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BSG - Entscheidung vom 18.07.2017

B 5 R 336/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 160a Abs. 2 S. 3
SGG § 109
SGG § 128 Abs. 1 S. 1
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 18.07.2017 - Aktenzeichen B 5 R 336/16 B

DRsp Nr. 2017/13160

Nichtzulassungsbeschwerde Verfahrensrüge Darlegungspflicht Unbeachteter Beweisantrag

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs. 2 S. 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. 2. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. 3. Gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 S. 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. Oktober 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 160a Abs. 2 S. 3; SGG § 109 ; SGG § 128 Abs. 1 S. 1; SGG § 103 ;

Gründe:

Mit Beschluss vom 18.10.2016 hat das LSG Niedersachsen-Bremen die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Braunschweig vom 8.4.2016 "aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen (§ 153 Abse 2 und 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG )".

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensfehler.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG nicht dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Der Kläger rügt einen Verstoß gegen die Begründungspflicht (§ 153 Abs 2 SGG und § 142 Abs 2 S 1 SGG ) sowie eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG ). Der Beschluss enthalte weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe. Damit habe das LSG seine Pflicht zur Begründung seiner Entscheidung verletzt und sich nicht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers befasst. Mit diesem Vorbringen ist die Verletzungshandlung des Berufungsgerichts nicht schlüssig bezeichnet.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sieht der Kläger sinngemäß darin, dass sich das LSG mit seinem Vortrag im Berufungsverfahren, wonach die Regelung des § 77 SGB VI nicht für verfassungsgemäß gehalten werde, nicht auseinandergesetzt habe. Insoweit ist eine Gehörsverletzung nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger versäumt es darzutun, ob diese Ansicht nach der in diesem Zusammenhang allein maßgebende Rechtsauffassung des SG , auf das sich das LSG in seinem Beschluss unter Bezugnahme auf § 153 Abs 2 und 4 S 1 SGG gestützt hat, entscheidungserheblich ist. Insbesondere hätte der Kläger insoweit aufzeigen müssen, ob und inwieweit es nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts (und auf der Grundlage des von diesem möglicherweise unter Bezugnahme auf den Entscheidungstext des SG festgestellten Sachverhalts) notwendig auf die Verfassungsmäßigkeit des § 77 SGB VI ankommt und wie sich die Berücksichtigung seines Vortrags auf das Verfahrensergebnis ausgewirkt hätte.

Unabhängig davon, ob man diese neben der Verletzung des rechtlichen Gehörs überhaupt als eigenständigen Verfahrensmangel für gegeben hält (dahingestellt in BSG vom 31.8.2000 - B 3 KR 11/98 R - BSGE 87, 95 ff = SozR 3-2500 § 35 Nr 1, Juris RdNr 27), hat der Kläger auch die Rüge fehlender Gründe nicht ausreichend bezeichnet.

Für Beschlüsse der vorliegenden Art gilt § 136 SGG ausdrücklich nicht (§ 142 Abs 1 SGG und hierzu BSG vom 8.7.1998 - B 11 AL 89/98 B - Juris mwN; ebenso BSG vom 30.10.1997 - 13 RJ 31/97 - SozR 3-1500 § 142 Nr 1). Soweit hierfür § 142 Abs 2 S 3 SGG einschlägig ist, bedürfte es grundsätzlich keiner "Gründe", also weder eines Tatbestandes noch der Entscheidungsgründe. Soweit § 153 Abs 2 SGG dieser Norm als lex specialis vorgeht, was ebenfalls offenbleiben kann, könnte im besonderen Zusammenhang der Verwerfung der Berufung grundsätzlich jedenfalls auf Entscheidungsgründe verzichtet werden. Dennoch könnten ausnahmsweise beide Regelungen nicht einschlägig sein, wenn (relevantes) neues Vorbringen unbeachtet geblieben ist (zu diesem Aspekt im Zusammenhang von § 153 Abs 2 SGG BSG vom 31.8.2000 - B 3 KR 11/98 R - BSGE 87, 95 ff = SozR 3-2500 § 35 Nr 1, Juris RdNr 26; in diesem Sinne auch zu § 142 Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG , 12. Aufl 2017, § 142 RdNr 5; vgl auch BVerwG vom 9.12.1980 - 7 B 238/80 - Juris RdNr 11 ff). Gerade insofern hat der Kläger aber - wie bereits ausgeführt - nichts vorgetragen und unbeachtet gelassen, dass auch absolute Revisionsgründe der ordnungsgemäßen Bezeichnung in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bedürfen. Soweit - was nur im Anwendungsbereich des § 153 Abs 2 SGG in Betracht kommt, auf den sich ausdrücklich auch das LSG beruft - das Fehlen des Tatbestandes in der angegriffenen Entscheidung gesondert gerügt wird, hätte der Kläger im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde jedenfalls darlegen müssen, dass sich die grundsätzlich dort zu verortenden Ausführungen zum Sach- und Streitstand sowie zum mündlichen Vorbringen der Beteiligten (vgl § 202 SGG iVm § 314 ZPO ) nicht ausnahmsweise an anderer Stelle - hier möglicherweise im Entscheidungstext des SG - finden (vgl BGH vom 1.7.1997 - VI ZR 313/96 - Juris RdNr 7). Dies als Beschwerdegericht selbst zu tun, ist dem Senat verwehrt (vgl demgegenüber zur Prüfung des fehlenden Tatbestandes von Amts wegen im Revisionsverfahren etwa BAG vom 19.6.2007 - 2 AZR 599/06 - Juris RdNr 12 ff).

Die nicht von vornherein bedenkenfreie Praxis des LSG, die sich in letzter Zeit offenbar zunehmender Beliebtheit erfreut, muss daher vorliegend ungeprüft bleiben.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 18.10.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 244/16
Vorinstanz: SG Braunschweig, vom 08.04.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 36 R 218/14