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BSG - Entscheidung vom 15.11.2017

B 1 KR 4/17 BH

Normen:
SGG § 73a Abs. 1
ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 117 Abs. 4

BSG, Beschluss vom 15.11.2017 - Aktenzeichen B 1 KR 4/17 BH

DRsp Nr. 2017/17725

Kein Anspruch auf eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) ohne Lichtbild PKH-Verfahren Folgen fehlender Mitwirkung Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Bezugnahme

1. Die Bewilligung von PKH für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil setzt nach der Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes voraus, dass der Antragsteller sowohl den Antrag auf PKH als auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Erklärung) in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form, d.h. auf dem durch die Prozesskostenhilfeformularverordnung (PKHFV) vom 06.01.2014 (BGBl I 34) eingeführten Formular, bis zum Ablauf der Beschwerdefrist einreicht und alle nötigen Belege beifügt. 2. Aus dem Erfordernis, dass sich der Inhalt der Erklärung auf den Zeitpunkt der Antragstellung beziehen soll, ist abzuleiten, dass grundsätzlich für jede Instanz die Erklärung auf einem gesonderten aktuellen Formular abgegeben werden muss. 3. Eine Bezugnahme auf ein in der Vorinstanz oder in einem parallel anhängigen Verfahren abgegebene Erklärung kann jedoch ausreichen, wenn der Antragsteller geltend macht, dass gegenüber der früher abgegebenen Erklärung keine Veränderungen eingetreten sind.

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 2017 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 73a Abs. 1 ; ZPO § 117 Abs. 2 ; ZPO § 117 Abs. 4 ;

Gründe:

I

Der bei der beklagen Krankenkasse versicherte Kläger begehrt von ihr, ihm ein für die Dauer des Versicherungsverhältnisses geltendes Nachweisdokument für die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen ohne Lichtbild zu verschaffen. Das SG hat die Klage abgewiesen, das LSG die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) ohne Lichtbild oder einen anderen geeigneten Nachweis ohne Lichtbild. Ihn treffe die Obliegenheit, die eGK in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung, was das Lichtbild einschließe, zum Nachweis der Leistungsberechtigung vorzulegen. Es folge der höchstrichterlichen Rspr (Hinweis auf BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1), wonach diese Mitwirkungsobliegenheiten mit höherrangigem Recht in Einklang stünden (Urteil vom 1.6.2017).

Der Kläger begehrt, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen.

II

Die Bewilligung von PKH (dazu 1.) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts (dazu 2.) ist abzulehnen.

1. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH (dazu a) liegen nicht vor (dazu b).

a) Die Bewilligung von PKH für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil setzt nach der Rspr des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes voraus, dass der Antragsteller sowohl den Antrag auf PKH als auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Erklärung) in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 73a Abs 1 SGG , § 117 Abs 2 und 4 ZPO ), dh auf dem durch die Prozesskostenhilfeformularverordnung (PKHFV) vom 6.1.2014 (BGBl I 34) eingeführten Formular, bis zum Ablauf der Beschwerdefrist einreicht (vgl zB BSG SozR 1750 § 117 Nr 1 und 3; BSG Beschluss vom 3.4.2001 - B 7 AL 14/01 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 7.6.2016 - B 1 KR 2/16 BH - RdNr 4; BGH VersR 1981, 884 ; BVerfG SozR 1750 § 117 Nr 2 und 6; BVerfG NJW 2000, 3344 ) und alle nötigen Belege beifügt. Aus dem Erfordernis, dass sich der Inhalt der Erklärung auf den Zeitpunkt der Antragstellung beziehen soll, ist abzuleiten, dass grundsätzlich für jede Instanz die Erklärung auf einem gesonderten aktuellen Formular abgegeben werden muss. Eine Bezugnahme auf ein in der Vorinstanz oder in einem parallel anhängigen Verfahren abgegebene Erklärung kann jedoch ausreichen, wenn der Antragsteller geltend macht, dass gegenüber der früher abgegebenen Erklärung keine Veränderungen eingetreten sind (vgl Geimer in Zöller, ZPO , 31. Aufl 2016, § 117 RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 7.6.2016 - B 1 KR 2/16 BH - RdNr 4). Dies erfordert, dass die in Bezug genommene Erklärung eine Beurteilung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse ermöglicht. Sie muss grundsätzlich die durch das Formular geforderten Angaben enthalten. Der Erklärung müssen gegebenenfalls Belege zum Nachweis der gemachten Angaben beigefügt sein.

