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BSG - Entscheidung vom 31.05.2017

B 5 R 88/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 31.05.2017 - Aktenzeichen B 5 R 88/17 B

DRsp Nr. 2017/13139

Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Gewährung einer Wohnungshilfe Verfahrensrüge Verletzung rechtlichen Gehörs Verbot von Überraschungsentscheidungen

1. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör liegt u.a. vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können. 2. Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten. 3. Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf. dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann. 4. Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. 5. Die angefochtene Entscheidung kann auf dem Verfahrensmangel beruhen, wenn die Möglichkeit besteht, dass das LSG ohne den behaupteten Verfahrensmangel zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gelangt wäre; dies wäre nur dann der Fall, wenn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ausgehend von seiner Rechtsauffassung alle übrigen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch erfüllt wären.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe:

Mit Urteil vom 1.2.2017 hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten in Höhe von 33 036,89 Euro für den Einbau eines Senkrechtfahrstuhls in sein Einfamilienhaus als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Gewährung einer Wohnungshilfe verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG .

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Der Kläger macht eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von § 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG geltend.

Ein solcher Verstoß liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 62 RdNr 8b mwN). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen ( BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205 , 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger sieht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör durch das LSG verletzt, weil dieses auf seine Ausführungen zur Notwendigkeit eines eigenen Büros im ersten Obergeschoss nicht eingegangen sei. Insbesondere sei sein Vorbringen nicht beachtet worden, dass es keine Möglichkeit gegeben habe, das Büro im Erdgeschoss einzurichten. Ferner habe das Gericht die Grundrisszeichnung und die Gründe für die Unmöglichkeit der weiteren Ausnutzung der GRZ um 14,65 qm nicht berücksichtigt.

Mit diesem Vorbringen ist eine Gehörsverletzung nicht schlüssig bezeichnet.

Es fehlen ausreichende Angaben zur möglichen Kausalität zwischen der behaupteten Gehörsverletzung und dem Berufungsurteil.

Die angefochtene Entscheidung kann auf dem Verfahrensmangel beruhen, wenn die Möglichkeit besteht, dass das LSG ohne den behaupteten Verfahrensmangel zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gelangt wäre (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 23 mwN). Dies wäre nur dann der Fall, wenn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ausgehend von seiner Rechtsauffassung (vgl Leitherer aaO) alle übrigen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch erfüllt wären.

Ein Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben setzt neben der Erforderlichkeit der begehrten Teilhabeleistung für das erstrebte Rehabilitationsziel voraus, dass er die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen iS der §§ 10 und 11 SGB VI erfüllt, ein Ausschlussgrund iS von § 12 SGB VI nicht vorliegt (ua BSG Urteil vom 21.3.2001 - B 5 RJ 8/00 R - Juris RdNr 13; vgl auch BSG SozR 4-2600 § 10 Nr 2 RdNr 11 ff) und die begehrte Leistung, der Senkrechtfahrstuhl, eine Leistung zur Teilhabe iS des § 16 SGB VI iVm § 33 SGB IX ist. Ob nach den Feststellungen des LSG diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich der Beschwerdebegründung indes nicht entnehmen.

Der Kläger rügt ferner sinngemäß eine Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht iS des § 103 SGG .

Hierzu trägt er vor, das LSG hätte sich durch einen Ortstermin von der Zimmeraufteilung bzw dem "Platzbedarf des Heimbüros mit sämtlichen für die Arbeit notwendigen Arbeitsmitteln" überzeugen müssen.

Mit diesem Vorbringen ist ein Verstoß gegen § 103 SGG nicht schlüssig aufgezeigt.

Der Kläger hat bereits nicht dargetan, vor dem LSG einen entsprechenden prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt zu haben. Eine Verletzung des § 103 SGG kann nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG aber nur mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, wenn der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren einen Beweisantrag gestellt hat, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht nachgekommen ist.

Abgesehen davon hat der Kläger auch insoweit aus den og Gründen keine mögliche Kausalität zwischen dem behaupteten Verfahrensmangel und der angefochtenen Entscheidung dargelegt.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 01.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 R 176/15
Vorinstanz: SG Hannover, vom 25.02.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 44 R 137/11