rechtskraft des Urteils des LSG vom 13.7.2011 eingetreten und die anzuhängende Klagefrist von sechs Monaten nach § 198 Abs 5 S 2 1. Alt GVG am Montag, den 14.1.2013, abgelaufen. Nichts anderes wäre die Folge, wenn man den Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses des BSG über die Nichtzulassungsbeschwerde am 16.7.2012 zugrunde legen wollte mit einem Fristablauf am 16.1.2013.

2. Ferner ist nichts dafür ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ). Ob das LSG im Übrigen den Einzelfall richtig entschieden hat, ist keine Frage grundsätzlicher Bedeutung und damit nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

3. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Danach ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Hierfür liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Auch im Übrigen sind Verfahrensmängel nicht zu erkennen, insbesondere keine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör. Ausweislich des vom Kläger mitübersandten Schreibens seiner früheren Prozessbevollmächtigten vom 27.2.2017 hat das LSG auf S 7, Abs 3 des angefochtenen Urteils selbst mitgeteilt, dass das BSG mit Schreiben vom 9.9.2016 angegeben habe, dass der Beschluss in dem Verfahren B 4 AS 18/12 B vom 27.6.2012 (Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde), am 12.7.2012 abgesandt worden sei. Dieses Schreiben ist ausweislich der Gerichtsakte an alle Beteiligten zur Kenntnis versandt worden, sodass der Kläger von diesem Umstand nicht erst durch das angefochtene Urteil des LSG Kenntnis erlangt hat.

4. Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114 , 121 ZPO ).

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 27.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 SF 19/13