Nach § 2 Abs 2 PKHFV muss eine Partei, die nach dem SGB XII laufende Leistungen zum Lebensunterhalt bezieht, die Abschnitte E bis J des in der Anlage bestimmten Formulars nicht ausfüllen, wenn sie der Erklärung den zum Zeitpunkt der Antragstellung aktuellen Bewilligungsbescheid des Sozialamtes beifügt, es sei denn, das Gericht ordnet dies ausdrücklich an. Die Beantwortung der in den Abschnitten E bis J aufgeführten Fragen ist nicht in entsprechender Anwendung des § 2 Abs 2 PKHFV entbehrlich, wenn ein Antragsteller Leistungen nach dem SGB II bezieht (ebenso BFH Beschluss vom 8.3.2016 - V S 9/16 [PKH] - Juris RdNr 9). Dies folgt nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs 2 PKHFV, sondern auch aus dem mit § 2 Abs 2 PKHFV harmonisierten Hinweistext in der das PKH-Formular enthaltenden Anlage zur PKHFV, der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der PKHFV. Das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales haben zur Begründung des mit der PKHFV übereinstimmenden Verordnungsentwurfs insoweit ausgeführt (BR-Drucks 780/13 S 17):

"In dem Hinweistext vor Abschnitt E werden die Worte 'oder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ' gestrichen, wodurch eine Harmonisierung des Formulars mit § 2 Absatz 2 der Verordnung erfolgt. Es ist inhaltlich nicht sachgerecht, Bezieher von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ( SGB II ) von der Beantwortung insbesondere der Fragen des Abschnittes G zu befreien. Gemäß § 115 Absatz 3 Satz 2 ZPO wird das Schonvermögen der Partei im Rahmen der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe durch § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ( SGB XII ) bestimmt, da es sich bei der Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe um eine besondere Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege handelt. § 12 Absatz 2 SGB II definiert das Schonvermögen für seinen Anwendungsbereich hingegen deutlich großzügiger, so dass trotz des Bezugs beispielsweise von Arbeitslosengeld II im Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzendes Vermögen vorhanden sein kann. Die Beantwortung der entsprechenden Fragen ist mithin erforderlich."

b) Der Kläger hat das PKH-Formular nicht vollständig ausgefüllt, ohne von der Beantwortung der Abschnitte E bis J entbunden zu sein. Er erfüllt nicht die erleichterte Bewilligungsvoraussetzung nach § 2 Abs 2 PKHFV.

Der Kläger hat bis zum Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist, die am 13.7.2017 endete (§ 160a Abs 1 , § 64 Abs 2 , § 63 Abs 2 SGG , §§ 176 f, 180 ZPO ), zwar PKH beantragt (Fax vom 13.6.2017). Er hat aber trotz Belehrung des Berichterstatters (Schreiben vom 14.6.2017) das PKH-Formular ohne die erforderliche vollständige Erklärung übersandt (20.6.2017). Er hat nur die Abschnitte A bis D des Formulars ausgefüllt, die unvollständige Erklärung nicht durch eine hinreichende Bezugnahme ersetzt und die Vervollständigung der Erklärung verweigert, obwohl der Berichterstatter ihn auf die erforderliche Vervollständigung hingewiesen hat (Schreiben vom 20.6.2017). Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 PKHFV. Denn er bezieht SGB II -Leistungen und hat dies durch einen den Zeitraum von Juli 2017 bis Juni 2018 regelnden Bescheid des Jobcenters Köln vom 24.5.2017 über 896,95 Euro monatlich selbst nachgewiesen. Der erkennende Senat ist nicht gehalten, den Großen Senat des BSG wegen Divergenz anzurufen (§ 41 SGG ). Es ist nicht ersichtlich, dass der 4. BSG -Senat - wie der Kläger meint - einen abweichenden divergenzfähigen Rechtssatz aufgestellt hat.

2. Mit der Ablehnung der PKH entfällt zugleich die Möglichkeit, einen Rechtsanwalt im Rahmen der PKH beizuordnen (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 01.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 210/15
Vorinstanz: SG Köln, vom 26.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 14 KR 63/14