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BSG - Entscheidung vom 23.05.2017

B 9 SB 86/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 23.05.2017 - Aktenzeichen B 9 SB 86/16 B

DRsp Nr. 2017/13132

Feststellung eines Grades der Behinderung Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Genügen der Darlegungspflicht Auseinandersetzung mit einschlägiger Rechtsprechung

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. 3. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen. 4. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. 5. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher u.a. mit Wortlaut, Kontext und ggf. der Entstehungsgeschichte des fraglichen Gesetzes sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. Oktober 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Beim Kläger wurde für die Zeit seit dem 1.12.2008 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt wegen eines Prostatakarzinoms, einer daraufhin durchgeführten operativen Entfernung der Prostata und einer verbliebenen Harninkontinenz (Bescheid vom 12.3.2009).

Im November 2009 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheids und eine Feststellung eines GdB von 50 ab einem früheren Zeitpunkt, um seine seit dem 1.8.2008 bezogenen Altersrente für langjährig Versicherte in eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen umwandeln zu können.

Der Beklagte stellte daraufhin einen GdB von 50 wegen der in Heilungsbewährung befindlichen Prostataerkrankung bereits seit dem 1.9.2008 fest, lehnte jedoch eine noch frühere Anerkennung ab (Bescheid vom 21.12.2009, Widerspruchsbescheid vom 5.7.2010).

Die dagegen erhobene Klage hat das SG abgewiesen. Eine GdB-Bewertung könne erst ab dem Zeitpunkt der Diagnosesicherung erfolgen (Urteil vom 30.10.2012).

Mit dem angefochtenen Urteil vom 27.10.2016 hat das LSG einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines GdB von 50 vor dem 1.9.2008 verneint. Der Nachweis eines bösartigen Tumors sei erst durch eine Biopsie am 30.10.2008 geführt worden. Jedenfalls im Fall des Klägers ließen auch die in der Zeit vor dem 1.9.2008 ermittelten erhöhten PSA-Werte keinen anderen Schluss zu.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, mit der er eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit Wortlaut, Kontext und ggf der Entstehungsgeschichte des fraglichen Gesetzes sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG , 2014, § 160a RdNr 50 mwN).

Danach hat die Beschwerde keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt.

Soweit sie fragt,

inwieweit durch einen zu einem früheren Zeitpunkt vorliegenden erhöhten PSA-Wert in der Rückbetrachtung der Vollbeweis des vorliegend eines einen GdB von 50 begründenden Prostatakarzinoms erbracht ist, wenn die Diagnose zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen einer Biopsie gesichert erbracht wurde,

hilfsweise,

inwieweit bei festgestellten erhöhten Werten in der Rückbetrachtung ein für die Feststellung eines GdB ausreichender Vollbeweis einer Tumorerkrankung erbracht ist, wenn durch Entnahme einer Gewebeprobe und deren Untersuchung zu einem späteren Zeitpunkt die Tumorerkrankung gesichert bestätigt wurde,

fehlt es bereits an der Angabe des konkreten Tatbestandsmerkmals einer gesetzlichen bzw einer untergesetzlichen Norm, deren Bedeutungsgehalt grundsätzlich klärungsbedürftig sein soll. Durch ihre Frage nach den Voraussetzungen eines Vollbeweises einer Tumorerkrankung zielt die Beschwerde vielmehr im Kern auf die Art und Weise von Beweisführung und -würdigung bei der Bemessung eines GdB ab. Diese sind indes Aufgabe des Tatsachengerichts (vgl BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 18 mwN) und können insoweit gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht überprüft werden. Vielmehr ist der Senat nach § 163 SGG an die von der Beschwerde nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG gebunden. Danach kann beim Kläger der Nachweis des Bestehens eines bösartigen Tumors für die Zeit vor dem 1.9.2008 nicht geführt werden.

Soweit die Beschwerde es im Übrigen für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob für die Feststellung eines GdB bei einer Tumorerkrankung die ärztliche Diagnose ausreicht oder zusätzlich konkrete Anhaltspunkte für körperliche und psychische Beschwerden vorliegen müssen, fehlt es angesichts der genannten bindenden Feststellungen des LSG schon an der Darlegung, warum diese Frage im Fall des Klägers entscheidungserheblich sein könnte.

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 27.10.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 10 SB 182/12
Vorinstanz: SG Braunschweig, vom 30.10.2012 - Vorinstanzaktenzeichen S 11 SB 227/10