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BSG - Entscheidung vom 20.12.2017

B 8 SO 37/17 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 62
GG Art. 103 Abs. 1
EMRK Art. 6 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 20.12.2017 - Aktenzeichen B 8 SO 37/17 BH

DRsp Nr. 2018/3010

Nichtzulassungsbeschwerde Verletzung rechtlichen Gehörs Notwendiger Vortrag

Für eine erfolgreiche Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs muss ausgeführt werden, welches Vorbringen des Rechtsuchenden hierdurch verhindert worden ist und inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruht.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. Dezember 2016 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 62 ; GG Art. 103 Abs. 1 ; EMRK Art. 6 Abs. 1 ;

Gründe:

I

Der in Bosnien und Herzegowina wohnhafte Kläger begehrt die Bescheidung eines Antrags auf seine Beteiligung an einem Widerspruchsverfahren, das seine Mutter bei dem beklagten Träger der Sozialhilfe führt.

Seine Klage wegen Untätigkeit der Beklagten, über diesen Antrag zu entscheiden, hatte keinen Erfolg (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts [SG] Karlsruhe vom 4.8.2015). Gegen den Gerichtsbescheid, der ihm am 14.8.2015 im Ausland zugestellt worden ist, legte er am 9.9.2016 Berufung ein, verbunden mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil vom 7.12.2016).

Der Kläger beantragt, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen.

II

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger die verspätete Antragstellung (Zustellung des Urteils am 22.12.2016; Eingang des Antrags beim Bundessozialgericht [BSG] am 25.9.2017) mit dem Vortrag, er sei vom 8.3.2017 bis zum 24.8.2017 erkrankt gewesen, ausreichend entschuldigt hat. Der Antrag hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] iVm § 114 Zivilprozessordnung [ZPO]). An einer erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen.

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ); denn sie wirft keine Rechtsfrage auf, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen ebenso wenig. Schließlich ist auch ein Verfahrensmangel nicht ersichtlich. Der Kläger trägt zwar sinngemäß vor, es hätte kein Prozessurteil ergehen dürfen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des LSG, die Berufung sei wegen der Versäumung der Frist unzulässig gewesen, insbesondere sei die beantragte Wiedereinsetzung (vgl § 67 SGG ) nicht zu gewähren gewesen, unzutreffend sein könnte. Der klägerische Vortrag, es habe die Berufung wegen Mittellosigkeit nicht innerhalb der Berufungsfrist von drei Monaten nach Zustellung des Gerichtsbescheids im Ausland eingelegt werden können, entschuldigt die verspätete Einlegung der Berufung nicht ausreichend. Das Berufungsverfahren selbst war für den Kläger kostenfrei; im Übrigen hätte er innerhalb der Berufungsfrist einen Antrag auf PKH stellen können. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das LSG auch nicht deshalb verfahrensfehlerhaft gehandelt, weil es über den Antrag auf Wiedereinsetzung erst zusammen mit der Berufung entschieden hat (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 67 RdNr 17a mwN). Eine solche Entscheidung ist mit dem Urteil schließlich auch ergangen, obwohl die Ablehnung des Antrags nicht in den Tenor aufgenommen ist (vgl § 136 Abs 1 Nr 4 SGG ); insoweit ergibt sich diese Entscheidung des LSG unzweifelhaft aus seinen Ausführungen auf Seite 7 (zur Heranziehung der Gründe bei unklarem Urteilstenor nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 136 RdNr 5c). Wird - wie hier - zugleich in der Sache selbst entschieden, genügt es, dass das Gericht in den Entscheidungsgründen über die Wiedereinsetzung befindet (Keller, aaO, § 67 RdNr 17).

Für eine erfolgreiche Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist ebenfalls nichts ersichtlich. Zwar hat der Kläger beim LSG einen Antrag auf Terminsaufhebung gestellt, dem das LSG nicht nachgekommen ist. Für eine erfolgreiche Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG , Art 103 Abs 1 Grundgesetz [GG], Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention [EMRK]) müsste aber weiter ausgeführt werden, welches Vorbringen des Rechtsuchenden hierdurch verhindert worden ist und inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruht. Selbst wenn das LSG auf den Vortrag des unvertreten gewesenen Klägers, er sei reiseunfähig erkrankt, dem Vertagungsantrag hätte stattgeben müssen, ist nicht erkennbar, welchen weiteren Vortrag der Kläger zur Sache hätte machen können, der zu einer Zulässigkeit der Berufung hätte führen müssen.

Da dem Kläger keine PKH zusteht, kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO nicht in Betracht.

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 07.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 2 SO 3411/16
Vorinstanz: SG Karlsruhe, vom 04.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 1 SO 1649/15