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BSG - Entscheidung vom 08.08.2017

B 5 R 62/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 08.08.2017 - Aktenzeichen B 5 R 62/17 B

DRsp Nr. 2017/14395

Nachzahlung einer Altersrente Divergenzrüge Formgerechte Darlegung einer Divergenz Darstellung des tatsächlichen und rechtlichen Kontextes

1. Eine Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, dass die Entscheidung des LSG auf der behaupteten Divergenz beruht, wenn sie nicht darlegt, dass das BSG in dem herangezogenen Urteil auf der Grundlage des darin angeblich aufgestellten Rechtssatzes eine vergleichbare Fallkonstellation tragend anders entschieden hat als das LSG im angefochtenen Urteil. 2. Dafür genügt es keinesfalls, der bundesgerichtlichen Entscheidung isoliert einzelne Sätze zu entnehmen und - völlig losgelöst von ihrem Bezugsrahmen - zu behaupten, es handele sich dabei um tragende höchstrichterliche Rechtssätze. 3. Stattdessen ist der tatsächliche und rechtliche Kontext darzustellen, in dem die herangezogenen bundesgerichtlichen Rechtssätze stehen.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

Mit Urteil vom 6.12.2016 hat das Sächsische LSG einen Anspruch des Klägers auf Nachzahlung seiner Altersrente seit Oktober 1993 verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensfehler und Rechtsprechungsabweichung.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- die Entscheidung von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG nicht dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Der Kläger rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie seines Anspruchs auf den gesetzlichen Richter. Das angefochtene Urteil sei insgesamt unwirksam. Es bringe nicht klar zum Ausdruck, bezüglich welcher Anträge die Klage und die Berufung abgewiesen worden seien. Mit diesem Vorbringen ist die Verletzungshandlung des Berufungsgerichts nicht schlüssig bezeichnet.

Der Kläger versäumt es bereits, den vom LSG festgestellten Sachverhalt darzustellen. Dessen Wiedergabe ist aber Mindestvoraussetzung für eine Entscheidung des Senats über die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde. Denn nur in diesem Fall wird das BSG in die Lage versetzt, allein aufgrund des Vorbringens in der Beschwerdebegründung zu beurteilen, ob der gerügte Zulassungsgrund vorliegt. Es ist nicht Aufgabe des erkennenden Senats, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten herauszusuchen (vgl nur BSG Beschluss vom 23.7.2007 - B 13/4 R 381/06 B - Juris RdNr 8 mwN).

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG ) sieht der Kläger darin, dass entgegen der im Schriftsatz des Klägers vom 21.11.2016 präzisierten Berufungsanträge diese gerade nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 6.12.2016 gewesen seien. Wie dem Urteil des LSG entnommen werden könne, entsprächen die dort als "sinngemäß" formulierten Anträge nicht dem tatsächlichen "Klägerbegehren". Insoweit ist eine Gehörsverletzung nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger versäumt es darzutun, inwiefern konkret die vom LSG zugrunde gelegten Anträge das nach § 123 SGG maßgebliche Begehren verfehlen und ob ein sich hiernach eventuell ergebender Mangel nach der in diesem Zusammenhang allein maßgebenden Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich ist. Insbesondere hätte der Kläger insoweit aufzeigen müssen, wie sich sein Vortrag nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts (und auf der Grundlage des von diesem festgestellten Sachverhalts) auf das Verfahrensergebnis ausgewirkt hätte.

