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BSG - Entscheidung vom 26.09.2017

B 8 SO 42/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 26.09.2017 - Aktenzeichen B 8 SO 42/17 B

DRsp Nr. 2017/15345

Kostenerstattungsanspruch wegen geleisteter Eingliederungshilfe Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Genügen der Darlegungspflicht Breitenwirkung

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog. Breitenwirkung) dargelegt werden. 3. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist. 4. Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden müssen. 5. Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. April 2017 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 63 249,80 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Im Streit ist ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten wegen geleisteter Eingliederungshilfe an W (W).

Der Kläger hat für W vom 11.5.2012 bis 30.4.2015 Eingliederungshilfeleistungen und vom 11.5.2012 bis 31.12.2013 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erbracht. Das LSG Baden-Württemberg hat den Beklagten verurteilt, die an W erbrachten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in vollem Umfang zu erstatten, die geleistete Eingliederungshilfe dagegen nur bis 25.5.2012 (Urteil vom 27.4.2017). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe über den 25.5.2012 hinaus sei schon deshalb rechtswidrig und Kosten nicht zu erstatten, weil W selbst dem Leistungserbringer zur Zahlung eines Entgelts vertraglich nicht verpflichtet gewesen sei.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde; er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Es stelle sich die Rechtsfrage, ob es Voraussetzung für die Übernahme einer Vergütung durch einen Schuldbeitritt sei, dass der Sozialhilfeempfänger dem Leistungserbringer vertraglich ein Entgelt schulde. Es erscheine an dieser Stelle bereits zweifelhaft, dass zwischen W und dem Leistungserbringer kein konkludenter Vertrag zustande gekommen sei. Eine vergleichbare Rechtsfrage sei beim BSG bereits anhängig (Verfahren B 8 SO 19/15 R), und es stelle sich auch hier die Frage, welche Anforderungen an einen konkludenten Vertragsschluss zu stellen seien, wenn Leistungen regelmäßig ohne Beanstandungen angenommen würden. Es begegne zum anderen die Auffassung des LSG erheblichen Bedenken, dass ein Schuldbeitritt nur zu vertraglich begründeten Leistungspflichten erfolgen könne; das Zivilrecht stelle nicht auf den Rechtsgrund der Schuld ab. Dass W zumindest wegen ungerechtfertigter Bereicherung zur Zahlung verpflichtet sei, dürfte unzweifelhaft sein. Ob der Sozialhilfeträger durch den Beitritt zu einer solchen Schuld seiner Leistungspflicht nach den §§ 75 ff SGB XII genüge, sei bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Denn es fehlt jedenfalls an der ausreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden müssen ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 39 und § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

Soweit die Beschwerde zunächst damit begründet wird, es sei zumindest ein konkludenter Vertrag zwischen W und dem Leistungserbringer zustande gekommen, ist nicht erkennbar, dass sich die aufgeworfene Frage, ob es Voraussetzung für die Übernahme einer Vergütung durch einen Schuldbeitritt sei, dass der Sozialhilfeempfänger dem Leistungserbringer vertraglich ein Entgelt schulde, überhaupt stellt. Denn W hätte dann ein vertraglich vereinbartes Entgelt ja zu zahlen. Soweit nach den "Anforderungen an einen konkludenten Vertragsabschluss" gefragt wird, ist die Frage derart allgemein gehalten, dass sie nicht zur Grundlage der weiteren Prüfung taugt, inwieweit der Kläger die Klärungsbedürftigkeit dargelegt hat (Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 305). Im Übrigen hätte es angesichts der erheblichen (geistigen) Behinderung des W und der bestehenden Betreuung zunächst Ausführungen dazu bedurft, ob W überhaupt in der Lage ist, wirksam konkludent einen Vertrag zu schließen. Daran fehlt es hier. Soweit der Kläger meint, auch ein Anspruch aus Bereicherungsrecht stelle im Falle eines fehlenden Vertragsschlusses eine Schuld dar, der im Rahmen der §§ 75 SGB XII beigetreten werden könne, fehlen Ausführungen dazu, dass er überhaupt einen solchen Schuldbeitritt erklärt hat, der sich nicht (nur) auf vertragliche Ansprüche gegen W beschränkt hat, sondern darüber hinaus beim Fehlen einer (vertraglichen) Schuld auch etwaige Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung erfassen sollte. Zudem fehlen jegliche Ausführungen zu den (nur unterstellten) Voraussetzungen der §§ 812 ff BGB . Soweit der Kläger behauptet, dass "aus zivilrechtlicher Sicht ... ein Schuldbeitritt unabhängig von dem der Schuld zugrundeliegenden Rechtsverhältnis möglich" sei, fehlen zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage Ausführungen dazu, weshalb eine Übertragbarkeit der für das Zivilrecht geltenden Rechtslage nicht zwanglos auf die Konstellation des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses nach den §§ 75 ff SGB XII möglich sein soll und dies noch höchstrichterlicher Klärung bedarf. Insoweit beschränkt sich das Vorbringen des Klägers auf eine Kritik an der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung des LSG, wenn er ausführt, das LSG habe zu Unrecht eine vertragliche Verpflichtung als Grundlage eines Schuldbeitritts verlangt. Allein der Hinweis darauf, dass zur aufgeworfenen Rechtsfrage bereits beim BSG ein Revisionsverfahren anhängig ist, verringert die inhaltlichen Anforderungen an die Beschwerdebegründung bzw die Darlegung der Klärungsfähigkeit und der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht. Macht der Kläger zudem einen Erstattungsanspruch gestützt auf § 14 Abs 4 SGB IX geltend, bedarf es nicht zuletzt auch Ausführungen dazu, woraus sich die (eigentliche) Leistungszuständigkeit des Beklagten als Grundlage des Erstattungsanspruchs ergibt; ebenso fehlen, abgesehen von der Problematik der ggf fehlenden vertraglichen Schuld, jegliche Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung an W im Übrigen. Davon kann auch dann nicht abgesehen werden, wenn - wie hier - der Anspruch vom LSG für einen Teil des ursprünglich streitigen Gesamtzeitraums offenbar bejaht worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 , § 52 Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 27.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 7 SO 2669/15
Vorinstanz: SG Karlsruhe, vom 14.04.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 4 SO 2162/14