Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 20.06.2017

B 3 KR 25/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 20.06.2017 - Aktenzeichen B 3 KR 25/17 B

DRsp Nr. 2017/14009

Krankengeld Grundsatzrüge Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung Nicht mehr klärungsbedürftige Rechtsfrage Beantwortung der Frage unmittelbar aus dem Gesetz

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt. 3. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage bereits dann nicht mehr, wenn sich die Beantwortung der Frage unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. März 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 23.3.2017 hat das LSG Niedersachsen-Bremen den Anspruch der Klägerin auf Krankengeld (Krg) über den 5.8.2015 hinaus verneint. Das LSG hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des SG ausgeführt, dass die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V ) mit dem letzten Tag der Reha-Maßnahme am 5.8.2015 geendet habe. Am 6.8.2015 sei keine Arbeitsunfähigkeit (AU) ärztlich festgestellt worden; die ärztliche Überprüfung durch Sachverständige habe ergeben, dass seit 5.8.2015 Arbeitsfähigkeit bestanden habe. Auf die anderslautende Bescheinigung der Hausärztin könne nicht allein abgestellt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG bestehe keine Bindungswirkung der Krankenkasse oder der Gerichte an die ärztliche AU-Feststellung. Sie habe die Bedeutung einer ärztlich-gutachterlichen Stellungnahme im Rahmen des von der Krankenkasse zu prüfenden Anspruchs auf Krg.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde eingelegt.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie einen gesetzlichen Zulassungsgrund für die Revision (§ 160a Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG ) nicht formgerecht dargetan hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG ).

Lediglich sinngemäß lässt sich der Beschwerdebegründung entnehmen, dass die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machen will.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Die Klägerin trägt vor, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung auf die ständige Rechtsprechung des BSG zum Charakter der ärztlichen AU-Feststellung als sog "unverbindliche Stellungnahme im Rahmen der von der Krankenkasse vorzunehmenden Anspruchsprüfung, ohne dass eine inhaltliche Bindung an die Bescheinigung besteht (BSGE 118, 52 ; BSGE 111, 18 )" gestützt habe. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut von § 46 S 1 Nr 2 SGB V komme es für die Entstehung des Krg-Anspruchs ausschließlich auf die ärztliche Feststellung der AU an; eine unverbindliche Wirkung der Bescheinigung relativiere den Gesetzeswortlaut. Die bisherige Rechtsprechung des BSG sei diesbezüglich zu überprüfen. Im Übrigen habe das LSG die Rechtslage nicht korrekt auf den Sachverhalt abgebildet. Die Vorinstanzen hätten es unterlassen, die durchgehende Krankschreibung der Vertragsärztin H. zu beachten. Der besondere Beweiswert dieser Bescheinigung sei im Rechtsstreit nicht hinreichend gewichtet worden.

Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache fehlt es bereits an der Formulierung einer Rechtsfrage in der Beschwerdeschrift zur Auslegung und Anwendung revisiblen Bundesrechts (§ 162 SGG ). Aber auch sinngemäß hat die Klägerin keine klärungsbedürftige Problematik aufgezeigt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage bereits dann nicht mehr, wenn sich die Beantwortung der Frage unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (vgl BSG SozR 1300 § 13 Nr 1; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 7 RdNr 8) oder bereits höchstrichterlich geklärt ist ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65 ). Hier fehlt es an Darlegungen, dass und aus welchen Gründen sich unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen Rechtsprechung des BSG neuer Klärungsbedarf ergeben könnte. Die Klägerin legt lediglich ihre eigene, der BSG entgegenstehende Rechtsansicht dar, ohne aufzuzeigen, dass sich eine neue klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, die das BSG noch nicht beantwortet hat (vgl allgemein Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 183 mwN).

Soweit die Klägerin meint, das LSG habe den Rechtsstreit ihrer Ansicht nach unzutreffend entschieden, stellt die geltend gemachte vermeintliche Unrichtigkeit der zweitinstanzlichen Entscheidung auf der Basis der Rechtsprechung des BSG keinen Revisionszulassungsgrund dar (stRspr vgl nur zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Wenn die Klägerin auf den besonderen Beweiswert der durchgehenden Krankschreibung der Vertragsärztin H. hinweist und sinngemäß die fehlerhafte Beweiswürdigung des LSG angreift, kann auch dieser Vortrag der Klägerin nicht zum Erfolg ihrer Beschwerde verhelfen. Denn die Zulassung der Revision kann bei einer Rüge des Verfahrensmangels nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht auf eine Verletzung der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG ) gestützt werden.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 23.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 16 KR 453/16
Vorinstanz: SG Lüneburg, vom 14.07.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 16 KR 352/15