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BSG - Entscheidung vom 10.02.2017

B 8 SO 77/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 10.02.2017 - Aktenzeichen B 8 SO 77/16 B

DRsp Nr. 2017/10094

Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Grundsatzrüge Abstrakt-generelle Rechtsfrage Hypothetisch andere gesetzliche Regelung

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog. Breitenwirkung) dargelegt werden. 3. Der Umstand, dass der Gesetzgeber eine andere Regelung treffen könnte, macht eine Frage jedenfalls nicht klärungsbedürftig.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. Mai 2016 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Im Streit sind die Zahlung höherer monatlicher Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) ab September 2012 bis zur Auszahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung, die erst jeweils am Monatsende erfolgt, sowie ein sich daraus ergebendes Erstattungsverlangen des Beklagten für September 2012.

Die Klage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 14.3.2014; Beschluss des Landessozialgerichts [LSG] Rheinland-Pfalz vom 3.5.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, die Berücksichtigung der erst am Monatsende überwiesenen Rente bereits zu Beginn des Monats führe bei der Klägerin nicht zu einer Unterdeckung, zudem es sich bei der Rente nur um einen Betrag von 23,02 Euro handle.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensfehler geltend. Es stelle sich die grundsätzlich bedeutsame Frage, ob eine Zahlung, die am Monatsende eingehe, unter Abweichung des Zuflussprinzips dem Folgemonat zugeordnet werden könne oder müsse und ob dies zur Folge habe, dass für den Vormonat Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) ohne Anrechnung der Zahlung am Monatsende zu erbringen seien? Am ersten Monat der Rentenzahlung entstehe eine Deckungslücke. Das LSG habe darüber hinaus verfahrensfehlerhaft durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) entschieden. Denn ihr (der Klägerin) sei, nachdem sie erst nach Anhörung des LSG zur beabsichtigten Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs 4 SGG ) die Berufung begründet habe, weder erneut Gelegenheit zum Vortrag gegeben noch sei sie erneut angehört worden. Dies sei jedoch erforderlich gewesen, weil sie erstmals die Berufung substantiiert begründet habe.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es fehlt bereits an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der formulierten Rechtsfrage. Hierzu hätte es einer Auseinandersetzung mit der über den Zeitpunkt des Einkommenszuflusses bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einzelnen bedurft. Die Klägerin beruft sich nur abstrakt auf ein von der Rechtsprechung (Bundesverwaltungsgericht) entwickeltes "Zuflussprinzip" und legt zudem nicht im Einzelnen dar, wieso die aufgeworfene Rechtsfrage noch nicht entschieden ist, bzw weshalb es angesichts der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung erneut der Klärung der von ihr gestellten Frage bedarf. Der Umstand, dass der Gesetzgeber eine andere Regelung treffen könnte, macht die Frage jedenfalls nicht klärungsbedürftig.

Auch ein Verfahrensmangel ist nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargelegt werden ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24 , 34 und 36; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist die Darlegung zu verlangen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36), es sei denn, es werden - wie hier - absolute Revisionsgründe (unvorschriftsmäßige Besetzung des LSG nach § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 Zivilprozessordnung [ZPO]) gerügt, bei denen gemäß § 202 SGG iVm § 547 ZPO der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird (BSGE 4, 281 , 288; BSG SozR 1500 § 136 Nr 8).

Es fehlt bereits an einer schlüssigen (= nachvollziehbaren) Darlegung des Verfahrensmangels. Hierzu trägt die Klägerin lediglich vor, sie habe in der Berufungsbegründungsschrift "substantiierte Angriffe gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebracht und einen Hinweis auf die Einlassung der Bundesregierung, die eine Existenzsicherungslücke im Übergang vom Arbeitslosengeld II in die Rente durch die Umstellung von einer Zahlung im Voraus auf eine nachträgliche Zahlung sehe"; bei erstmaligem substantiierten Vorbringen sei aber eine erneute Anhörung zur vorgesehenen Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung erforderlich. Welchen Vortrag die Berufungsbegründung enthält, ist in keiner Weise ausgeführt. Dessen Wiedergabe wäre aber erforderlich, um dem Senat die Beurteilung zu ermöglichen, ob es sich bei der Berufungsbegründung tatsächlich um substantiierten Vortrag im Sinne der Rechtsprechung handelt. Die schlichte Behauptung, dies sei so, genügt hierfür jedenfalls nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 03.05.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 SO 83/14
Vorinstanz: SG Speyer, - Vorinstanzaktenzeichen S 16 SO 146/13