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BSG - Entscheidung vom 04.05.2017

B 9 SB 80/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 04.05.2017 - Aktenzeichen B 9 SB 80/16 B

DRsp Nr. 2017/13117

Nichtzulassungsbeschwerde Verfahrensrüge Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht Aufrechterhalten eines Beweisantrages Verfahren ohne mündliche Verhandlung

1. Will die Beschwerde einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG ), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss des Berufungsverfahrens aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. 2. Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. 3. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 SGG übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt wurde; dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten regelmäßig anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigstens hilfsweise wiederholt wird. 4. Wird ein Verfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden, ist ein zuvor gestellter Antrag dann nicht mehr aufrechterhalten, wenn sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklären, ohne den zuvor bereits formulierten Beweisantrag gleichzeitig zu wiederholen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. September 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 103 ;

Gründe:

I

Die Klägerin begehrt die Zuerkennung eines höheren Grads der Behinderung (GdB) als 30.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das LSG wie vor ihm das SG einen Anspruch der Klägerin auf einen höheren GdB als 30 abgelehnt (Urteil vom 21.9.2016).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe ihre Beweisanträge übergangen und dadurch Verfahrensfehler begangen.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die behaupteten Verfahrensmängel nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG ), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss des Berufungsverfahrens aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten regelmäßig anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigstens hilfsweise wiederholt wird ( BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35 S 73 mwN). Wird ein Verfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden, ist ein zuvor gestellter Antrag dann nicht mehr aufrechterhalten, wenn sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklären, ohne den zuvor bereits formulierten Beweisantrag gleichzeitig zu wiederholen ( BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35 S 74 mwN). Der Beschwerdeführer hat mithin darzulegen, dass, wann und wo die warnende Bezugnahme auf einen mit der Prozessordnung konformen Beweisantrag erfolgt ist. Schon daran fehlt es hier. Die Beschwerde legt nicht dar, ob der von ihr behauptete Beweisantrag in der Einverständniserklärung nach § 124 Abs 2 SGG gestellt bzw wiederholt worden ist und wo dieser Nachweis gegebenenfalls in der Akte zu finden wäre. Der von der Beschwerde erwähnte standardmäßige Hinweis des LSG in der ursprünglichen Terminladung auf die Möglichkeit einer Beweisaufnahme selbst ohne die Klägerin kann seine erforderliche warnende Bezugnahme auf einen möglichen Beweisantrag nicht ersetzen. Die Beschwerdebegründung berücksichtigt insoweit nicht, dass die Sachaufklärungsrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erhöhten Anforderungen unterliegt.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang rügt, die Nichtberücksichtigung ihrer Anträge auf Einholung von Sachverständigengutachten und des damit verbundenen Tatsachenvortrags verletze gleichzeitig ihr von § 62 SGG , Art 103 GG geschütztes rechtliches Gehör, so hat sie nicht dargelegt, alles unternommen zu haben, um sich dieses Gehör zu verschaffen. Denn die Klägerin hat, wie ausgeführt, nicht substantiiert ausgeführt, einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt und bis zum Schluss des Berufungsverfahrens aufrechterhalten zu haben.

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 21.09.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 SB 116/16
Vorinstanz: SG Trier, vom 24.05.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 7 SB 267/15