Der Kläger hat auch den behaupteten Verfahrensfehler, das LSG habe gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG ) verstoßen, nicht formgerecht geltend gemacht. Der Kläger rügt, aus der Niederschrift des LSG vom 6.12.2012 gehe noch nicht einmal hervor, welche Anträge die Klägerseite in dem Verfahren überhaupt gestellt habe und über welche das LSG entscheiden solle. Zur Entscheidung habe in der Verhandlung am 6.12.2016 - insbesondere nicht durch die ehrenamtlichen Richter - offenkundig kein Antrag des Klägers, bei gutgläubiger Auslegung allenfalls für die drei "Berufsrichter" der sinngemäße Antrag in der Fassung aus dem Urteil vom 6.12.2016, keinesfalls jedoch die Klägeranträge in der (letzten) Fassung vom 21.11.2016 gestanden. Insofern wäre insbesondere darzulegen gewesen, warum die ehrenamtlichen Richter trotz der Möglichkeit zur Akteneinsicht und trotz des im Protokoll vermerkten Vortrags des Sachverhalts keine Kenntnis vom maßgeblichen Begehren (§ 123 SGG ) des Klägers gehabt haben sollten. Soweit der Inhalt des Urteils gerügt wird, wäre darzulegen gewesen, warum der umfangreiche Text dennoch die Mindestanforderungen verfehlt.

Der Kläger hat auch eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (zu den Anforderungen s zB BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6; BSG Beschluss vom 26.6.2006 - B 1 KR 19/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4). Er benennt insbesondere keinen Rechtssatz aus der angefochtenen Entscheidung des LSG, den das Berufungsgericht den von ihm zitierten Urteilen des BSG mit generellem Abweichungswillen entgegengestellt haben könnte. Missversteht oder übersieht das Berufungsgericht einen höchstrichterlichen Rechtssatz und wendet deshalb das Recht fehlerhaft an, kann daraus nicht geschlossen werden, es habe einen divergierenden Rechtssatz aufgestellt.

Darüber hinaus zeigt die Beschwerdebegründung auch nicht auf, dass die Entscheidung des LSG auf der behaupteten Divergenz beruht. Denn sie legt nicht dar, dass das BSG in dem herangezogenen Urteil auf der Grundlage des darin angeblich aufgestellten Rechtssatzes eine Fallkonstellation, die mit derjenigen des Klägers vergleichbar ist, tragend anders entschieden hat als das LSG im angefochtenen Urteil. Dafür genügt es keinesfalls, der bundesgerichtlichen Entscheidung isoliert einzelne Sätze zu entnehmen und - völlig losgelöst von ihrem Bezugsrahmen - zu behaupten, es handele sich dabei um tragende höchstrichterliche Rechtssätze (Senatsbeschluss vom 13.2.2013 - B 5 R 398/12 B - BeckRS 2013, 66978 RdNr 8). Stattdessen ist der tatsächliche und rechtliche Kontext darzustellen, in dem die herangezogenen bundesgerichtlichen Rechtssätze stehen (vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 7.2.2007 - B 6 KA 56/06 B - BeckRS 2007, 41946 RdNr 10 mwN). Zum Kontext der BSG -Entscheidung ist der Beschwerdebegründung aber schon deshalb nichts zu entnehmen, weil sie verschweigt, welchen Sachverhalt das BSG jeweils zu beurteilen hatte, sodass auch nicht deutlich wird, welche rechtlichen Aussagen es wirklich getroffen hat und welche Aussagen ggf auf einer Interpretation des Klägers beruhen. Eine konkrete Sachverhaltsdarstellung auch der BSG -Entscheidung gehört aber zu den Mindestvoraussetzungen, um die Entscheidungserheblichkeit der Divergenzrüge prüfen zu können. Denn eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung kann nur bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt vorliegen, auf den dieselben Rechtsnormen anzuwenden sind.

Soweit der Kläger schließlich vorträgt, die Änderung des Klagebegehrens in eine Untätigkeitsklage erst im Berufungsverfahren sei zulässig und das LSG sei diesem Begehren zu Unrecht nicht nachgekommen, fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Darlegung, woraus konkret sich am Schluss der mündlichen Verhandlung ein zur Entscheidung des Berufungsgerichts gestelltes Begehren dieser Art ergibt und warum im Fall einer zu Unrecht unterlassenen Entscheidung das Verfahren der Urteilsergänzung nicht als vorrangig in Betracht kommt.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 06.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KN 137/13
Vorinstanz: SG Dresden, vom 15.01.2013 - Vorinstanzaktenzeichen S 35 KN 569/10